Autonome klauen Deutschland-Flaggen – bei türkischen Fans
In Berlin-Neukölln stehlen Mitglieder der linken Szene systematisch die Fähnchen von Fussballfans. Betroffen sind viele Migranten – ein Phänomen, dass zahlreiche Medien beschäftigt.

Selbst die Redaktion der angesehenen «Irish Times» in Dublin reibt sich verwundert die Augen. Was ist bloss los in Deutschland? Da hängt ein türkischstämmiger Elektroshop-Betreiber in Berlin-Neukölln eine gewaltige Deutschlandfahne von mehr als 20 Metern Höhe über seinem Geschäft auf – und deutsche Mitbürger aus dem linken Spektrum versuchen, sie abzuschneiden und sogar in Brand zu setzen. «Der Fussball bringt die komplexen Veränderungen der deutschen Identität an die Oberfläche», titelte das Blatt am 30. Juni einigermassen ratlos.
Verantwortlich ist offenbar eine Gruppe mit dem selbst gewählten Namen «Kommando Kevin-Prince-Boateng Berlin-Ost» – benannt nach dem Fussballprofi, der die WM-Träume von Michael Ballack mit einem harten Foul beendet hatte. Schon 1657 «schwarz-rot-goldene Lumpen» habe man erbeutet, so teilte das Kommando im Internet mit – eine Aktion, die sich «gegen den eventabhängig aufkommenden Patriotismus in Deutschland» richte, zum Beispiel in Gestalt von Euro-Song-Contest-Siegerin Lena, Papstwahl oder eben der DFB-Auswahl bei der Fussball-Weltmeisterschaft in Südafrika.
«Die kommen in der Nacht»
Anti-Nationalisten gegen Zugewanderte, die sich über den Erfolg der deutschen Mannschaft freuen: Der Berliner «Tagesspiegel» berichtete von zahlreichen Fällen, bei denen Immigranten, die sich als Deutschland-Fans zeigten, gewaltsam «entflaggt» wurden. Zum Beispiel über den Libanesen Ghassan Hassoun, bei dessen Tochter und Nachbarn die kleinen Wimpel von den Autos gerissen wurden. Oder über den jungen Türken, der erzählte, wie die Autonomen vorgehen. «Die kommen in der Nacht, so um drei Uhr früh, schwarz vermummt», zitierte die Zeitung, «ziehen die Flaggen ab und zerschneiden sie».
Den Fall des Elektroshop-Betreibers Ibrahim Bassal, 39, griff schliesslich auch das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» auf seiner Webseite auf. Der 39-Jährige, der die gesamte Haushöhe in fünf Metern Breite schwarz-rot-gold bedeckte, musste die Fahne bereits einmal ersetzen. Nachdem ein Versuch der Autonomen zunächst gescheitert war, tauchten laut dem Bericht später zehn Maskierte auf und rissen den Stoff von der Wand.
Noch eine Fahne und noch eine…
Bassal gab nicht auf. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern kaufte er eine neue Fahne, die den Gegner allerdings bald erneut zum Opfer fiel. Auch bei Anwohnern im Quartier stösst sein Fussball-Patriotismus nicht nur auf Begeisterung. Mehrere Passanten haben sich schon abfällig über die schwarz-rot-goldene Wandverkleidung geäussert – doch Ibrahim Bassal wird nicht nachgeben: «Ich werde die deutsche Fahne verteidigen», sagte er laut dem Bericht.
Verwirrend. Nicht zuletzt auch für den deutsch-türkischen Fussballfan selbst: «Für Faschisten sind wir Ausländer und für die Autonomen…», zitiert «Spiegel online» den 39-Jährigen in bestem Berlinerisch, «keene Ahnung watt.»
Peinlichkeiten in deutscher Provinz
Vielleicht haben sich die Berliner Autonomen im Kleinkrieg um die Deutschlandflaggen wirklich die falschen «Feinde» ausgesucht. Denn dass der Fussball-Enthusiasmus in Deutschland sich zuweilen in abstossenden Nationalismus steigert, ist schliesslich kein Geheimnis.
Erst vor kurzem berichtete die Webseite http://de.indymedia.org von einem Fan-Event im Ort Haste in Niedersachsen. Dort feierten deutsche Fans ausgelassen den Sieg gegen Ghana – vor einer Reichskriegsflagge aus dunkler deutscher Vergangenheit.
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