
Was hat das Wohnen mit dem Klima zu tun? Sehr viel. Das Wohnen trägt 24,4 Prozent zu unserer Umweltbelastung bei. Dieser hohe Anteil erklärt sich zum grössten Teil aus unserem gewachsenen Wohnflächenbedarf von heute um die 46 Quadratmeter. Ausserdem führt das Wohnen am falschen Ort – zum Beispiel in Einfamilienhaussiedlungen, in Schlafquartieren oder Schlaf-Hochhäusern («Bettenhäusern») – dazu, dass die Dinge des Lebens weit voneinander entfernt liegen. Dadurch entsteht Pendler- und Einkaufsverkehr. Weil vieles nicht an Punkt A ist, müssen wir dauernd zu den Punkten B, C, D fahren.
Reines Wohnen ist relativ unattraktiv. Wohnsiedlungen bieten von zu vielem zu wenig – zu wenig sozialen Kontakt, gesellschaftliche Erlebnisse, gemeinsames Tun. Darum schlägt der Kinderpsychologe Remo Largo in einem «SonntagsZeitung»-Interview Lebensgemeinschaften von rund 300 Menschen vor (aus ökologischen und ökonomischen Gründen wären 400 bis 800 besser), nur so könne ein passendes Leben entstehen: «Man hätte auch Aufgaben, Verpflichtungen, die man in dieser Lebensgemeinschaft erfüllen müsste. Man wäre mit dem anderen so vertraut, dass man sich für ihn verantwortlich fühlte, für die Kinder etwa oder die alten Menschen. Menschen jeden Alters fühlen sich emotional aufgehoben und sozial eingebunden. Sie können wieder vermehrt ihre Fähigkeiten entfalten und wären weniger fremdbestimmt.»
Wenn unsere Siedlungen zu echten Nachbarschaften mit vielfältigen Angeboten umgebaut werden, dann gibt es auch weniger Gründe, in entlegene Erholungsgebiete zu fliehen beziehungsweise zu fliegen. Warum verwandeln wir unsere Siedlungen nicht in Alltagsresorts, die zugleich Gemeinschaften sind? Reduzieren wir die Privatwohnfläche (auf 20 bis 30 Quadratmeter), schaffen wir dafür gemeinschaftliche Einrichtungen (Restaurants, Bars, Werkstätten), bedienen wir uns gegenseitig, machen wir den Alltag zu einem Abenteuer.
Auf jeden Fall ist es nun an der Zeit, dass neue Überbauungen so geplant werden, dass solche Lebensformen unterstützt werden.
Gemeinsam könnten wir uns einen Swimmingpool (auch als Wärmespeicher nutzbar) leisten, eine Dachlounge mit Bar, einen Billiardraum, einen Minidschungel mit Baumhaus. Wir können uns temporäre Nischen, Hütten oder Hinterhofjurten für den individuellen Rückzug einrichten, ohne dadurch mehr Wohnfläche zu brauchen. In Nachbarschaften geht es aber nicht nur um Freizeit. Das Ziel ist auch eine neue Organisation der Haus- und Pflegearbeit. Davon könnten wir viel mehr an Ort und Stelle erbringen, auf Gegenseitigkeit beruhend sowie fair aufgeteilt auf Geschlechter, Altersgruppen und Einkommensklassen.
Zusammen haushalten wie in einem Hotel, gemeinsam kochen, geniessen und spielen, wirklich dazugehören. Das alles ist gut für unsere Seele, entlastet die Umwelt und macht unser Leben leichter und billiger. Wir können sogar unsere bezahlte Auswärtsarbeit reduzieren. Diese ist laut WWF einer der grössten Umweltkiller.
Weniger arbeiten, weniger produzieren, weniger (das heisst anders) konsumieren. So kommen wir aus der Arbeits-Klima-Falle heraus. Weniger Arbeit bedeutet auch weniger Erholungsbedarf. Und so schliesst sich der Kreis zum Alltagsresort.
Auch ein Teil der Stadtzürcher SP hat begriffen, dass es nicht reicht, so viele gemeinnützige Wohnungen wie möglich zu bauen.
Ich weiss nicht, wie viele Fahrten und Flüge ein schöneres Leben in unseren Nachbarschafts-Resorts sparen wird. Auf jeden Fall ist es nun an der Zeit, dass neue Überbauungen so geplant werden, dass solche Lebensformen unterstützt werden. Dazu braucht es eine geeignete Grösse (500 Menschen pro Überbauung), eine horizontale Ausrichtung mit mittlerer Verdichtung (200 Prozent), ruhige, grosse Höfe und belebte Strassen. Eben so, wie wir es in den Ferien schätzen.
Auch ein Teil der Stadtzürcher SP hat begriffen, dass es nicht reicht, so viele gemeinnützige Wohnungen wie möglich zu bauen. Stattdessen gilt es, in der Stadt neue klimataugliche Lebensformen zu entwickeln. Das Planungsdebakel an der Thurgauerstrasse könnte die Chance dafür bieten, öko-soziale Nachbarschaften zu bauen statt nur Wohnungsbehälter. Unsere Politikerinnen könnten die kommenden Ferien als Inspirationsquelle für solche Pläne nutzen.
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Bauen wir Ferienresorts statt Siedlungen!
Warum Zürich neue klimataugliche Lebensformen entwickeln muss.