Kunst unter freiem HimmelBlitzferien, fast um die Ecke
Wenn die Abende länger werden, wollen wir Kunst im Freien. Es gibt aber mehr Gründe, die wohl hinreissendste Skulpturenschau des Jahres zu besuchen.

Nichts gegen Museen. Aber wenn die Abende jetzt länger und lauschiger werden und man in den letzten Wochen Corona-bedingt ohnehin zu viel Zeit in geschlossenen Räumen verbracht hat, dann kommt eine Kunstausstellung unter freiem Himmel und inmitten saftiger Wiesen gerade recht. Eine solche, die es zwar schon seit Jahren gibt, die aber immer noch als Geheimtipp gehandelt wird, ist jene im malerischen Weiertal bei Winterthur, wo die Herzblutgaleristin Maja von Meiss jeden Sommer ihren paradiesischen Garten für Skulpturen, In-stallationen und Performances öffnet. Dieses Jahr fragt der Ausstellungstitel, ob «Alles im grünen Bereich?» sei, und die künstlerischen Antworten fallen einmal mehr erfreulich vielfältig aus. Sie brauchen noch mehr Gründe, warum sich ein Besuch lohnt? Bitte schön:
1. Die Anreise
Der Weg ist das Ziel. Und auf diesem nimmt man erst einen Zug nach Winti, dann einen zweiten nach Wülflingen und marschiert schliesslich noch ein knappes halbes Stündchen zu Fuss. Klar, man kann auch mit dem Auto hin, aber dann stellt sich halt nicht jenes aufregende Gefühl ein, das man von früher, von den Schulreisen her, kennt…
2. Der Ort
Eine Hektare, also 10’000 Quadratmeter, umfasst das Privatgrundstück von Maja und Rick von Meiss. Als die beiden Anfang der Achtzigerjahre das ehemalige Bauernhaus bezogen, war ringsum nichts als Feld. Rick hat alles, was jetzt blüht und Schatten spendet, selbst gepflanzt; allein das ist so grossartig anzusehen, dass man die Kunst fast vergisst. Und Maja dürfte die einzige Galeristin (im Raum Zürich? in Europa? der Welt?) sein, die ihren Showroom regelmässig mähen muss.
3. Die entspannte Kunst
Hier stellt nur aus, wer sich nicht so wahnsinnig wichtig nimmt. Schliesslich muss man damit leben können, dass auch mal ein Vogel aufs Kunstwerk kackt. 27 Künstlerinnen und 10 Künstler sind dieses Jahr dabei, deren eigens für das Weiertal entwickelte Arbeiten mal poetisch sind, mal kalauerig, mal so dezent, dass sie nur entdeckt, wer ganz genau hinsieht. Die Mischung machts.

4. Der Geist von Superstars
Unter jenen, die sich hier schon als temporäre Landeier versucht haben, finden sich einige Superstars: Roman Signer stellte ein Paar Riesengummistiefel an den Weiher, Pipilotti Rist projizierte eine echte Geburt an die Mauer des Obstkellers, die man sich kniend und durch ein kleines Fensterchen lugend anschauen konnte, und Thomas Hirschhorn spendierte einen auseinandergesägten und mit sehr viel Klebeband (what else?) zusammengeflickten Pick-up. Dieses Jahr ist Manon mit dabei, mit ganz subtilen Eingriffen. Wer findet sie?
5. Die Anekdoten
Hier bricht man sogar ein, um Kunst zu sehen. Kein Witz: 2017 kam ein kulturell offenbar ausgehungertes Pärchen nach Feierabend, stand vor geschlossenem Tor – und kletterte kurzerhand übern Hag. Dieser indes war selbst schon Kunst: ein von den Zürcher Zwillingsbrüdern huber.huber aus purem Gold gefertigter Kuhdraht, der, wie es sich gehört, natürlich unter Strom stand. Die Eindringlinge wurden erst gefitzt und dann von der Hausherrin hinausspediert. Deren Herz für Kunstaffine mag gross sein – ausserhalb der Öffungszeiten versteht sie keinen Spass!

6. Mehr Kunst in der Nähe
Weil Winterthur auch sonst voller Kunst steckt. Fahren Sie einen ganzen Tag hin, sehen Sie sich in der Fotostiftung die absolute Entdeckung Evelyn Hofer an (die neue Vivian Maier, munkelt man!) oder den schelmischen Biedermeiermeister Carl Spitzweg. Beide Ausstellungen wurden verlängert – Corona hat auch etwas Gutes ... Und danach, eben, ab ins Grüne.
7. Die Leckereien
Der Kuchen im Weiertal-Bistro ist hausgemacht – und sooo gut! Unser Favorit: der Mohnkuchen. Und für den Znacht zu Hause nimmt man eine Flasche Wein mit. Maja und Rick sind nämlich auch Winzer. Aber das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.

Kulturort Weiertal
Winterthur, Rumstalstr. 55galerieweiertal.ch
Geöffnet ab Donnerstag 28.5. Bis 13.9.
Öffnungszeiten: Do–Sa 14–18 Uhr, So (und Pfingstmontag) 11–17 Uhr
Führungen, Performances, Lesungen etc. siehe Website
Eintritt 10 Franken; für Kinder, Jugendliche
Menschen mit Handicap gratis
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