
Klimaforscher müssen sich so manches anhören. Sie seien alarmistisch und würden die vom Klimawandel ausgehenden Gefahren aus ideologischen Gründen überzeichnen. Ihre Modelle stünden auf wackligen Beinen, schliesslich seien viele Aspekte des komplexen Klimasystems noch gar nicht richtig verstanden. Je nach Wahl der Parameter würden die Modelle eine x-beliebige Zukunft vorhersagen.
In gewisser Hinsicht trifft die Kritik an den Modellrechnungen auch einen blank liegenden Nerv der Klimawissenschaftler: Ihre Disziplin hatte es immer schwer, von den klassischen Wissenschaften wie der Physik als grundlegend und seriös anerkannt zu werden.
Mit dem Physik-Nobelpreis an die Klima-Modellierer Syukuro Manabe und Klaus Hasselmann hat sich das nun geändert. Es sei eine Anerkennung, «dass unser Wissen über das Klima auf einem soliden Fundament ruht, basierend auf einer rigorosen Analyse von Beobachtungen», sagte Thors Hans Hansson vom Nobelpreiskomitee für Physik bei der Bekanntgabe der Preisträger. Damit hat die Klimaforschung ihren lang ersehnten Ritterschlag erhalten.
Schon frühe Klimamodelle sehr präzis
Schon die ersten Klimamodelle aus den 70er-Jahren waren erstaunlich präzis, obwohl noch längst nicht alle Aspekte des Klimasystems berücksichtigt waren. So zeigte eine 2019 publizierte Studie, dass 14 von 17 Klimamodellen aus den 70er-Jahren den Zusammenhang zwischen dem Anstieg der CO₂-Konzentration und der Erderwärmung korrekt vorhergesagt hatten. Eine 1970 vom Nobelpreisträger Manabe publizierte Studie etwa prognostizierte für die Periode von 1970 bis 2000 eine Erwärmung der Atmosphäre von 0,57 Grad Celsius. Die später gemessene Erwärmung lag bei 0,54 Grad.
Heutige Klimamodelle sind viel komplexer und viel detaillierter als vor rund 50 Jahren. Dank leistungsfähiger Supercomputer lassen sich die Veränderungen bei der Temperatur, bei den Niederschlägen und bei den Stürmen heute auf viel kleineren räumlichen und zeitlichen Skalen darstellen. Aber die wesentlichen grundlegenden Zusammenhänge waren schon damals korrekt in die Modelle eingebaut.
Heute feilen die Klimaforscher an den Details
Natürlich sind Klimamodelle auch heute nicht perfekt. Jedes Modell, das Prognosen für die Zukunft macht, ist mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Nicht von allen Orten auf dem Globus liegen Messdaten in gleich hoher Qualität vor. Auch das schränkt die Präzision der Modelle ein. Aber die Grundlagen stehen seit Jahrzehnten unerschütterlich da. Heute feilen die Modellierer an den Details, etwa an den regionalen Prognosen für Trockenheit oder Starkniederschläge, und sie schätzen ab, inwieweit der vom Menschen verursachte Klimawandel für das Auftreten einzelner Wetter- oder Klimaextreme verantwortlich ist.
Als der Weltklimarat IPCC im Jahr 2007 zusammen mit Al Gore den Friedensnobelpreis erhielt, wurde das als politisches Statement des Nobelkomitees kritisiert. Dieser Vorwurf greift beim aktuellen Nobelpreis nicht. Dieser lässt sich rein wissenschaftlich begründen: mit der Entwicklung von Simulationsmodellen, die auf der grundlegenden Physik des Erdklimas aufbauen. Eine politische Wirkung könnte der Segen aus Stockholm dennoch entfalten: Es wird nun noch schwieriger, die Klimaforschung zu ignorieren und zu diskreditieren.
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Kommentar zum Physik-Nobelpreis – Balsam für die gebeutelten Seelen der Klimaforscher
Das Nobelkomitee setzt ein klares Zeichen: Klimamodelle basieren auf solider Physik.