Behinderte kommen nicht zum Zug
Der Bahnhof Oberdorf ist nicht rollstuhlgängig – obwohl er soeben für 2 Millionen Franken umgebaut wurde.
Von Daniel Stehula und Bettina Ledergerber Horgen – Im umgebauten Bahnhofsgebäude im Horgner Oberdorf gibt es neu eine Toilette für Behinderte. Sie ist gross genug für einen Rollstuhl und bietet Hilfsmittel, damit körperlich beeinträchtigte Menschen selbstständig ihre Notdurft verrichten können. Aber das heisst nicht, dass sie nachher auch den Zug nehmen können. Denn zwischen Bahnhofsgebäude und Gleis liegen zwei Treppen und eine Unterführung. Im Durchschnitt frequentieren täglich 2500 Personen den Bahnhof Oberdorf. Aber für Menschen im Rollstuhl sind dessen Treppen unüberwindbar. Wenn Menschen mit einer Behinderung den Bahnhof Oberdorf aufsuchen, dann am ehesten, um im neuen Migrolino einzukaufen oder einen Brief abzugeben. Das sorgt bei Anita Bächtiger für Kopfschütteln. Sie ist Mitglied der Arbeitsgruppe (AG) für behindertengerechtes Leben in Horgen. Vor zwei Jahren hat die Gruppe ein Handbuch herausgegeben, das auflistet und beschreibt, wo Horgen rollstuhlgängig ist und wo nicht. Die AG prüft weiterhin öffentliche Gebäude und Plätze auf ihre Zugänglichkeit. Beim Bahnhof Oberdorf ist die AG aktiv geworden. Sie hat den SBB einen Brief geschrieben. Darin fragt sie, ob beim Umbau des Bahnhofs für 2 Millionen Franken Menschen mit Behinderung vergessen worden seien, und ob es nicht möglich gewesen wäre, den Zugang zum Perron mit einem Lift oder einer Rampe zu versehen. «Es geht uns nicht nur um Menschen im Rollstuhl, sondern auch um Menschen mit Kinderwagen und Velos oder um Menschen, die schlecht Treppen steigen können», sagt Bächtiger. Sie verweist darauf, dass die SBB auch von Gesetzes wegen verpflichtet seien, behindertengerecht zu bauen. Das Behindertengleichstellungsgesetz hält fest, dass neue Fahrzeuge, neue Haltestellen und solche, die umgebaut werden, bis 2023 den Bedürfnissen behinderter Reisender entsprechen müssen. Bächtiger schlägt vor, in Horgen-Oberdorf auf einer Seite der Treppe die Stufen zu einer Rampe aufzufüllen. Zusätzlich liessen sich Treppenlifte montieren, die Rollstuhlfahrer mit einem speziellen Schlüssel in Gang setzen können.Wie die AG hat sich auch der Horgner Gemeinderat für eine Verbesserung des Zugangs zum Gleis eingesetzt. Bis jetzt vergeblich, wie Gemeindepräsident Theo Leuthold (SVP) bestätigt. Die Gemeinde Horgen habe die SBB schon mehrmals auf das Problem aufmerksam gemacht. «Gerade letzte Woche hat das Tiefbauamt diesen Mangel erneut moniert», sagt Leuthold. SBB: «Geld ist allerorten knapp» Zur Kritik aus Horgen konnte SBB-Sprecher Daniele Pallecchi gestern nur so viel sagen: «Wie Sie wissen, ist das Geld allerorten knapp. Deshalb geht es bei schweizerischen Infrastrukturausbauten und -unterhalt nicht ohne Priorisierungslisten. Die SBB sind zuversichtlich, dass sie die im Gesetz vorgegebenen Fristen einhalten kann.» Der Horgner Gemeinderat will sich nun wie die AG für eine Übergangslösung starkmachen. Laut Leuthold ist aber noch offen, ob die Gemeinde Horgen diese Lösung mitfinanzieren will und kann. «Die Gemeinde Horgen hat die SBB schon mehrmals auf das Problem aufmerksam gemacht.» Theo Leuthold (SVP), Gemeindepräsident Unüberwindbar für Menschen im Rollstuhl: Das Perron im Horgner Oberdorf ist nur über eine steile Treppe zu erreichen. Foto: Reto Schneider
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