
«Fast täglich möchten zurzeit die Journalisten etwas von mir. Leider kann ich jetzt, wo die für uns strenge Zeit vor Weihnachten begonnen hat, nicht mehr überall zusagen. Jede Zeitschrift, jedes Magazin hätte zum Beispiel noch gern ein festliches Rezept vom Koch des Jahres, am liebsten ein einfaches. Doch was heisst einfach? Ich habe auch schon zu rezeptieren begonnen, vier A4-Seiten vollgeschrieben – und mich dann plötzlich gefragt: Ist das wirklich eine Zubereitung, die auch ein Hobbykoch oder eine Hausfrau nachvollziehen kann? Wohlgemerkt, das Rezept war noch nicht fertig.
Was zudem manchmal vergessen geht: Ich kann solche Kochanleitungen nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Damit eine Zubereitung meinen Ansprüchen genügt, muss ich sie ausprobieren. Sonst kann so einiges schiefgehen: Grad letzten Sonntag habe ich mit meinen Kindern Ravioli gemacht, mit einem Rezept, das ich noch von früher kenne. Nur sind hier in der Schweiz die guten Eier vom Bauernhof viel kleiner als in Deutschland. Was zur Folge hatte, dass der Pastateig erst viel zu trocken wurde.
«Ich muss mit einer Thematik vertraut sein, wenn ich ein Rezept liefern soll.»
Kommt hinzu, dass ich mit einer Thematik vertraut sein muss, wenn ich ein Rezept liefern soll. Jüngst wollte jemand von mir eine Neuinterpretation des Schweizer Weihnachtsklassikers Rollschinkli mit Dörrbohnen und Kartoffeln. Da musste ich passen, weil ich meine Kindheit und Jugend nicht hierzulande verbracht habe. Da geht es um die Glaubwürdigkeit – ich weiss nicht, wie ein Schinkli bei einer Schweizer Mutter zu Hause schmeckt. Bei uns gab es an den Festtagen jeweils Gans, Ente oder, etwas bescheidener, Würstchen mit Kartoffelsalat.
Ob ich dann jeweils zufrieden bin mit dem, was ich von mir lese, höre oder sehe? Auch ich sehe mich nicht allzu gerne auf Fotos – doch damit habe ich inzwischen gelernt umzugehen. Und ich ertrage es besser als früher, wenn ein Journalist nicht die genau gleichen Worte benützt, die auch ich so verwendet habe. Wenn der Sinn wenigstens einigermassen rüberkommt… Womit ich allerdings noch immer meine liebe Mühe habe: meine eigene Stimme zu hören und Filmaufnahmen von mir zu sehen. Wenn ein Beitrag über mich zu Hause im Fernsehen kommt, gehe ich jeweils aus dem Wohnzimmer raus in die Küche, bis er vorbei ist. Meist sagt mir meine Frau dann später: Du, Heiko, es war gar nicht so schlimm. Und dann schau ichs mir doch noch an.»
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«Beim Rollschinkli mit Dörrbohnen musste ich passen»
Durchs Jahr mit Heiko Nieder: Vor Weihnachten wollen alle ein Rezept vom «Koch des Jahres». Am liebsten ein einfaches – und genau das macht es kompliziert.