Ausverkauf halbiert ABB Schweiz
Mit dem Sparten-Verkauf schrumpft der Industrie-Riese. Und der Deal bringt für die 2800 Betroffenen in der Schweiz Unsicherheit.

Den 6000 Mitarbeitenden von ABB Schweiz muss es wie eine Amputation vorkommen. Die Division Stromnetze des Konzerns ABB mit 2800 Mitarbeitenden in der Schweiz wird an den japanischen Konkurrenten Hitachi verkauft – und auf einen Schlag schrumpft die Belegschaft von ABB Schweiz um fast die Hälfte.
Hinzu kommt, dass es Jahre dauern kann, bis der Deal mit Hitachi umgesetzt ist. Bis Mitte 2020 dauert es laut Hitachi, bis ABB die Division Stromnetze verselbstständigt hat und die nötigen Bewilligungen von Wettbewerbsbehörden weltweit vorliegen. Erst im Jahr 2020 wird laut Unterlagen von Hitachi die Gemeinschaftsfirma aktiv, in die ABB in einem ersten Schritt 80,1 Prozent der Sparte Stromnetze einbringt. Dann hat ABB drei Jahre Zeit, Hitachi die restlichen 19,9 Prozent anzudienen.
«Eine derart lange Übergangszeit sorgt für Verunsicherung», sagt Manuel Wyss von der Gewerkschaft Unia. «Viele machen sich Sorgen um ihren Job. Je länger die Unsicherheit dauert, desto mehr Leute gehen von sich aus, was womöglich Absicht ist.»
Keine Jobgarantien
Die Division Stromnetze beschäftigt global 36'000 Leute. Der Verkauf an Japan führe zu keinem Personalabbau in der Schweiz, sagt ABB-Chef Ulrich Spiesshofer. Garantien gibt es indes keine. Die Anzahl Angestellte sei «noch nicht bestimmt», steht dazu in einer Mitteilung von Hitachi. «Weder ABB noch Hitachi haben bislang Jobgarantien abgegeben», warnt Gewerkschafter Wyss. Unia trifft heute Vertreter von ABB Schweiz: «Wir wollen wissen, wo bei ABB wie viele Stellen gefährdet sind», sagt dazu Wyss. Die Aargauer Regierung sorgt sich, der Verkauf der ABB-Sparte Stromnetze führe «beim Personal zu einer grossen Verunsicherung».
Mit dem Stromnetzgeschäft, das mit Transformern, Hochspannungskabeln und Stromspeichern rund 10 Milliarden Dollar Umsatz macht, verliert ABB rund ein Viertel des Umsatzes und der Mitarbeitenden. In der Schweiz schrumpft der Konzern erneut. Hatte ABB Ende der Siebzigerjahre über 20'000 Angestellte in der Schweiz, bleiben bald nur noch etwas über 3000. ABB Schweiz wird damit deutlich kleiner sein als die Schweizer Ableger des Konkurrenten Siemens. Hitachi gilt als seriöser Industriekonzern. Am Ende werde das Stromnetzgeschäft eher mehr als weniger Leute beschäftigen, glaubt ABB-Chef Spiesshofer. Ob die Japaner ihr Versprechen, die zugekaufte Stromsparte auszubauen, einlösen, muss sich erst zeigen. Gewerkschafter Wyss sieht mittelfristig die Gefahr eines Abbaus: «Leider wird oft erst bei der Umsetzung eines Deals klar, wie viele Stellen der Käufer streicht.»

Aber bis das alles über die Bühne ist, kann es Jahre dauern. Immer vorausgesetzt, der Deal scheitert nicht an den Wettbewerbshütern oder an anderen Unwägbarkeiten.
An der Börse fiel der Deal mit Hitachi jedenfalls durch. Die Aktie von ABB war gestern nach Börsenschluss fast 1,8 Prozent weniger wert als vor Ankündigung des Ausverkaufs. Ein Grund für die negative Reaktion der Börse mag sein, dass ABB die 6,4 Milliarden Dollar nach Abzug von Schulden für die erste Tranche erst 2020 erhält, wenn die 80,1 Prozent an der Sparte Stromnetz an Hitachi übergegangen sind. Erst dann kann ABB die Milliarden für Aktienrückkäufe einsetzen, in der Hoffnung, so im Interesse der Aktionäre den Kurs von ABB in die Höhe zu treiben.
Gleichzeitige Reorganisation
Bares bringt der Deal ABB also noch einige Zeit nicht ein, dafür happige Kosten – Aufwendungen von 500 bis 600 Millionen Dollar für die Transaktion und die Abtrennung der Stromnetzsparte, plus Abflüsse für Steuern von 800 bis 900 Millionen Dollar.
Weit länger als über den Hitachi-Deal sprach ABB-Chef Spiesshofer gestern über die Reorganisation von ABB als Ganzem. Der Konzern gibt seine Matrixorganisation auf, die Kritiker seit Jahren als teuer und schwerfällig bezeichnen. Die Verschlankung der Organisation soll eine halbe Milliarde Dollar an Einsparungen pro Jahr bringen. Und sie soll «beschleunigtes profitables Wachstum» ermöglichen, was Spiesshofer seit Jahren verspricht. Woher genau dieser Schub künftig kommen soll, kann Spiesshofer nicht konkret darlegen. Was Aktionäre und Mitarbeitende zusätzlich verunsichern dürfte angesichts der sich abkühlenden Konjunktur in China und dem drohenden Handelskrieg mit den USA.
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