Bestsellerlisten verzerren Schweizer Buchmarkt
Schafft es ein Buch in die Hitparade, ist das für kleine Verlage Gold wert. Doch das System hat erhebliche Mängel.

Dem Erfolg wird in den USA gerne nachgeholfen – zumindest in der Verlagsbranche. Spezialisierte Unternehmen unterstützen Verlage dabei, ihre Werke auf die Bestsellerliste der «New York Times» zu bringen. Dazu kaufen sie massenweise Bücher auf. Sie verstecken das aber, indem sie über Angestellte jeweils nur kleine Mengen auf einmal erstehen. Für den Dienst zahlt der Verlag eine Gebühr von rund 20 000 Dollar, wie das «Wall Street Journal» erfahren hat. Hinzu kommt eine Investition von rund 200 000 Dollar, um die Bücher aufzukaufen. Sie ist aber gut eingesetzt, weil bei Erfolg diese Posten locker wieder abgesetzt werden können.
In der Schweiz gibt es solche Manipulationen nicht. Dennoch wird von Marktkennern nicht ausgeschlossen, dass man in flauen Monaten mit gezielten Käufen das eigene Buch in der Bestsellerliste nach oben befördern kann. Mit «einigen Hundert» Exemplaren landet man hierzulande ausserhalb der weihnächtlichen Hochsaison bereits gut platziert in der Bücher-Hitparade, bestätigen Experten.
Unterschiedliche Platzierungen
Solche Auswüchse sind indes Randerscheinungen und nicht das wahre Problem der Bestsellerlisten. Heikel ist vielmehr, dass ihre Zusammenstellung keine exakte Wissenschaft und mitunter auch nicht wirklich transparent ist. So gibt es hierzulande mehrere unterschiedliche Anbieter. Sie alle kommen aufgrund unterschiedlicher Erfassungsmethoden zu unterschiedlichen Ergebnissen, wie sich im Juni exemplarisch zeigte: Guillaume Mussos «Das Mädchen aus Brooklyn» beispielsweise steht einmal auf Rang eins, einmal auf dem zweiten und einmal auf dem fünften Platz.
Die unterschiedlichen Resultate haben Folgen. Denn Bestsellerlisten beeinflussen den Absatz. Sie werden von vielen Zeitungen und Magazinen abgedruckt. Zudem räumen die meisten Buchhändler den topplatzierten Werken in ihren Filialen Logenplätze ein. «Durch die Platzierung in der Liste kommt es zu einem selbstverstärkenden Multiplikatoreffekt», sagt Ricco Bilger vom Zürcher Bilgerverlag. Das bestätigt auch Roland Schärer: «Bestsellerlisten sind für uns wichtig», sagt der Programmleiter Belletristik des Berner Cosmos-Verlages. Es sei Gratiswerbung für die Titel.
Diese Werbewirkung hängt aber davon ab, auf welche Bestsellerliste sich Läden, Onlineshops und Feuilletons abstützen. Das ist aber nicht die einzige Verzerrung. Gewisse Verkäufe werden in den Ranglisten gar nicht erfasst. GFK Entertainment stellt für den Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband die am meisten beachtete Auswahl zusammen. «Es werden die physischen Verkäufe aller relevanten Absatzkanäle an Endkunden berücksichtigt», erklärt Verbandsgeschäftsführer Dani Landolf. Neben den klassischen Buchhandlungen würden auch Onlineverkäufer berücksichtigt. So erfasse man – gemessen am Umsatz – rund 80 Prozent des Marktes.
Kleinverlage benachteiligt
Doch einen Kanal erwischt die wichtigste Schweizer Liste nicht: Direktverkäufe der Verlage an Endkunden. Dabei wird dieser Vertriebskanal nicht nur immer wichtiger, er ist gerade für kleine Häuser sehr interessant. Denn eigene Onlineverkäufe bringen eine viel höhere Marge, weil der Zwischenhandel wegfällt. «Ein paar gute Besprechungen in wichtigen Zeitungen und Magazinen – idealerweise noch mit unserer Internetadresse versehen –, das führt zu vielen Direktbestellungen bei Neuerscheinungen», sagt Wendelin Hess, Verleger des Basler Echtzeit-Verlags.
Ein solcher Erfolg spiegelt sich jedoch nicht in der offiziellen Bücher-Hitparade. Das führt zu absurden Ergebnissen. «In die Bestsellerliste kamen wir damit nicht – im Gegensatz zu Titeln, die sich deutlich schlechter verkauft haben», sagt Hess. Vom Gratiswerbeeffekt profitieren die kleinen Verlage daher nicht – obwohl sie ihn viel nötiger hätten als die grossen Konzerne mit ihren Marketingbudgets.
Dieses Manko bestätigt man beim Buchhändlerverband. «Verlagsdirektverkäufe werden in der Schweiz – wie in anderen Ländern auch – nicht erfasst. Es zählen einzig Verkäufe von Händlern an Endkonsumenten», sagt Geschäftsführer Landolf. Grund hierfür sei der hohe Aufwand, den ein Einbezug verursachen würde.
Auch beim Buchzentrum weiss man um diese Mängel. Über den Bookit-Service ermöglicht das Unternehmen Buchhandlungen und kleineren Verlagen, die nicht über die erforderliche Infrastruktur verfügen, einen Direktversand an Kunden. Die so verkauften Titel werden nicht gezählt. Eine automatische Meldung über das Bookit-System sei heikel, sagt Buchzentrum-Geschäftsführer David Ryf. «Würden wir dies tun, bestünde die Gefahr von Doppelzählungen, weil einige grosse Onlinehändler das bereits von sich aus melden.»
Das Buchzentrum arbeitet aber an einer Lösung, die den Mangel beheben soll. «Wir prüfen, ob es eine Möglichkeit gibt, diese Probleme zu lösen», so Ryf. Vielleicht zeigen die Bestsellerlisten dann wirklich die besten Seller.
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