
1. Mai 1994. Am Thurgauer Kantonalschwingfest gewinnt Stefan Burkhalter seinen ersten Kranz. Nach ausgiebigem Feiern zwängt sich der 19-Jährige in den Tarnanzug, muss er doch in die Rekrutenschule einrücken. In der Kaserne trifft er eine Stunde zu spät ein; statt mit einem Helm bedeckt ist sein Kopf mit Eichenlaub geschmückt, statt des Sturmgewehrs hält er eine Glocke in der Hand. Fuchsteufelswild empfängt ihn der Kompanieführer, er will ihn in den Knast stecken. Von Schwingen hat der Vorgesetzte keine Ahnung und glaubt, es handle sich beim Erklärungsansatz um eine Provokation. Wort- und gestenreich rechtfertigt sich Burkhalter, schwitzt dabei stärker als zuvor im Sägemehl. Letztlich hat der «Kadi» ein Einsehen, verdonnert den Thurgauer bloss zu einer Strafaufgabe.
Burkhalter schwelgt gern in Erinnerungen. Und er versteht es, blumig zu erzählen. 44 ist er im Juni geworden, könnte der Vater vieler seiner Mitstreiter sein. «Was ich mache, hat noch immer Hand und Fuss», sagt der Landwirt. Der Aufwand, den er betreibt, ist immens – zumal es sich beim Schwingen nicht um einen Profisport handelt. 22 Stunden trainiert Burkhalter wöchentlich, 13 Personen umfasst sein Betreuerstab: Personal-Trainer, Masseurin, Leistungsdiagnostiker, Marketingfachmann. Gelegentlich kämpft der Kahlkopf mit Kickboxern und Ringern.
In der Szene mögen einige die Nase rümpfen, und der 120 Kilo schwere Muskelprotz hält fest, er werde häufiger von Dopingfahndern kontrolliert als andere in seiner Leistungsklasse. Als zweifacher «Eidgenosse» gehört Burkhalter zu den «Bösen». 105 Kränze hat er gewonnen, in der Bestenliste steht er auf Position 11. Er ist ein sehr guter, aber kein absoluter Spitzenschwinger. In 25 Saisons hat er vier Feste gewonnen, zweimal hat er das prestigeträchtige Kräftemessen auf der Schwägalp für sich entschieden. Am Fuss des Säntis stellt er sich morgen der Gegnerschaft, den «jungen Burschen» will er einmal mehr beweisen, dass er nicht zum «Alteisen» gehört.
Dienste als Bodyguard und Chauffeur
Seine Kämpferqualitäten sind bekannt, so schwang Burkhalter einst während einer Saison mit gerissenem Kreuzband. Bei den Verletzungen hat er längst aufgehört zu zählen. «Schwingen ist Kampfsport, kein Ballett, nach der Karriere werde ich ein Wrack sein.» Ans Aufhören aber denkt der Thurgauer aus Homburg noch immer nicht, die Saison 2019 ist geplant. Sohn Thomas (15) ist bei den Jungschwingern kaum zu bodigen, im Frühling will ihm der Vater beim Übertritt zur Elite behilflich sein.Wobei sich die Frage stellt, ob er Zeit dafür finden wird.
Burkhalter führt einen Milchwirtschaftsbetrieb, bietet seine Dienste als Bodyguard und Chauffeur an. Zu seinen Stammkunden zählt der einstige Bob-Olympiasieger und Schauspieler Hans Leutenegger. Auch Sängerin Pink, Paris Hilton und Cristiano Ronaldo holte der Hüne schon am Flughafen ab. Beiläufig sagt Burkhalter dies, unaufgeregt. «Das sind auch nur Menschen, da braucht man kein Theater zu machen.» Gut erinnern mag sich Burkhalter an eine Fahrt von Kloten nach Ascona. Im Auto sass . . . Mike Tyson. Während des Gesprächs übers Schwingen wirkte der frühere Boxweltmeister ähnlich ungläubig wie einst der Kompanieführer.
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Böser, Bauer, Bodyguard
Der Schwinger Stefan Burkhalter könnte der Vater seiner Gegner sein. Und er hat schon Cristiano Ronaldo und Mike Tyson chauffiert.