Blocher greift nach Graubünden
Christoph Blochers «Basler Zeitung» und die «Südostschweiz» verhandeln über einen Austausch von Inhalten. Das ist brisant – auch wegen der No-Billag-Initiative.

Linke, die sich aufregen wollen, lesen ab und zu die «Weltwoche» oder die «Basler Zeitung». In Letzterer hat Chefredaktor Markus Somm in seinem jüngsten samstäglichen Leitartikel über die «bösen Linken» geschrieben. Er hat ihnen immerhin attestiert, dass sie mit der Einführung der AHV – «ein mangelhaftes System» – den einfachen Leuten Stolz verliehen haben, «eine politische Ehre gewissermassen». Als ob die Rente für viele nicht ganz einfach existenziell wäre.
Geht es nach dem «Südostschweiz»-Verleger Hanspeter Lebrument, erscheinen die Artikel von Markus Somm bald auch in Graubünden, St. Gallen und Glarus, wo Lebrument seit bald 20 Jahren die «Südostoschweiz» mit drei Regionalvarianten herausgibt. Somm sei ein hervorragender Journalist, den er gern in seiner Zeitung lesen würde, sagte Lebrument kürzlich der «Tageswoche».
Neuer Rechtspopulismus
Diese hat publik gemacht, dass die «Basler Zeitung» und die «Südostschweiz» vielleicht schon bald Teile ihrer Redaktion zusammenlegen. Es laufen Gespräche zwischen Basel und Chur, ob und wie man die Ressorts Inland, Ausland, Wirtschaft und Kultur gemeinsam herstellen könnte. Schon heute arbeiten die beiden Häuser zusammen, die «Basler Zeitung» wird in Chur auf den Druck vorbereitet. Zudem zieht die BaZ-Herausgeberin BaZ Holding von Basel in den Kanton Zug, wie die «Aargauer Zeitung» vermeldete: «an einen neutralen Ort».
Brisant sind die Pläne, die Hanspeter Lebrument in einem ersten Anlauf bestätigt hat, deshalb, weil eine solche Kooperation eine weitere Einflussnahme von Christoph Blocher wäre. Der ehemalige SVP-Bundesrat, dem ein Drittel der «Basler Zeitung» gehört, hegt seit Jahrzehnten grosse Pläne, was Medien betrifft. In den Achtzigerjahren wollte Blocher eine nationale Boulevardzeitung lancieren, eine Alternative zum «Blick», was die Zürcher Medienbranche vorübergehend nervös machte. Und er kaufte das «Bündner Tagblatt», gab es wenig später Hanspeter Lebrument weiter, konzentrierte sich fortan auf die Politik.

Bis im Sommer 2016 das Gerücht durchsickerte, Blocher wolle eine überregionale Gratis-Sonntagszeitung lancieren. Dies ist bis heute nicht geschehen, doch inzwischen hat die «Basler Zeitung» der Ostschweizer Zehnder-Gruppe zwei Dutzend Gratiszeitungen abgekauft. Das war vor zwei Monaten. Und nun also dies: Blocher will zurück nach Graubünden, via Kooperation mit der «Südostschweiz».
Eine «Berlusconisierung» der Medienschweiz
In Basel hat die politisch-publizistische Kehrtwende der Tageszeitung vor einigen Jahren einen grossen Wirbel ausgelöst. Manche Leser haben sich abgewendet, es gab heftigen Widerstand gegen die neue Eigentümerschaft. Mittlerweile hat man sich damit abgefunden. Vor allem gibt es kaum eine Alternative auf regionaler Ebene.
Was würde eine von Christoph Blocher mitgeprägte «Südostschweiz» in Graubünden auslösen, in Glarus und in Teilen des Kantons St. Gallen?
Er mache sich ehrlich Sorgen, sagt Jon Pult, SP-Grossrat aus Chur. Gerade vor dem Hintergrund der No-Billag-Initiative, deren Urheber an Fahrt gewinnen und welche die SRG beseitigen würde, befürchte er eine «Berlusconisierung» der Medienschweiz. Graubünden sei bürgerlich, aber solid, der Rechtspopulismus sei im Bergkanton ein relativ neues Phänomen, sagt Jon Pult und spricht auf die überraschend deutliche Wahl von Magdalena Martullo-Blocher in den Nationalrat an.
Viele Linke hätten sich von der «Südostschweiz» abgewendet, weil sie diese als «Propagandamaschine für die Olympischen Spiele» wahrnähmen.
Wie die Leserschaft reagieren würde, könne er schwer abschätzen. Jedenfalls wäre eine inhaltliche Kooperation der beiden Zeitungen für die Meinungsbildung seiner Ansicht nach schlecht. Das zeige etwa die Tatsache, dass ein Artikel über das Verhältnis von Blocher und Lebrument dieser Tage in der «Schweiz am Wochenende» erschienen sei, in der «Südostschweiz» aber fehlte. Die beiden Zeitungen kooperieren bei der Bundeshaus-Berichterstattung sowie bei der Wochenendausgabe. «Gerade für die Bündner Leser wäre dieser Artikel wichtig gewesen», sagt Jon Pult. Doch viele Linke hätten sich ohnehin von der «Südostschweiz» abgewendet, weil sie diese als «Propagandamaschine für die Olympischen Spiele» wahrnähmen.
«Das weiss kaum einer»
Andere Politiker reagieren gleichgültiger: «Ich weine nicht, ich juble nicht. Es ist mir gleich», sagt Grossrat Livio Zanetti zur «Tageswoche». Es zeige sich aber einmal mehr, warum es so wichtig sei, die No-Billag-Initiative abzulehnen.
Video: Die Voten zur No-Billag-Initiative im Ständerat
BDP-Präsident Martin Landolt äussert sich in derselben Zeitung enttäuscht: Er habe einen solchen Schritt erwartet, die «Südostschweiz» diene sich seit längerem der Familie Blocher an. Von der Bevölkerung sei kein Widerstand zu erwarten, sagt der Glarner Nationalrat, das interessiere an den Stammtischen doch keinen, «das weiss doch kaum einer».
Politik hin oder her – eine inhaltliche Kooperation der beiden Zeitungen wäre ein weiterer Akt in der fortschreitenden Konzentration auf dem Medienplatz. Ab 2018 betreibt Tamedia, die auch den TA herausgibt, eine Mantelredaktion für mehrere Zeitungen; die Regionalblätter der NZZ-Gruppe in der Ost- und Innerschweiz berichten seit längerem aus einer Hand. Ebenso die AZ Medien und die «Südostschweiz» – wobei die AZ Medien dem Vernehmen nach auch mit dem Haus NZZ über eine Kooperation verhandelt.
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