Bierdusch-Affäre: SVP nennt Fehr «absolutistischen Sonnenkönig»
Die SVP wirft dem SP-Regierungsrat «absolutistisches Verhalten» vor, die SP dagegen lobt ihn, er habe sich wie ein «Friedensrichter» verhalten. Dann redet Fehr erstmals.

Seit bekannt ist, dass der Bierwerfer von Winterthur der Sohn der Thurgauer SP-Regierungsrätin Cornelia Komposch ist, dreht die Bierdusch-Affäre noch ein paar Touren höher. Im Zürcher Kantonsrat kam es heute Morgen zum Showdown; erstmals redete auch SP-Regierungsrat Mario Fehr, nachdem er von der AL und von der SVP angegriffen worden war.
Fehrs Darstellung: Er habe damals vor einem Jahr nach dem Fussballspiel zwischen dem FC Winterthur und dem FC Zürich in der Schützenwiese «einen Schlag verspürt», jemand habe ihm einen Becher Bier über den Kopf geschüttet, und er sei vom «Kopf bis zur Hose» nass gewesen. Und das, während er mit dem FC-Winterthur-Geschäftsführer Andreas Mösli gesprochen habe. Die Kantonspolizei, deren oberster Chef Fehr ist, habe ihm darauf geraten, eine Strafanzeige einzureichen. «Ich hatte lange gezögert», sagte Fehr, und die Anzeige erst eingereicht, nachdem der Fall mit dem Schachtdeckel – ein FCZ-Fan wurde schwer verletzt – aufgelöst worden war.
Wie bei jeder Privatperson
Fehr bezeichnete den Bierwurf als «mittelalterliches Stammesritual». Solches Vorgehen sei ihm fremd, «auch wenn es von Journalisten offenbar goutiert wird». Hätte eine normale Privatperson bei konkreten Hinweisen auf den Täter eine Anzeige eingereicht, so Fehr, hätte die Polizei «die gleichen Ermittlungshandlungen vorgenommen». Fehr erwähnte in diesem Zusammenhang auch, dass er bloss wenige Woche vor diesem Fussballmatch schon einmal körperlich angegriffen worden sei – das war am Sechseläutenumzug 2017.
Als Grund, warum er nach der Entschuldigung des Bierwerfers seine Anklage zurückgezogen hatte, sagte Fehr: «Ich wollte den beruflichen Werdegang eines jungen Mannes nicht durch ein Strafverfahren gefährden.» Der Bierwerfer habe ihm glaubhaft versichert, Stillschweigen über das Ganze zu bewahren und solches nie mehr zu tun. Die rechte Ratsseite reagierte auf diese Aussage mit hämischem Grinsen.
Vergleich mit Tuena- und Filippo-Schubser
Fehr betonte überdies, gewisse Teile in der Medienberichterstattung seien «frei erfunden»; er spielte damit auch auf die Berichterstattung des «Tages-Anzeigers» an. Da sagten mehrere Polizisten übereinstimmend, sie hätten unter «massivem Druck» wegen dieser «Lappalie» ermittelt. Zudem verglich Mario Fehr den Bierwurf auf ihn mit den tätlichen Angriffen auf Stadtrat Filippo Leutenegger (FDP) und Mauro Tuena (SVP) vor dem Binzareal. Beide Politiker hatten geklagt, ihre Anklagen aber nicht zurückgezogen. Und zum Schluss sagte Fehr: «Ich bin mit mir im Reinen.»
Den Start zum Showdown machte die Alternative Liste AL. Kantonsrat Markus Bischoff will in einer Anfrage vom Regierungsrat wissen, weshalb nicht die Stadtpolizei Winterthur gegen den Bierwerfer ermittelt habe, sondern Fehrs Kantonspolizei. Einfache Körperverletzungen und Sachbeschädigungen seien gemäss Polizeiorganisationsgesetz «explizit der Stadtpolizei zugewiesen», so Bischoff. Es sei unverständlich und erwecke den «Verdacht der Befangenheit», wenn die Kantonspolizei in einem Fall ermittle, in dem ihr oberster Chef Opfer einer Straftat gewesen sei.
SVP schiesst scharf gegen Fehr
Überraschend meldete sich auch Jürg Trachsel, der Chef der SVP-Fraktion, zu einer Erklärung unter dem Titel «Sonnenkönig Mario Fehr». Im Gegensatz zum «medialen Mainstream» sei die SVP nicht der Auffassung, dass man Bierduschen einfach so hinnehmen müsse, die Strafanzeige sei deshalb «ok», sagte Trachsel etwas salopp. Über die Verhältnismässigkeit und den Aufwand bei der Ermittlungen durch die Kantonspolizei könne man diskutieren. Der Rückzug der Strafanzeige «gegen den verzogenen Sohn einer Couleurschwester und Gesinnungsgenossin» sei jedoch, so Trachsel, «Säuhäfeli-Säudeckeli-Verhalten in Reinkultur».
Jeder In- und Ausländer wäre in einem ähnlichen Fall zur Kasse gekommen, sagte SVP-Chef-Trachsel. Für Sonnenkönig Louis 14 wäre «solch herrschaftliches absolutistisches Gehabe» an der Tagesordnung gewesen. «Wir von der SVP goutieren solche Klientel und Machtpolitik ein paar Jahrhunderte später aber nicht.»
Nun meldete sich auch Fehrs Partei, die SP. Friedensrichter und Kantonsrat Thomas Marthaler sagte, solche Bierduscher-Affären gehörten in seinem Job fast zur Tagesordnung. Ziel des Friedensrichters sei jeweils, eine Vereinbarung zwischen den Streithähnen zu erzielen, das sei «Courant normal». Mario Fehr habe mit seinem Friedensangebot an den Bierwerfer – Entschuldigung und 30 Franken für die Anzugsreinigung gegen Rückzug der Klage – nichts anderes getan, als es jeder Friedensrichter auch mache. «So verhält man sich doch.»
Säbelrasseln vor den Wahlen
Brisant ist die Auseinandersetzung um die Bierdusche vor allem auch aus politischen Gründen. Im nächsten Frühling stehen Regierungsratswahlen an. Mario Fehr war bisher der Lieblingsregierungsrat der SVP, die harte Kritik an seinem Gebaren erstaunt deshalb und muss vor allem als Angriff gegen die SP interpretiert werden. Gleichzeitig muss Fehr demnächst die Katze aus dem Sack lassen, ob er für eine dritte Amtsperiode antritt. Und die SP muss entscheiden, ob sie ihn nochmals aufstellt. Darauf deutet noch immer alles hin. So hatte Fehr vor zehn Tagen bei der Revision des Sozialhilfegesetzes ein eher linke Linie gefahren und die Einhaltung der Skos-Richtlinien verteidigt – brav im SP-Mainstream.
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