Bayern-Mitglieder pfeifen Hoeness aus
Der Präsident muss sich an der Jahresversammlung von Bayern München viel Kritik anhören. Hinterher ist er «sehr, sehr» verletzt.
Den Blick hebt Uli Hoeness nur selten nach oben. Er fixiert die Zettel, die er sich auf das Pult gelegt hat, als wolle er sich mit seinem Blick dort abstützen, als würde er den Händen allein nicht vertrauen, die er breit gespreizt auf das Pult gelegt hat. Hoeness versucht aufrichtig, nicht zu sehr nach Hoeness zu klingen. Fast eine Viertelstunde lang hält er sich an das, was auf seinen Zetteln steht, erst dann fängt er an, freier zu sprechen.
Der Übergang beginnt mit einem kleinen Wort. Hoeness sagt: «So.»
Zweimal hat sich der Präsident des FC Bayern in den vergangenen Wochen auf seine Stärke in der freien Rede verlassen, zweimal hatte der Verein anschliessend ungemütliche Tage. Zunächst war da diese schon längst legendäre Pressekonferenz Mitte Oktober, in der Hoeness über den langjährigen Spieler Juan Bernat sagte, dass dieser in der Champions League gegen Sevilla einen «Scheissdreck» gespielt habe – keine 15 Minuten nachdem Clubboss Karl-Heinz Rummenigge den ersten Artikel des Grundgesetzes zitiert hatte. Und dann war da vor einer Woche der Auftritt nach dem 3:3 gegen Düsseldorf, bei dem der Präsident dem Trainer Niko Kovac nur eine Job-Garantie für das nächste Spiel aussprach und dadurch die Diskussion um den Trainer verschärfte.
Am Freitagabend, bei der Jahreshauptversammlung des Clubs, ist Hoeness also sehr darauf bedacht, keine weiteren Diskussionen zu entfachen. Daher verlässt er, der Bauchmensch, der so lange seinen Impulsen trauen konnte, sich auf das, was auf seinen Blättern steht. Dass dies dennoch sein Abend ist, das signalisiert der Präsident schon beim Einzug. Er läuft vorneweg, sprintet die Stufen zum Podium hinauf. Rummenigge kommt noch hinterher, den Rest haben die beiden abgehängt. Und weil das sein Abend ist, verändert Hoeness als erstes die Tagesordnung. Seine Rede ist der erste Punkt – er aber lässt erst einmal seine Vizepräsidenten sprechen. Also geht es erst einmal um die Sanierung der Sanitäranlagen im Audi Dome und um die Kegel-Abteilung. Erst dann liest Hoeness von seinen Zetteln ab.
Hoeness verteidigt die Routiniers Robben und Ribéry
Sein Auftritt war in den vergangenen Tagen mit Spannung erwartet worden, gerade nach dem Ultimatum am vergangenen Wochenende. Kovac und die Mannschaft besiegten zwar Lissabon 5:1, aber wie nachhaltig nun das Vertrauen des Vorstands in Kovac ist, das war weiterhin offen. Würde Hoeness vielleicht sogar Fehler gestehen? Zum Beispiel den, dass der Umbruch der Mannschaft zu lange verschleppt wurde, unter anderem von ihm selbst? Und würde er vielleicht verraten, ob und wie der Verein den Übergang beschleunigen will? Doch diese Erwartungen werden ein bisschen enttäuscht. Weil Hoeness versucht, nicht sehr nach Hoeness zu klingen.
Nach einleitenden Worten zum FC Bayern Hilfe e.V. und den Basketballern spricht der Präsident über die Fussballer. Fehler deutet er allenfalls zart an. Er gesteht zwar, dass seit acht Wochen «der Wurm drin ist». Aber dass dies auch an Versäumnissen des Vorstands und des Präsidenten liegen könnte, das streitet Hoeness ab. Er verteidigt, dass Franck Ribéry und Arjen Robben einen neuen Vertrag erhalten haben.
Er verteidigt, dass keine teuren Spieler verpflichtet wurden. Und er verteidigt so deutlich wie seit Wochen nicht mehr Niko Kovac, den Trainer also, der auf Hoeness' Wunsch gekommen war. Am Freitag sagt Hoeness, dass Kovac «eine Chance verdient hat» und dass ihm «wir alle unsere Unterstützung geben sollten». In den vergangenen Tagen will der Präsident sogar «einen Schulterschluss zwischen Mannschaft und Trainer» erkannt haben. Rummenigge lobt später, dass Kovac «bereit ist, ein paar Dinge zu verändern».
Gegen Ende gibt Hoeness Fehler zu
Über seine eigene Rolle in diesem Umbruch spricht Hoeness nicht. Er glaubt, dass Rummenigge vor Weihnachten seinen Ende 2019 auslaufenden Vertrag um zwei Jahre verlängern werde, worüber Hoeness – er liest weiter ab – sich «sehr freuen» würde. Und er sagt: «Ich kann Ihnen versichern, dass der Name Oliver Kahn in unseren Überlegungen eine Rolle spielt, aber das ist kein Thema für heute und für morgen»; sehr wohl aber, sagt Hoeness, für die nächsten sechs bis zwölf Monate. Wie lange der bis zum Herbst 2019 gewählte Hoeness noch den Verein prägen wird, dazu steht nichts auf seinen Zetteln.
Oliver Kahn: Derzeit noch kein Thema für den FC-Bayern-Boss. Video: AFP
Erst zum Ende gibt Hoeness zu, dass er Fehler gemacht hat: als er «noch eine kleine Bemerkung» zu der schon längst legendären Pressekonferenz ankündigt. Raunen und Gelächter in der Halle, Hoeness verzieht keinen Gesichtsmuskel. Die Art und Weise, sagt er, sei «sicherlich verbesserungswürdig» – erneut: Applaus. Hoeness hebt nun den rechten Mundwinkel leicht an. Und er verspricht: «Wenn wir wieder so etwas machen, werden wir uns besser absprechen und eine bessere Tagesform an den Tag legen.» Dann packt er seine Zettel zusammen und setzt sich hin.
Lange ist es ein entspannter Abend für den Präsidenten. Kritik bekommt Hoeness zunächst allenfalls indirekt zu spüren. Zum Beispiel, als Rummenigge sich bei Bernat bedankt – der Spanier erhält langen und lauten Applaus. Dann jedoch kommt ein Wortbeitrag mit dem Titel «Kritik an der Vereinsführung», der die jüngsten Auftritte des Präsidenten kritisiert – an einer Stelle fragt das Mitglied, ob der FC Bayern ein «populistischer Stammtischverein» geworden sei. Es gibt oft und laut Applaus.
Jahreshauptversammlung: Hoeness muss harte Kritik einstecken. Video: AFP
Hoeness hört bis zum Ende zu. Dann spricht er, aus dem Bauch heraus, impulsiv. «So viele Unwahrheiten» hätten in dem Beitrag gesteckt, und Hoeness ergänzt, den Zorn mühsam kontrollierend: «Ich lehne eine Diskussion auf dem Niveau ab.» Die Mitglieder antworten mit lauten Pfiffen und Buh-Rufen. Ein Mitglied ruft: «Und du willst Präsident sein?» «Das trifft mich sehr, sehr», sagte Hoeness hinterher zu den Reaktionen. Er müsse erst einmal darüber nachdenken, er habe ja versprochen, «dass ich sachliche Dinge sage in Zukunft.»
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