Erschreckende deutsche StudieBis zu 6000 Missbrauchsopfer im Bistum Münster
Aus den Akten gehen 610 Opfer hervor. Ein Forschungsteam geht aber davon aus, dass man von einer zehnmal so grossen Dunkelziffer ausgehen muss.

Das Ausmass des sexuellen Missbrauchs im katholischen Bistum Münster ist deutlich grösser als bisher bekannt. Aus den Akten des Bistums ergebe sich eine Zahl von 610 Missbrauchsopfern und damit über ein Drittel mehr, als in der 2018 präsentierten MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz erfasst wurden, teilte Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU) am Montag mit. Münsters Bischof Felix Genn räumte Mitverantwortung für das Leid von Missbrauchsopfern ein.
Die fünf Forscher der WWU arbeiteten unabhängig. Im Unterschied zu Studien anderer Bistümer wie zuletzt etwa Köln sowie München und Freising sind die Wissenschaftler keine Juristen, sondern Sozialanthropologen und Historiker. Studienleiter Thomas Grossbölting sagte, dadurch erhoffe er sich, einen besseren Blick auf die Zusammenhänge von Missbrauchstaten hergestellt zu haben. Dem Bistum bescheinigte Grossbölting, dass es bei der Studie «gut unterstützt» habe.
Bischof übernimmt Verantwortung
Der Münsteraner Bischof Felix Genn will sich am kommenden Freitag ausführlich zu der Studie äussern. In einer ersten Reaktion erklärte er: «Ich übernehme selbstverständlich die Verantwortung für die Fehler, die ich selbst im Umgang mit sexuellem Missbrauch gemacht habe. Ich war und bin Teil des kirchlichen Systems, das sexuellen Missbrauch möglich gemacht hat.»

Zu möglichen persönlichen Konsequenzen äusserte sich Genn nicht. Einem möglichen Rücktritt müsste allerdings Papst Franziskus zustimmen – beim Münchner Kardinal Reinhard Marx und beim Hamburger Erzbischof Stefan Hesse hatte Franziskus Rücktrittsangebote zurückgewiesen, im Fall des wie Marx und Hesse schwer belasteten Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki steht eine Entscheidung zu einem Rücktrittsangebot noch aus.
Die Studienmacher warfen dem seit 2009 in Münster als Bischof tätigen Genn Versäumnisse vor. Wenn ein Missbrauchstäter Reue gezeigt habe, sei Genn kirchenrechtlich nicht immer konsequent vorgegangen. Erst in jüngerer Zeit werde in Münster konsequent vorgegangen. Massive Vorwürfe machten die Forscher dem verstorbenen Bischof Reinhard Lettmann, der immer wieder auch als pädophil bekannte Priester in der Seelsorge eingesetzt habe.
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