Bob ist Bracher
Er ist ein Glücksfall für den Schweizer Bobsport: Clemens Brachers Olympiaträume schienen nach einem Hirnschlag vorbei, jetzt erfüllt er sie sich.

Im Eiskanal ist er der Mann der Stunde. Im deutschen Winterberg schlug Clemens Bracher vor zwei Wochen die Weltelite auf Anhieb. Nie zuvor hatte er ein Weltcuprennen im Zweier bestritten. Sieben Tage später doppelte der 30-jährige Emmentaler nach und holte zusammen mit seinem Anschieber Michael Kuonen EM-Silber im österreichischen Igls. Die Bobwelt staunte.
Wer ist dieser Athlet mit den dunklen Augen? Viele wollten das in den vergangenen Tagen am Olympiarun in St. Moritz herausfinden, viele haben ihn angesprochen – sofern sie ihn überhaupt erkannten. Bracher absolvierte in den Tagen vor den Schweizer Meisterschaften im Zweier von heute Samstag weit mehr Interview- und Fototermine als Trainingsfahrten. Und nahm auch das mit stoischer Ruhe hin. So ist er eben. Äusserlich ganz Bobfahrer, breitschultrig, 1,85 Meter gross, 104 Kilo schwer. Und innerlich zurückhaltend, überlegt, introvertiert. Emotionen scheinen ihm fremd.
Zum Glück war er in Spitalnähe
Die sind auch nach seinem Weltcupsieg ausgeblieben, der ihm, dem bisherigen Europacuppiloten, gleich auch die Qualifikation für Pyeongchang eingebracht hat. Olympia – dieses «einmalige Ziel für jeden Sportler», wie er sagt, hatte Bracher schon einmal im Visier. Er war als Anschieber im Vierer von Beat Hefti nahe dran, als er am 22. Mai 2013 einen Hirnschlag erlitt. Sein Glück im Unglück: Er war beruflich in Zollikofen unterwegs, als es passierte, und damit in unmittelbarer Nähe des Berner Inselspitals. «Wäre es irgendwo anders gewesen, ich würde heute vielleicht nicht mehr leben», erklärt er trocken. Mehr sagen will er dazu nicht.
Seine rechte Körperhälfte war kurzzeitig gelähmt, eine grosse Herzoperation war notwendig, drei Monate später begann Bracher mit der Reha. Und stiess darauf beim Training in Magglingen schon bald auf Christian Stucki, der ihn auch mental aufbaute. Heute sind der Spitzenschwinger und der Bobfahrer enge Freunde. Und damals reifte beim Emmentaler der Gedanke, es allen Widrigkeiten zum Trotz noch einmal zu versuchen. Nochmals im Bob, wieder mit dem Ziel Olympia.
Dem polysportiv begabten Bracher – Leichtathlet (Sprinter), Tennisspieler, Hornusser im NLA-Team von Wasen-Lugenbach, Volleyballer in der 1. Liga – war klar, dass er die Lenkseile, wörtlich gemeint, am besten gleich selbst in den Griff nehmen würde.
Ein Jahresbudget von 200'000 Franken
Also absolvierte er kurz die Bobschule und gründete ein eigenes Team. Der Anfänger integrierte auch gleich einen Mechaniker. Und schnell hatte er für sein Olympiaprojekt, in das er bei einem Jahresbudget von 200'000 Franken auch privat sein ganzes Geld steckte, auch schubkräftige Hinterleute gefunden. Allen voran Michael Kuonen. «Wenn mir einer in einem 60-Meter-Sprint davonläuft, dann muss er mich künftig anschieben», befand der Pilot.
In den Europacuprennen der letzten beiden Jahre sind der Berner und der Walliser zum Erfolgsduo gereift. Beim Start in diese Saison in Lillehammer kannten Bracher/Kuonen bereits keine Gegner mehr. Und fordern jetzt eben die Weltelite heraus.
Nach oben mit deutscher Hilfe
Dass es so ist und dass Clemens Bracher ein Grosser im Bobsport werden kann, daran ist ein ganz Grosser dieses Sports beteiligt, Christoph Langen. Der Deutsche, zweifacher Olympiasieger, siebenfacher Weltmeister und danach Bundestrainer, ist im zweiten Winter für die Nachwuchsförderung bei Swiss Sliding zuständig. An Bracher zeigt sich jetzt, zu was der 55-jährige Bayer fähig ist. Langen schreibt Brachers Trainingspläne, plant strategisch dessen Einsätze und berät ihn auch in Materialfragen. «Dass er immer klar sagt, was Sache ist», schätzt Bracher an Langen am meisten. Sache ist deshalb ab sofort auch: Bracher ist in der Schweiz Bob. Hefti (noch vor Pyeongchang) und Peter (nach Olympia) treten ab.
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