Das war die Moutier-Abstimmung – +++ Moutier wechselt zum Kanton Jura +++ Keine Unregelmässigkeit festgestellt +++ Bern bedauert, aber akzeptiert +++ Übertritt wohl 2026 +++
Die Zustimmung zur neuen Kantonszugehörigkeit ist deutlicher als noch 2017.
Das Wichtigste in Kürze:
Moutier wechselt zum Kanton Jura. Die Stimmbevölkerung der Kleinstadt votierte mit 2114 Ja zu 1740 Nein für den Kantonswechsel. Das entspricht 54,9 Prozent Ja-Stimmen.
Der Entscheid fällt diesmal deutlicher aus als 2017. Es wurden bisher keine Unregelmässigkeiten festgestellt.
2017 stimmten die Einwohner Moutiers ein erstes Mal über die Frage ab. Eine knappe Mehrheit wollte den Wechsel zum Kanton Jura. Wegen Ungereimtheiten wurde die Abstimmung später annulliert. Unter anderem kam es zu Wahlbetrug.
Die Moutier-Abstimmung ist ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Jurafrage, die nun ihr Ende finden könnte.
Diese geht auf den Wiener Kongress 1815 zurück, als der Jura Teil des Kantons Bern wurde. Seit der Gründung des souveränen Kantons Jura (1979) kam es wiederholt zu Abstimmungen über einen Kantonswechsel von bern-jurassische Gemeinden. Zuletzt stimmten 2017 Belprahon und Sorvilier für den Verbleib beim Kanton Bern.
In Moutier ist wieder Ruhe eingekehrt. Am Montagmorgen erinnerte in der Kleinstadt nur noch wenig an die historische Abstimmung vom Vortag, als sich die Stimmberechtigten für den Wechsel zum Kanton Jura ausgesprochen hatten.
Vom projurassischen Fest des Sonntagabends war bloss noch eine Menge Abfall vor dem Bahnhof und auf dem Rathausplatz zu sehen. Die Jura-Fahne, die am Sonntag an der Fassade des Rathauses aufgehängt worden war, wurde am Montagmorgen entfernt.
Ganz so rauschend wie 2017 war die Party diesmal nicht, weil die Restaurants und Bars corona-bedingt geschlossen bleiben mussten. Die Berner Kantonspolizei hatte die Feierlichkeiten nach der Resultatverkündung am Abend als «weitgehend friedlich» bezeichnet.
Vor vier Jahren hatten die Projurassier bis in die frühen Morgenstunden gefeiert. Diesmal verliessen die Jurassier mit den letzten Zügen am Sonntagabend die Stadt. Auf dem Perron sangen sie noch einmal die Rauracienne.
Die Stimmberechtigten des Städtchens hatten sich am Sonntag mit 54,9 Prozent unerwartet deutlich für den Wechsel vom Kanton Bern zum Jura ausgesprochen. Insgesamt stimmten 2114 Personen für den Beitritt zum Kanton Jura und 1740 dagegen, dies bei einer hohen Wahlbeteiligung von 88 Prozent.
Mit einer Differenz von 374 Stimmen ist der Sieg der Autonomisten deutlicher als bei der Wahl 2017. Damals gaben 137 Stimmen den Ausschlag. Der Urnengang wurde später von der Berner Justiz wegen Unregelmässigkeiten für ungültig erklärt. (sda)
Hupkonzert, Böllerschüsse, Musik und Parolen: «Moutier, bernois, plus jamais!» Moutier soll nie mehr bernisch sein. Die Separatisten feiern in Moutier an diesem Sonntag einen historischen Sieg.
In unserer Reportage aus Moutier können Sie nachlesen, wie Projurassier, Proberner und Moutiers Stadtpräsident den Abstimmungstag erlebten – und welche Rolle ein rudimentäres Rednerpult in dieser historischen Angelegenheit spielte. (Abo)

Die Aufregung war gross, als der «Blick» am Samstag titelte: «Moutier-Entscheid wankt schon jetzt!». Das Boulevardblatt zitierte ein vertrauliches Schreiben der bernischen Regierung an das Bundesamt für Justiz (BJ), in dem der Regierungsrat vor Abstimmungstourismus warnte.
Heute Sonntag spielte Regierungsrat Schnegg die Bedeutung des Schreibens herunter. Es sei im Antwortbrief an das BJ «nicht um eine Entdeckung neuer Verdachtsfälle» gegangen, so Schnegg, «sondern um Sachverhalte, die wir schon vorher diskutiert und die wir zusammengefasst hatten». Mehr dazu können Sie hier nachlesen. (Abo)

Der Abstimmungssonntag in Moutier ist aus Sicht der Berner Kantonspolizei «weitgehend friedlich» verlaufen. Dieses Fazit zog ein Polizeisprecher am Abend auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Mehrere Personen würden allerdings zur Anzeige gebracht. Ihnen werde unter anderem vorgeworfen, Sachbeschädigungen verübt und Feuerwerkskörper entzündet zu haben.
Auch mögliche Verstösse gegen die Corona-Schutzmassnahmen würden abgeklärt, sagte der Sprecher weiter. Abstandsregeln und Maskenpflicht wurden in Moutier nach Beobachtungen von Reportern nur von einer Minderheit respektiert. Die Polizei griff aber nicht direkt ein.
Für die bernische Regierung ist der heutige Entscheid das Ende des Jurakonflikts.
Das sehen nicht alle so: «Der Jurakonflikt ist nicht beendet, solange ein Teil des historischen Juras beim Kanton Bern bleibt», sagt Jura-Experte Christian Moser im Interview.

Mit dem Kantonswechsel wird Moutier in Zukunft zur zweitgrössten jurassischen Stadt – noch vor Pruntrut. Im 60-köpfigen Kantonsparlament werden dannzumal sieben Sitze für Abgeordnete aus Moutier bestimmt sein.
Zudem hat sich die jurassische Regierung dazu verpflichtet, in Moutier mehrere Verwaltungseinheiten anzusiedeln, was mehr als 180 Vollzeitstellen entspricht. Dazu kommen die Stellen an den Volksschulen und nachobligatorischen Schulen. Mitarbeitenden der Berner Kantonsverwaltung wird eine Weiterbeschäftigung zugesichert.
Die Einwohnerinnen und Einwohner sollen ihre Fahrprüfung in Moutier ablegen können. Für das Spital von Moutier wiederum sichert die jurassische Regierung die Anerkennung der Leistungsangebote gemäss der heutigen Spitalliste des Kantons Bern zu.
Die jurassische Regierung geht davon aus, dass der Kantonswechsel von Moutier per 1. Januar 2026 vollzogen werden kann. (sda)

Der Wegfall von Moutier schwächt die Minderheit im Berner Jura und die Frankofonen im Kanton. Umso stärker sollte Bern sich um sie bemühen – und die Zweisprachigkeit als Chance nutzen, kommentiert Redaktor Simon Thönen in seinem Leitartikel zum Kantonswechsel von Moutier. Hier geht es zum Beitrag. (ABO)

Während draussen am Rathaus von Moutier eine riesige Jurafahne aufgezogen wurde, hat der Gemeinderat im Innern des Gebäudes seine Freude über den Kantonswechsel zum Ausdruck gebracht. «Wir sind glücklich über den Entscheid», sagte Stadtpräsident Marcel Winistörfer.
Er, der sich bei der ersten Abstimmung im Jahr 2017 noch den Vorwurf der Einmischung und einseitigen Parteinahme vorwerfen lassen musste, hielt sich knapp und möglichst unemotional. Trotzdem sagte er: «Unter unserem Masken lächeln wir, auch wenn man das nicht sieht.»
Der Gemeinderat sei vor allem froh, dass sich die Spannungen zwischen den beiden Lagern nicht physisch entladen hätten. Dies würdigte Winistörfer als «Beweis der Reife».
Der Stadtpräsident rief alle Einwohnerinnen und Einwohner auf, das Resultat ruhig und respektvoll zu akzeptieren. Auch die Coronamassnahmen müssten beim Feiern eingehalten werden, ermahnte der Stadtvater die Bevölkerung.
Bereits früher hatte sich sein Regierungskollege, der autonomistische Valentin Zuber geäussert. Er zeigte sich erleichtert und erfreut. «Heute hat die Demokratie gewonnen.» Das Resultat sei klar genug. Zuber ist überzeugt: «Dieses Resultat regelt den Jura-Konflikt demokratisch elegant – und definitiv.» In Moutiers Regierung ist Zuber für das Jura-Dossier zuständig. (nfe/sda)

Auf die Frage, weshalb der Kanton beim Stimmregister erst in letzter Minute intervenierte, sagt Regierungsratspräsident Pierre Alain Schnegg, dass man bloss auf einen Brief des Bundesamtes für Justiz geantwortet habe.
«Ich bin enttäuscht, dass ein Briefwechsel zwischen dem Regierungsrat und dem Bundesrat in der Presse landete.» Inhaltlich gehe es aber nicht um neue Verdachtsfälle, sondern um eine «Darstellung von Sachverhalten, die wir schon im Voraus zusammen diskutiert haben», sagt Schnegg. Die Durchführung der heutigen Abstimmung sei damit aber nicht infrage gestellt worden. (mas)
«Der Regierungsrat bereut den Entscheid Moutiers, aber er akzeptiert ihn», sagt Regierungsratspräsident Pierre Alain Schnegg (SVP) vor den Medien. Schnegg ist selbst Bernjurassier.
Der heutige Tag sei der Beginn einer neuen Ära. Nun gelte es eine Transition einzuleiten, die auf einem respektvollen Dialog aufbaue, so Schnegg. «Gleichzeitig markiert der 28. März 2021 das Ende der Jurafrage.»
«Es ist an der Zeit, dass die Bevölkerung von Moutier die vergangenen Auseinandersetzungen hinter sich lässt und ihre Energie gemeinsam für die Weiterentwicklung ihrer Stadt einsetzt», sagte Schnegg. Die Bevölkerung verdiene es, dass ein neues Kapitel aufgeschlagen werde, um die neuen Möglichkeiten ausschöpfen zu können, die sich ihr bieten werden. (mas)

Am Hotel de Ville hängt inzwischen die übergrosse Jura-Flagge. Diese haben Mitglieder des Komitees «Moutier Ville Jurassienne» gehisst.
Derweil strömen immer mehr Projurassier vom Bahnhofplatz her in die Altstadt. Bereits im Vorfeld der Abstimmung hatte Moutiers Gemeinderat erklärt, dass nur die Sieger in die Altstad dürfen – in Gruppen von maximal 15 Personen. Letzteres erweist sich als Wunschdenken, lagen sich die Menschen kurz zuvor doch schon auf dem Bahnhofplatz in den Armen.

Die Abstimmungsbeoabachter des Bundes ziehen ein positives Fazit. In einer Medienmitteilung schreibt das für die Kontrolle zuständige Bundesamt für Justiz (BJ), die Zusammenarbeit mit den kommunalen und kantonalen Behörden sie ausgezeichnet gewesen. Alle Anliegen der Abstimmungsbeobachter seien von der Gemeinde Moutier berücksichtigt worden. Es seien «keine Unregelmässigkeiten» festgestellt worden.
Die Abstimmungsbeobachter des Bundes stellten weiter fest, dass die Abstimmungskampagne ruhig verlaufen sei und die betroffenen kommunalen und kantonalen Behörden äusserste Zurückhaltung gezeigt hätten.
Das Stimmregister wurde von der Berner Staatskanzlei und der Gemeindekanzlei von Moutier seit fast einem Jahr laufend überprüft. Es sei die «komplexeste Abstimmung» gewesen, die in der Schweiz je stattgefunden habe, schreibt das BJ weiter.
Insgesamt sind laut BJ achtzehn Mitarbeitende des Bundesamtes bei der Abstimmung in Moutier vor Ort gewesen, um die Auszählung und den Urnengang zu überwachen. Sechs Abstimmungsbeobachter, die ihren Wohnsitz weder im Kanton Bern noch im Kanton Jura haben, überwachten die Auszählung der Stimmen und validierten jede Entscheidung des Stimmbüros. Zehn weitere Mitarbeitende des BJ haben die Stimmausweise systematisch überprüft.
Das Stimmmaterial wurde zuvor vom Bund mit einem Wasserzeichen auf den Stimmausweisen sowie den Stimmzetteln gesichert und vom BJ per Post verschickt. Rund 200 Personen in Spitälern und Pflegeheimen haben das Stimmmaterial persönlich von den Abstimmungsbeobachtern erhalten. Weiter hat das BJ die Urnen versiegelt sowie die brieflichen Stimmen entgegengenommen und diese am 28. März direkt für die Auszählung nach Moutier gebracht. (mob)
So geht es nun weiter: Gegen den Entscheid können erneut Beschwerden eingereicht werden, die vom Regierungsstatthalteramt beurteilt werden müssen. Gibt es keine Beschwerden, werden die Wechselmodalitäten zwischen Bern und Jura ausgehandelt. Darüber müssen die Stimmberechtigten beider Kantone noch abstimmen.
Im Anschluss muss auch noch die Bundesversammlung den Wechsel genehmigen.
Die Modalitäten der Abstimmung wurden im Rahmen der Tripartiten Konferenz unter Schirmherrschaft der Vorsteherin des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD), Bundesrätin Karin Keller-Sutter, zwischen den Regierungsdelegationen der Kantone Bern und Jura sowie der Gemeinde Moutier festgelegt. Auf deren Wunsch hin hat das Bundesamt für Justiz (BJ) auch diese Abstimmung eng begleitet und für eine sichere und zuverlässige Durchführung gesorgt. (mob)
In einer Mitteilung nimmt auch die Landesregierung das Ergebnis von Moutier «zur Kenntnis». Justizministerin Karin Keller-Sutter würdigt in der Mitteilung den demokratischen Prozess: «Die Lösung der Jurafrage geht als Beispiel für gelebte Demokratie in die Geschichte des Bundesstaates ein; der heutige freie Entscheid der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ist der letzte Schritt, um die Jurafrage mit friedlichen Mitteln beizulegen.»
Das Bundesamt für Justiz von Keller-Sutter weist auf die stark kontrollierte Abstimmung von heute hin. So wurde das Stimmregister durch die Berner Staatskanzlei und die Gemeindekanzlei von Moutier gründlich überprüft. Sowohl die Regierungsdelegationen der Kantone Bern und Jura als auch die Gemeinde Moutier haben diese Massnahmen ausdrücklich genehmigt. (mob)

Der Kantonswechsel wird auf symbolischer Ebene bereits einmal vollzogen: Mitglieder des Komitees «Moutier Ville Jurassienne» hissen an der Fassade des Hotel de Ville eine grosse Jura-Flagge. (nfe)

Das berntreue Lager von Moutier hat gefasst auf die Abstimmungsniederlage reagiert. Steve Léchot, Sprecher des probernischen Komitees «MoutierPlus», bedauerte das Resultat – und beglückwünschte die Sieger.
Es sei zu hoffen, dass das Abstimmungsresultat Moutiers Separatisten Recht gebe, sagte Léchot in einer kurzen Rede vor Medienschaffenden im Kongresszentrum Forum de l’Arc. Die Abstimmungssieger müssten alle Einwohnerinnen und Einwohner Moutiers in diese neue Zukunft im Kanton Jura einbeziehen, so Léchot weiter.
Muriel Käslin, eine andere Sprecherin von «MoutierPlus», sagte, es sei zu hoffen, dass am Sonntag jene abgestimmt hätten, welche tatsächlichen ihren Lebensmittelpunkt in Moutier hätten, also stimmberechtigt seien. Allerdings weise das klare Abstimmungsresultat darauf hin.
«Wir haben verloren!»
Im Innenhof des Kongresszentrums, wo ein Grossteil der Berntreuen an der Sonne stehend auf das Resultat gewartet hatten, bedeckte einer der Anwesenden nach Bekanntgabe des Resultats sein Gesicht mit den Händen. Auch liess er die Bernerfahne fallen, welche er mitgebracht hatte. Ein anderer rief dreimal: «On a perdu!»
Rund 80 Berntreue hatten sich im Kongresszentrum am südlichen Ortsrand von Moutier versammelt, um gemeinsam auf das Abstimmungsresultat zu warten. Ausser Berner Fahnen waren auch solche der probernischen Jugendorganisation «Sanglier» zu sehen. (sda)

Die Bieler Juradelegation äussert sich in einem Schreiben zum Ergebnis: «Wir bedauern, dass der Kanton Bern einen Teil seiner französischsprachigen Bevölkerung und der Berner Jura seine grösste Gemeinde verliert, aber wir verstehen und respektieren das Ergebnis.»
Der heutige Entscheid ziehe einen «Schlussstrich unter die Jurafrage», steht weiter im Schreiben. Nun gelte es den Erhalt der regionalen und kantonalen Zweisprachigkeit im Kanton Bern zu fördern. (mas)
Nach der Verkündigung des Ja zu einem Kantonswechsel ist auf dem Bahnhofplatz von Moutier grosser Jubel ausgebrochen. Tausende Projurassierinnen und Projurassier gaben ihrer Freude Ausdruck.
Die Menschen lagen sich in den Armen, schwenkten Jura-Fahnen und hüpften. Böller und Rauchpetarden hüllten den Bahnhof mit rotem Rauch ein. Aus den Zapfhähnen sprudelte das Bier und überall in der Stadt sind Hupkonzerte zu hören. Vor dem Hotel de Ville sorgt derweil ein DJ für Stimmung. (sda/nfe)

Moutier wechselt zum Kanton Jura. Insgesamt stimmten 2114 Personen für den Kantonswechsel. Für den Verbleib beim Kanton Bern stimmten 1740 Personen. Somit sorgten bloss 374 Stimmen für den Unterschied. Der Ja- Anteil beträgt 54,9 Prozent.
Nach der annullierten Abstimmung von 2017 entscheiden sich Moutiers Stimmberechtigte damit zum zweiten Mal innert vier Jahren für den Wechsel zum Kanton Jura. Die Stimmbeteiligung lag bei 88 Prozent und ist damit ähnlich hoch wie bei der ersten Abstimmung.
Der Entscheid heute ist deutlich. 2017 war das Ergebnis knapper ausgefallen. Damals votierten 2067 Personen für den Kantonswechsel, 1930 waren dagegen, bloss 137 Stimmen sorgten für den Unterschied.

Das Resultat der Abstimmung lässt weiter auf sich warten. Auf Twitter wollen die ersten das Ergebnis aber bereits kennen – wenn auch mit einem Augenzwinkern.
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