Blocher übernimmt die älteste Zeitung der Schweiz – was nun?
Was bedeutet die Übernahme des «Tagblatts der Stadt Zürich» für die Leser? Und kann Blocher die Zeitung politisch nutzen?
Heute Mittwoch ist die 16. Ausgabe des Jahres vom «Tagblatt der Stadt Zürich» erschienen – mit dem Bild des explodierenden Bööggs auf der Titelseite. Mit einem medialen Knall hat auch der heutige Tag begonnen: Die Tamedia AG, zu der auch Redaktion Tamedia gehört, hat ihre 65-Prozent-Beteiligung am «Tagblatt» der Zeitungshaus AG verkauft und im Gegenzug die «Basler Zeitung» übernommen – die BaZ gehört seit 2014 Christoph Blocher, Konzernchef Rolf Bollmann und Chefredaktor Markus Somm.
Die neue Eigentümerin wird das «Tagblatt» gemäss Medienmitteilung weiterführen und das bestehende Redaktionsteam übernehmen. Chefredaktorin bleibt Lucia M. Eppmann, ihr Team wird weiterhin in Zürich arbeiten. Doch welche Auswirkungen hat dieser Wechsel auf den Inhalt der Zürcher Gratiszeitung? Hier die Informationen:
Was ist das «Tagblatt» überhaupt? Das «Tagblatt der Stadt Zürich» ist die älteste Zeitung der Schweiz. Die erste Ausgabe erschien am 23. Februar 1730 unter dem Titel «Donnstagsnachrichten». Das «Tagblatt» enthält Berichte, Interviews und Reportagen zu Zürcher Themen und hat zum Ziel, die Stadtzürcher komplementär zu Tageszeitungen und weiteren aktuellen Medien zu informieren und zu unterhalten. Das «Tagblatt» ist aber auch das städtische Amtsblatt, enthält also die neuesten amtlichen Informationen und gesetzlichen Bekanntmachungen der Stadt wie beispielsweise Bauausschreibungen oder Angaben über Verkehrsführungen. Die Stadt Zürich hat das «Tagblatt» per 1. Januar 2018 für weitere fünf Jahre als amtliches Publikationsorgan bestimmt.
Kann das «Tagblatt» politisch genutzt werden? Der Verwaltungsratspräsident der Zeitungshaus AG, Rolf Bollmann, hat an einer kurzfristig einbaraumten Medienkonferenz von heute Mittwoch betont, dass Christoph Blocher über den frisch erworbenen Zürcher Titel keinen politischen Einfluss auf Zürich nehmen wolle. Die «Tagblatt der Stadt Zürich AG» ist gemäss Vertrag mit der Stadt Zürich ohnehin zu einer «sachlichen sowie politisch und journalistisch ausgewogenen Berichterstattung» verpflichtet. Um diese Vorgaben zu konkretisieren, hat das «Tagblatt» unter Einbezug der Stadt ein Redaktionsstatut entwickelt und am 1. Januar 2018 in Kraft gesetzt. Darin ist explizit festgehalten, dass die Zeitung «politisch, weltanschaulich und religiös neutral ist». Kommentare sollen «insbesondere bei stadtpolitischen Themen» zurückhaltend geschrieben sein, auf Wahl- und Abstimmungsempfehlungen verzichtet das «Tagblatt» laut Statuten ganz.
Wer überprüft, ob diese Statuten eingehalten werden? Ein fünfköpfiger Publikationsausschuss achtet auf die Einhaltung der Statuten. Dem Gremium gehören die Stadtschreiberin und der Informationsbeauftragte des Stadtrats an. Die anderen drei Mitglieder stellt die «Tagblatt der Stadt Zürich AG».
Wie gross ist die Reichweite? Das «Tagblatt» rühmt sich selbst als «Zürichs meistgelesene Stadtzeitung». Es erscheint einmal wöchentlich am Mittwoch online und als Tabloid-Zeitung, die in fast alle Haushalte der Stadt Zürich verteilt wird – als amtliches Publikationsorgan auch in Briefkästen mit «Stopp Werbung»-Kleber. Die Zeitung hat eine von der WEMF AG für Werbemedienforschung beglaubigte Auflage von 127'950 und rund 126'000 Leserinnen und Leser – die meisten davon im Stadtkreis 9 (16'278), Kreis 3 (15'675) und im Kreis 10 (12'235).
Welche kommerziellen Vorteile hat das «Tagblatt» als amtliche Publikation? Dieser Auftrag der Stadt Zürich ist nach einer Ausschreibung im offenen Verfahren erfolgt – wobei sich nur die Tagblatt der Stadt Zürich AG beworben hat, welche das «Tagblatt» herausgibt. Durch diesen Vertrag hat die AG das exklusive Recht, aber auch die Pflicht, die von der Stadt übermittelten amtlichen Mitteilungen zu publizieren, und erhält im Gegenzug eine jährliche Entschädigung der Stadt – abhängig vom Gesamtvolumen sämtlicher Inserate und amtlichen Mitteilungen. Für die Publikation von städtischen Inseraten besteht hingegen keine Exklusivität.
Kann die Stadt Zürich ihren Vertrag mit dem «Tagblatt» nun kündigen? Der Vertrag mit der Stadt ist fix für fünf Jahre abgeschlossen und endet am 31. Dezember 2022 mit Option auf eine Verlängerung um weitere fünf Jahre. Eine vorzeitige Kündigung des Vertragsverhältnisses ist laut Angaben des Zürcher Stadtrats «nur aus wichtigen Gründen» möglich – unter anderem wenn die vertraglich festgehaltene sachliche, politisch und journalistisch ausgewogene Berichterstattung durch die Tagblatt der Stadt Zürich AG nachweislich nicht mehr gewährleistet würde. Eine veränderte Zusammensetzung der Eigentümerschaft, wie sie nun eingetroffen ist, gilt hingegen nicht als Kündigungsgrund, weil dies laut Stadtrat «für die Auftragnehmerin eine zu starke Beschränkung der Wirtschaftlichkeit ihres Produkts und des Operierens am Markt bedeutet hätte».
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