Reisefreiheit ade?
Merkel warnt die EU in der Flüchtlingsfrage so deutlich wie noch nie.
Die mächtigste Frau Europas war heiser, als sie am Mittwoch im Bundestag sprach, aber man vernahm sie klar und deutlich. Europa sei in der Flüchtlingskrise an einem entscheidenden Punkt angelangt, warnte sie. Einige sich die Union nicht auf einen verbindlichen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge, liessen sich die offenen Grenzen innerhalb Europas nicht mehr aufrechterhalten. Das passlose Reisen im Schengen-Raum, eine der elementaren Errungenschaften des gemeinsamen Europa, stehe dann infrage.
Merkel hatte in den vergangenen Wochen schon in ähnlicher Art gewarnt, aber noch nie in derart dramatischen Worten. Deutschland ist frustriert darüber, dass vor allem die osteuropäischen Länder die gemeinsame Verantwortung in der Flüchtlingskrise rundweg abstreiten. Ob deutsche Mahnungen eine Lösung befördern, lässt sich im Moment noch nicht sagen. Immerhin ist die Situation pikant, dass diesmal das mächtigste Mitglied um Solidarität bittet, nicht ein armes aus dem Süden. Einen Konsens scheint es in Europa derzeit nur darüber zu geben, dass die Union ihre Aussengrenzen vor Flüchtlingen wieder entschiedener abschotten muss. Gelingt das, so hoffen wohl viele Länder, könne man ja einfach wieder zum Asylsystem der Vergangenheit zurückkehren. Dass dies nach diesem Sommer nicht mehr möglich sein wird, hat ihnen Merkel als Einsicht voraus.