
Die scharfe Kritik am Bührle-Deal des Kunsthauses war voraussehbar. Zu sehr ist der Waffenproduzent und Nazisympathisant Emil G. Bührle ein rotes Tuch. Zu kompliziert sind die Herkunftsgeschichten seiner Bilder, die nicht selten aus jüdischem Vorbesitz stammen.
Deshalb haben Stadt und Kanton Zürich den Historiker Matthieu Leimgruber mit der Aufarbeitung der Bührle-Geschichte beauftragt. Deshalb hat der Direktor der Stiftung Sammlung Bührle die Herkunftsgeschichte von jedem der 200 Bilder minutiös rekonstruiert. Aber was hat das Kunsthaus Zürich gemacht?
Es hat einen Dokumentationsraum gestaltet, der Bührle als Sammler zeichnet, der mit seinem Engagement für die Kunst einen Weg fand, sich in die bessere Zürcher Gesellschaft zu integrieren. Diese Darstellung muss unbedingt kritischer werden und bedarf sehr bald einer Aktualisierung, die neueste Forschungsergebnisse berücksichtigt.
Der Fall Tizian
Auch die Provenienzforschung muss evaluiert werden. Das Kunsthaus hat mit der Sammlung Bührle einmal mehr Bilder übernommen, die es nicht selbst überprüft hat.
Wir erinnern uns an den Fall jenes Gemäldes, das 2019 so angekündigt wurde: «Als einziges Kunstmuseum in der Schweiz kann jetzt das Kunsthaus Zürich ein Gemälde von Tiziano Vecellio (1488–1576) sein Eigen nennen.» Leider stimmte das nicht, und das Kunsthaus musste die «Abendlandschaft mit Figurenpaar» zurückstufen. Jetzt steht bei dem Gemälde «Tizian zugeschrieben», was heisst, dass es kein echter Tizian ist, sondern wahrscheinlich aus seinem Umkreis stammt.
Die Musealisierung von Bildern bedeutet immer auch eine Nobilitierung, sei es eines Werks, eines Künstlers oder eines Sammlers. Gleichzeitig birgt sie das Risiko eines erheblichen Reputationsschadens für das Museum. Zur Due-Diligence-Prüfung bei einem solchen Deal sollte darum gehören, dass das Kunsthaus die neuen Bilder auf Herz und Nieren prüft, bevor sie im Museum hängen.
Christoph Heim ist Redaktor im Ressort Leben und schreibt am liebsten über Kunst und Kultur. Er arbeitet seit dreissig Jahren im Journalismus und war zehn Jahre lang Ressortleiter Kultur bei der Basler Zeitung.
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Analyse zur Bührle-Debatte – Besser vorher prüfen als nachher bereuen
Erst jetzt, seit die Bührle-Bilder im Kunsthaus hängen, macht sich das Kunsthaus daran, die Herkunftsangaben der Bilder zu evaluieren.