Behörden raten vom Tragen der «Kill Erdogan»-Shirts ab
Die Berner Staatsanwaltschaft will wegen der «Kill Erdogan»-Shirts vorerst kein Strafverfahren einleiten. Das öffentliche Tragen der T-Shirts könnte die Situation ändern.

Im Restaurant Sous Le Pont der Berner Reitschule werden seit Donnerstag T-Shirts mit jener «Kill Erdogan»-Aufschrift verkauft, wie sie auf einem Transparent der Demonstration am Samstag auf dem Bundesplatz zu sehen war.
Während gegen die Urheber des Erdogan-Plakats ein Strafverfahren eingeleitet wurde, sieht die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland zurzeit keine Veranlassung, wegen des Verkaufs ein Strafverfahren zu eröffnen.
Umstände um den T-Shirt-Verkauf sind noch unklar
Zurzeit bestehe kein hinreichender Tatverdacht in Bezug auf den Artikel 259 Strafgesetzbuch, welcher öffentliche Aufforderung zu Verbrechen oder Gewalttätigkeit betrifft, sagt der Informationsbeauftragte der Staatsanwaltschaft, Christof Scheurer, am Freitag auf Anfrage.
Der hinreichende Tatverdacht liege nicht vor, da «die Umstände um den Verkauf der T-Shirts im Restaurant Sous Le Pont der Reitschule noch unklar» seien. Beispielsweise sei unklar, ob es sich bei dem Verkauf «um einen Verkauf unter der Hand handle» und ob zwischen dem T-Shirt-Verkauf und dem Banner auf der Anti-Erdogan-Kundgebung ein Zusammenhang bestehe, so Scheurer.
Staatsanwaltschaft rät vom öffentlichen Tragen der Shirts ab
Ganz unproblematisch ist der Fall jedoch scheinbar nicht. Für den Fall, dass sich die Situation ändere, behalte sich die Staatsanwaltschaft weitere Schritte vor, sagt Scheurer. «Sollte zum Beispiel jemand solch ein T-Shirt in der Öffentlichkeit tragen, würde sich die Situation ändern», sagt Scheurer. Den kleinen, aber feinen Unterschied macht das Wort «öffentlich» im Artikel 259 des Strafgesetzbuches. Trage man ein Banner mit der umstrittenen Aufschrift in aller Öffentlichkeit, dürfte der Straftatbestand erfüllt sein. Ein Shirt mit selbiger Aufschrift zu tragen, würde laut Scheurer keinen Unterschied machen.
Die Frage, ob er Käufern des T-Shirts davon abrate, das Kleidungsstück in der Öffentlichkeit zu tragen, ist für Scheurer daher eine «rhetorische»: «Da man wegen des Banners bereits ein Strafverfahren eingeleitet hat, wäre es unüberlegt, das T-Shirt öffentlich zu tragen.»
Bei der öffentlichen Aufforderung zu Verbrechen und Gewalttätigkeit handle es sich um einen komplexen Straftatbestand, so Scheurer. So gelte es insbesondere, die politische Meinungsäusserungsfreiheit mit zu berücksichtigen. Die Staatsanwaltschaft könne die Situation erst abschliessend beurteilen, wenn man sich ein «umfassendes Bild der Umstände» gemacht habe. Letzten Endes könne jedes Detail eine Rolle spielen.
Bei der Kantonspolizei tönt es ähnlich: «Wir haben Kenntnis von den entsprechenden T-Shirts», sagt Mediensprecher Dominik Jäggi. Über das weitere Vorgehen müsse grundsätzlich die Staatsanwaltschaft entscheiden. Ob die Kantonspolizei zwischen den Anti-Erdogan-T-Shirts und dem Banner einen Zusammenhang vermutet, will Jäggi nicht bestätigen. «Die Ermittlungen zum Transparent sind noch im Gang», sagt er.
Augen sind auf die Reitschule gerichtet
Die Gruppierung Revolutionäre Jugend Bern (RJG) hat sich nach der Anti-Erdogan-Kundgebung offiziell zur Fertigung des umstrittenen Banners bekannt. Den T-Shirt-Verkauf hat bisher jedoch niemand für sich reklamiert.
Weil die T-Shirts im Restaurant der Reitschule verkauft werden, sind die Augen zurzeit auf das autonome Kulturzentrum gerichtet. Erst kürzlich hatte die Mediengruppe der Reitschule verlauten lassen, nach der gescheiterten Reitschulinitiative von Jung-SVPler Erich Hess «freue man sich auf ein bisschen weniger Aufmerksamkeit». Aus Reitschulkreisen hiess es gegenüber der «Neuen Zürcher Zeitung», die RJG bestehe aus Menschen «aus ihrem Dunstkreis». Diese teilten mit dem Haus «gewisse rebellische Werte und Ideen».
Ein Mitarbeiter des Restaurants Sous Le Pont wollte sich am Freitag auf Anfrage des «Bund» zu der T-Shirt-Verkaufsaktion nicht äussern. Man müsse sich «zuvor im Kollektiv absprechen». Gegenüber der NZZ sagte ein Mitarbeiter desselbigen Restaurants, die Aufschrift auf den T-Shirts sei «mehrdeutig» zu verstehen. Das Wort KILL und die ersten zwei Buchstaben von ERDOGAN seien kursiv geschrieben. Es handle sich darum um eine Anspielung auf den KILLERDOGAN selbst.
Einen Unterschied zwischen Banner- und T-Shirt-Aufdruck gibt es jedoch: Auf dem Banner sind die Wörter KILL und ERDOGAN sichtbar voneinander getrennt. Auf den Shirts sind sie zum Schriftzug KILLERDOGAN zusammengefasst.
Weder die Revolutionäre Jugend Bern, noch die Reitschule meldeten sich am Freitag mit einer Stellungnahme zu den T-Shirts zurück.
Stadt sieht wegen T-Shirts keinen Anlass zur Anzeige
Das umstrittene Anti-Erdogan-Transparent, das zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Ankara und Bern führte, war an einer friedlichen Kundgebung aufgetaucht, die die SP Schweiz mitorganisiert hatte. Auch die Stadt Bern verurteilte unmittelbar nach der Kundgebung das umstrittene Plakat. Reto Nause sagte gegenüber dem «Bund», man behalte es sich vor, eine Anzeige zu erstatten wegen Verstosses gegen die Bewilligungsauflagen der Kundgebung.
Die Situation um die T-Shirts ist für die Stadt eine andere. «Für die Stadt ist klar, dass wir Aufrufe zu Gewalt scharf verurteilen», sagt Walter Langenegger, Leiter des Informationsdienstes der Stadt Bern. Die Stadt werde wegen der Shirts jedoch nicht aktiv. Es sei an der Staatsanwaltschaft, zu entscheiden, ob der aufgedruckte Spruch einen Straftatbestand darstelle, sagt Langenegger.
Der türkische Präsident Erdogan selber hatte sich über das Anti-Erdogan-Banner auf der Kundgebung empört. Wegen der T-Shirts haben die türkischen Behörden die Schweiz scheinbar noch nicht gerügt. Noémie Charton vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) sagte am Freitag, «in Bezug auf andere Einzelaktionen sei man bisher nicht kontaktiert worden». Die türkische Botschaft in Bern beantwortete die Anfrage am Freitag nicht.
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