
Wenn es um die Energiewende geht, fangen plötzlich Akteure an, sich um unsere Landschaft zu sorgen, die bislang kaum als Umweltschützer in Erscheinung getreten sind. Das nährt den Verdacht, dass es ihnen eher um das Ausbremsen der Energiewende und das Verlängern des fossilen Zeitalters geht als um tatsächlichen Naturschutz. Doch unser Hunger nach fossilen und nuklearen Energien wirkt auf unsere Natur und Landschaft um ein Vielfaches zerstörender als die erneuerbaren. Treibhausgase heizen das Klima an, lassen die Gletscher schmelzen und Flüsse austrocknen. Unberechenbare Murgänge in Berggebieten gefährden Einheimische und Wanderer in Erholungsgebieten.
Als Umweltschützer der ersten Stunde begrüsse ich aber trotzdem jede Person, die den Wert unbelasteter Natur und unbebauter Landschaft zu schätzen und schützen beginnt. Ich begrüsse jede Person, die davor zurückschreckt, Restwassermengen von Wasserkraftwerken weiter zu reduzieren und damit zusätzlich Leben in Bächen und Flüssen zu zerstören, nur um noch einige Kilowattstunden mehr Strom herauszupressen. Ich begrüsse es, dass sich Leute für ohnehin bereits vom Klimawandel geschwächte Naturperlen und den Verlust an Erholungsgebieten wehren, nur weil das Land dort billig zu haben ist.
Denn es gibt ein einfaches Rezept, wie wir die fossilen und nuklearen Energien ersetzen können, ohne unsere Landschaft, unsere Alpen und unsere Flüsse übermässig zu behelligen: Wir müssen schleunigst möglichst viele Hausdächer mit Solaranlagen bedecken.
Solaranlagen im Flachland wie auch in den Bergen könnten im Winter 25 Terawattstunden Strom liefern – doppelt so viel wie Atomkraftwerke.
Der günstigste erneuerbare Strom muss dort erzeugt werden, wo er am meisten verbraucht wird und wo die notwendige Infrastruktur schon besteht. Dazu eignen sich Gebäudedächer bestens. Berechnungen der Umweltallianz zeigen, dass mit infrastrukturgebundenen Solaranlagen im Flachland wie auch in den Bergen 25 Terawattstunden Strom im Winter erzeugt werden könnten – doppelt so viel, wie heute die Atomkraftwerke liefern.
Eine Studie des ETH Energy Science Center zeigt, dass die Bevölkerung bereit ist, mit eigenem Geld Solaranlagen zu installieren, sofern eine kostengerechte Einspeisevergütung von ca. 15 Rp/kWh garantiert ist. Nur 10 Prozent der Dachflächen werden benötigt, um bis 2040 die einheimische Stromproduktion von heute 60 auf 100 TWh/Jahr zu steigern. Das reicht, um die prognostizierte Menge des zusätzlichen Strombedarfs zu erzeugen.
Selbst bei fallenden Strompreisen werden sich kaum Verluste ergeben.
Der Preis für die Einspeisevergütung wird durch den Verkauf von Solarstrom finanziert. Zum Beispiel verlangt 2023 der Energieversorger meiner Wohngemeinde für ein reines Solarstromabo 37,26 Rp/kWh im Hochtarif (netto ohne Netznutzungsgebühren und Abgaben 21,50 Rp/kWh) und bezahlt eine Einspeisevergütung von 15,50 Rp/kWh. Die Marge von 6 Rp/kWh ist äusserst komfortabel. Selbst bei fallenden Strompreisen werden sich kaum Verluste ergeben.
Das eidgenössische Parlament muss in der aktuell behandelten Energiegesetzgebung ein Paket schnüren: Solaranlagen auf Neubauten, Umbauten und bei Dachsanierungen sollen Standard werden, andererseits sollen die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer eine ausreichende Entschädigung für eingespeisten Strom erhalten. Dieses Paket nützt allen: Die Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer bekommen einen Mehrwert in Form von rentablen Solaranlagen, die Mieterinnen und Mieter günstigen Strom, die Schweiz eine sichere, erneuerbare, klimafreundliche und einheimische Stromversorgung, und wir alle können unsere Naturjuwelen und Landschaftsperlen bewahren.
Bleibt zu hoffen, dass die Politikerinnen und Politiker in Bern diese Chance auch nutzen.
Hans-Rudolf Zulliger ist Physiker und war bis 2003 Präsident der Commission Recherche Energétique (Core), die den Bundesrat in der Energieforschung berät. Seit 2004 finanzieren seine Frau und er einen ETH-Lehrstuhl für Technologie und Nachhaltigkeit.
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Es gibt ein einfaches Rezept, um in der Schweiz eine sichere, erneuerbare, klimafreundliche und einheimische Stromversorgung zu realisieren.