Geplante FusionBerlusconi kassiert Schlappe im Kampf um TV-Konzern ProsiebenSat 1
Zwischen ProsiebenSat 1 und dem Grossaktionär aus Italien tobt ein Machtkampf. Die Konzernführung stellt sich gegen das Medienunternehmen Berlusconis. Der scheitert bei der Abstimmung.

«We love to entertain you», lautet der Werbeslogan des Senders Prosieben: «Wir lieben es, dich zu unterhalten.» Für Unterhaltung sorgt derzeit nicht nur das Fernsehprogramm, sondern vor allem auch das Fernsehunternehmen ProsiebenSat 1 selbst.
Um den TV-Konzern, der auch in der Schweiz zu den wichtigen Playern zählt, ist ein veritabler Machtkampf und öffentlicher Schlagabtausch entbrannt. Auf der einen Seite stehen die Geschäftsleitung des Unternehmens unter der Leitung von Rainer Beaujean (53) und der Aufsichtsrat, wie das oberste Gremium einer Aktiengesellschaft in Deutschland heisst. Auf der anderen Seite der Grossaktionär Media for Europe (MFE), also das Medienunternehmen des umstrittenen ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi (85), das früher Mediaset hiess.
Berlusconi will eine Fusion
Kern des Konflikts: Die Italiener wollen zusammen mit ProsiebenSat 1 ein europaweites Fernsehunternehmen aufbauen und schliessen dafür eine weitere Aufstockung der Beteiligung nicht aus. Die Deutschen wehren sich vehement dagegen und wollen unbedingt eigenständig bleiben. Länderübergreifende Plattformen funktionierten nicht im Mediengeschäft, so das Argument.
Der Streit, der in den vergangenen Wochen auch öffentlich ausgetragen wurde, war das bestimmende Thema der Generalversammlung von ProsiebenSat 1 am Donnerstag. Das Aktionärstreffen fand digital statt und wurde aus den Eisbach-Studios im Osten Münchens übertragen. Dort werden normalerweise Filme und Fernsehserien produziert.
Mehrere Aktionäre kritisierten offen das Verhalten von Media for Europe und wandten sich vor allem gegen die Person Berlusconi. «Wir befürworten ausdrücklich die Strategie des Unternehmens», sagte Dagmar Bergdolt von der Aktionärsvereinigung DSW und forderte die anderen Aktionäre auf, das Unternehmen beim Widerstand gegen Berlusconi zu unterstützen.
Fondsinvestoren stützten Prosieben-Führung
Auch die Fondsgesellschaft Deka Investment blickt skeptisch auf den steigenden Einfluss von MFE. «Wir sehen den wachsenden Unternehmensanteil des italienischen Grossaktionärs mit Sorge, da weder die Strategie noch die Absichten klar sind», sagte Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment. Er fügte an: «Wir fordern Media for Europe dazu auf, Farbe zu bekennen.» Vertreter von Media for Europe oder Berlusconi selbst meldeten sich nicht zu Wort.
Nach Angaben von Konzernchef Beaujean haben die Italiener bisher nicht dargelegt, wie die künftige Strategie aussehen soll. «Demzufolge liegen uns auch keinerlei Informationen vor, ob und wie eine angestrebte Übernahme aussehen könnte», sagte er. Man beobachte die Entwicklung «sehr aufmerksam».
Bewerber und Bewerberinnen, etwa für die geplante grosse Nachrichtenredaktion, erkundigten sich bereits kritisch, wie es mit Berlusconi weitergehe. Auch ein Zusammengehen mit dem deutschen Konkurrenten RTL lehnte Beaujean erneut vehement ab. RTL-Chef Thomas Rabe hatte dieses mehrmals ins Gespräch gebracht.
Berlusconi verliert Kampfabstimmung
Media for Europe hatte erst am Abend vor dem Aktionärstreffen erneut ein deutliches Misstrauensvotum gesendet und öffentlich angekündigt, den Aufsichtsrat nicht entlasten zu wollen. MFE hatte sich bei dessen Personalentscheidungen immer wieder übergangen gefühlt – etwa bei Beaujeans Vertragsverlängerung oder der Nachfolgeregelung an der Aufsichtsratsspitze.
Doch die Berlusconi-Seite scheiterte, wenn auch knapp: Am Ende wurde der Aufsichtsrat von den Aktionären mit 52 Prozent der Stimmen doch entlastet. Alle anderen Punkte gingen mit grosser Zustimmung durch, auch der neue Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Wiele wurde mit 99,3 Prozent in das Aufsichtsgremium gewählt.
Zuvor schon war beantragt worden, dass über die Entlastung der Mitglieder der Geschäftsleitung und des Aufsichtsrats jeweils einzeln und nicht pauschal abgestimmt werden solle. Das hatte ProsiebenSat 1 abgelehnt. Der scheidende Chef des Aufsichtsrats, Werner Brandt, begründete dies mit «der gängigen Marktpraxis in Deutschland».
Fusion sei «scheinbar einfach, aber nicht richtig»
Verwirrung gab es am Donnerstag um die genauen Besitzverhältnisse. Media for Europe hatte Mitte März offiziell mitgeteilt, dass man die Schwelle von 25 Prozent an ProsiebenSat 1 überschritten habe. Der Anteil liege zwischen 25 und 30 Prozent, so ein Sprecher.
Konzernchef Beaujean sagte nun aber, es habe bisher «zu keinem Zeitpunkt» eine Stimmrechtsmitteilung nach Wertpapierhandelsgesetz gegeben, nach der 25 Prozent der Stimmrechte erreicht oder überschritten worden seien. Sollte eine Meldung pflichtwidrig unterlassen worden sein, müsste das die Finanzaufsicht Bafin untersuchen, es gebe derzeit aber keine Anfragen der Behörde.
Kurz vor Beginn des Aktionärstreffens hatte Beaujean im Streit nochmals nachgelegt. «Wir schaffen das allein», sagte er zu den Ambitionen von Media for Europe. ProsiebenSat 1 wachse erfolgreich und verfolge eine eigene Strategie. Die Bildung eines gemeinsamen Unternehmens mit Media for Europe lehnte er immer wieder ab. Das sei «ein scheinbar einfacher Weg nach vorne, aber nicht der richtige».
«Bei uns würde das sicher nicht so stattfinden. Wir würden so eine Bühne nicht bieten.»
Und auch eine Spitze gegen den Grossaktionär hatte er noch parat. Auf dem Berlusconi-Sender Rete 4 hatte ein Interview mit Sergei Lawrow weltweit für Kritik gesorgt. Der russische Aussenminister durfte da unwidersprochen die russische Kriegspropaganda und abstruse Nazi-Vergleiche ausbreiten.
«Bei uns würde das sicher nicht so stattfinden. Wir würden so eine Bühne nicht bieten», sagte Beaujean. Auch das ist eine deutliche Kritik an Media for Europe. Silvio Berlusconi hatte bislang eine deutliche Nähe zum russischen Präsidenten Putin.
ProsiebenSat 1 ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit insgesamt 15 Sendern und der Streamingplattform Joyn aktiv, zudem gibt es eine Reihe von Internetgeschäften wie die Dating-Plattform Parship-Meet, das Vergleichsportal Verivox oder Billiger-mietwagen.de. 2021 lag der Umsatz bei 4,5 Milliarden Euro.
Fehler gefunden?Jetzt melden.