Kampfjets und Kriegs-StrategieWofür braucht die Schweizer Luftwaffe einen Tarnkappenjet?
Es ist der F-35 aus den USA: Der Bundesrat hat heute den Typenentscheid für den Kampfjet-Kauf gefällt. Was die Hightechmaschine der Schweiz bringt und wo sie Schwächen hat.

Der F-35 hat im Bundesrat das Rennen gemacht. Das hat Verteidigungsministerin Viola Amherd (Die Mitte) heute kommuniziert (zum Medienkonferenz-Ticker).
Eingesetzt werden soll der Tarnkappenbomber auftragsgemäss für den Luftpolizeidienst, die Luftverteidigung und für die Unterstützung von Truppen am Boden. Klar war schon vor dem Entscheid des Bundesrats, dass eine Mehrheit innerhalb von Luftwaffe und Verteidigungsministerium den gemäss Herstellerwerbung «zukunftsträchtigsten» Jet will. Was bisher in der Armee für die F-35 spricht und was Experten von aussen bemängeln.
Der Modernste und Günstigste
Laut Amherd entspricht der US-Tarnkappenbomber F-35 dem wirtschaftlich günstigsten Angebot, das der Schweiz im Rahmen des abgeschlossenen Kampfjet-Wettbewerbs vorgelegt wurde.
Die Beschaffungskosten beliefen sich zum Zeitpunkt der Angebote im Februar 2021 auf 5,068
Milliarden Franken. Der F-35A sei auch bei den Betriebskosten das günstigste Flugzeug aller Anbieter. Die
Gesamtkosten, welche aus den Beschaffungs- und den Betriebskosten berechnet werden, würden
beim F-35A über 30 Jahre gerechnet rund 15,5 Milliarden Franken betragen.
Der Unterschied zum zweitgünstigsten Kandidaten liege im Bereich von 2 Milliarden Franken, heisst es laut Communiqué.
Gleichzeitig sei der US-Jet bei der Übermittlung und Vernetzung von Daten aller Art der technisch fortschrittlichste.
Anders verhält es sich, wenn der Jet in Schräglage von modernen Radarsystemen vom Boden aus angestrahlt wird. Dann zeichnen sich, berichten Experten, sogenannte Radarsignaturen ab – die F-35 wird also sichtbar. Tonnenweise Metall lassen sich auch heute nicht ohne weiteres vom Himmel wegradieren. Eine Frage der Zeit ist es, bis die F-35 (und andere Tarnkappenjets) für Passivradare neuster Generation systematisch sichtbar wird. Wie lange es dauert, bis der Tarnkappenjet endgültig entzaubert wird, kann heute nicht gesagt werden.
Fakt ist, dass die USA im Syrien-Krieg zuletzt ihre An- und Überflugwege vom einen Tag auf den anderen anpassten, nachdem die Russen ihre modernsten Boden-Luft-Abwehrsysteme (S-400) aufgebaut hatten. Die Russen setzen mit dieser Abwehrwaffe gegenüber den Amerikanern faktisch eine Flugverbotszone durch.
Trägt die F-35 ihre Waffen ausserhalb ihrer Tarnhülle, ist sie auf jedem Militärradar sichtbar. Das ist bei Luftpolizeieinsätzen auch gewollt. Dann droht ein Jet bei Bedarf einem anderen mit der angehängten Bewaffnung und zwingt ihn so, hoffentlich ohne die Waffen einsetzen zu müssen, zu einem Kurswechsel oder zur Landung. Die Tarnkappenfähigkeiten spielten damit im Normalfall bei Luftpolizei- und Defensiveinsätzen keine oder nur eine untergeordnete Rolle, sagen Kenner der Materie.
Datenaustausch
Beschafft die Schweiz die F-35 tatsächlich (Parlament und voraussichtlich auch das Volk müssen noch ihren Segen dazu abgeben), lägen die grössten Vorteile wohl im Bereich Kommunikation und Vernetzung. Ein Kenner vergleicht das etwas salopp mit einem Sprung vom iPhone 6 zum iPhone 12. Daten aufspüren, erkennen, verarbeiten und weiterleiten in Verbindung mit einer fortschrittlichen Sensorik – hier liegen die Vorteile des neuen Jets.
Skeptiker weisen darauf hin, dass diese Fähigkeiten nur dann voll ausgespielt werden können, wenn grosse Kampfverbände von zwölf oder zwanzig und mehr Jets in der Luft sind und alle gleichzeitig über dieselben Informationen verfügen müssen. Fliegen Schweizer in Zweierpatrouillen, kann das System gar nicht voll ausgenutzt werden.
F-35 sind Datenkraken, die auch im Zusammenspiel mit Polizei und Zoll eine Rolle bei Fahndungen und dem Erstellen von Lagebildern spielen können.
Welche Gegenleistungen verlangen die USA?
Die Schweizer Luftwaffe will ihre bisherige Erfahrung mit den USA im Ausbildungsbereich weiterführen. Die Schweizer Piloten konnten schon bisher voll bezahlte Ausbildungskurse von mehreren Wochen in Florida absolvieren. Mit der F-35 dürfte die Ausbildung zu grossen Teilen wohl in Texas erfolgen. Die Frage dabei ist, wie viele der Schweizer Jets dazu in den USA stationiert sein müssen. Holland beispielsweise musste die ersten acht gekauften F-35 in den USA stationiert lassen, um darauf die eigenen Piloten ausbilden zu können. Der erste Jet in Holland landete 2019 und damit drei Jahre nach der Indienststellung der ersten acht niederländischen F-35 in den USA.
Profitieren kann die Schweiz mit der F-35 von der grossen Erfahrung der amerikanischen Luftstreitkräfte in unzähligen Kriegen, an denen diese beteiligt waren. Die Amerikaner verkaufen ihre F-35 zudem nicht jeder Nation, die diese will. Die Frage ist: Was verlangen die USA dafür im Gegenzug? Gehören dazu Überflugsrechte im Konfliktfall, etwa von den US-Luftwaffenbasen in Deutschland? Wäre dem so, dann würde sich in der Schweiz die Frage nach der Neutralität stellen.
Klar ist auch, dass die Schweiz nicht auf der bisherigen Flugplatz-Infrastruktur basieren kann. Die USA verlangen für die F-35 deutlich erhöhte Sicherheitsstandards. Die Investitionen dazu bedingten in Belgien, Holland und Dänemark Investitionen von mehreren Hundert Millionen Franken (zum Artikel).
Benjamin Gafner ist seit dem Jahr 2000 Bundeshausredaktor. Schwerpunkte seiner Berichterstattung betreffen sicherheits- und migrationspolitische Themen.
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