

Janine Hosp
Auch Fleischesser würden vegan essen, wenn sie könnten.
Ja
Der Aufschrei war so gross, als würden ganze Belegschaften bis zur Pensionierung mit Sojamilch und Dinkelburgern zwangsernährt. Als würden sämtliche Kantinen des Landes zur verbotenen Zone für Schweinsbratwürste und Kalbsköpfe. Und als dürften sie künftig nur noch barfuss oder mit Bastschuhen betreten werden.
Dabei will der Verein Sentience Politics einzig, dass Berner und Basler Beamte die Wahl haben. Sie sollen künftig wählen können, ob sie nur noch das essen, was der Boden ohne tierische Mithilfe hergibt, oder ob sie weiterhin jeden Tag Fleisch satt auf ihre Teller laden wollen.
Viele entscheiden sich für Fleisch. Die wenigsten tun dies aber, weil sie glauben, dass es ohne nicht geht, sondern weil heute vegetarische Menüs oft keine Alternative sind. Da werden zu Frühlingsbeginn Makkaroni-Aufläufe, Spätzlipfannen oder Toast Hawaii, mit Raclettekäse überbacken, angeboten. Wer ausser fest entschlossenen Vegetariern möchte da zulangen?
Vegane Köche hingegen können nicht einfach den Schinken vom Toast Hawaii nehmen und fertig ist das Essen. Ihre Pioniere mussten tüfteln, kosten, kombinieren, wieder probieren, wie sie Fleisch, Milch, Käse oder Eier ersetzen. So hat die vegane Bewegung in den letzten Jahren eine äusserst findige und inspirierte Küche geschaffen – und eine äusserst delikate dazu. Der beste Heidelbeer-«Cheesecake» aller Zeiten ist vegan: Fein gemahlene Cashewnüsse machen den Käse und lassen das satte beerige Aroma voll durchschlagen. Ein Traum!
Selbst überzeugte Karnivoren würden zugreifen – aus freien Stücken, ganz ohne Zwang. Wenn sie es nur schon ein Mal pro Woche täten, würden sie vielen Tieren den Gang ins Schlachthaus ersparen und vereint die Umwelt schonen. Aber dafür müssen sie erst die Wahl haben, die Wahl zwischen Pflanze und Fleisch.

Daniel Böniger
Veganer werden in der Gastronomie zu ernst genommen.
Nein
Das Thema Veganismus schlägt hohe Wellen. Die Buchhandlungen sind voll mit entsprechenden Rezeptsammlungen, die Gastronomie macht vielerorts mit. Eigentlich erstaunlich – wir sprechen von 0,3 Prozent der Bevölkerung, die konsequent vegan leben.
Dass nun Sentience Politics in Bern und Basel zwei Volksinitiativen zum Thema lanciert, ist selbstbewusst. Gefordert wird von der Gruppe, dass in städtischen Kantinen täglich ein veganes Menü angeboten wird, sofern mehr als ein Gericht zur Auswahl steht (Beitrag von Mittwoch).
Denken wir die Sache mal zu Ende. Es müsste in Restaurants landauf, landab viel in Bewegung geraten, wenn auch andere Interessengruppen Forderungen stellen würden: warum kein glutenfreier Mittagsteller? Oder ein Menü für all die anderen Allergiker? Rund 20 Prozent der Menschen haben eine Form von Laktoseintoleranz. Immerhin hätten Letztere die Möglichkeit, ein veganes Menü zu bestellen, weil dort garantiert keine Milch drin ist. Eine Frage der Zeit, bis die Veganer dieses «Kundensegment» vor ihren Karren spannen, analog zu den Vegetariern, die mit den sogenannten Flexitariern argumentieren.
Zugegeben, wir alle waren schon einmal in der Minderheit – und jeder von uns war froh, wenn er dennoch ernst genommen wurde. Schon Kant hat sinngemäss erklärt, wie viel Freiheit der Einzelne beanspruchen kann: so viel, dass diejenige des anderen nicht tangiert wird. In diesem Sinne ist es toll, wenn freiwillig vermehrt vegane Gerichte angeboten werden. Weniger toll ist es jedoch, wenn ich Lust auf Fleisch habe und in der Kantine nicht mehr zwischen Poulet-Curry und Rindsbraten wählen kann – sondern Huhn bestellen muss, weil ein Gesetz einen Tofu-Pilz-Eintopf als Menü 2 vorschreibt.
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Brauchts ein Pflichtprogramm für Veganer?
Zwei Volksinitiativen fordern, dass in Kantinen mindestens ein Menü auf der Karte ohne tierische Produkte auskommen muss.