
Ein Ehepaar am Küchentisch
Sie: Also…
Er: Ja?
Sie: Können wir ganz ruhig darüber sprechen?
Er: Ich bin ganz ruhig.
Sie: Okay. Also… Ich glaube, es ist Zeit, dass wir es den Kindern sagen.
Er: Nein.
Sie: Doch, sie spüren, dass etwas nicht stimmt. Wir sind nicht mehr lustig und glücklich. Sie sollten jetzt endlich wissen, dass wir getrennt sind.
Er: Lass uns noch warten.
Sie: Nein, der Zustand ist nicht mehr zum Aushalten.
Er: Ich sage, nein.
Sie: Doch, es braucht für alle klare Verhältnisse. Für die Kinder, für uns. Wir sind nun mal getrennt, und deswegen möchte ich auch die Scheidung.
Er: Die Scheidung?
Sie: Ja.
Er: Niemals.
Sie: Aber wir sind uns doch einig, dass es nicht mehr geht zusammen.
Er: Trotzdem.
Sie: Wenn ich mich scheiden lassen möchte, dann kann ich das.
Er: Kannst du?
Sie: Ja, wir leben nicht mehr in den 50er-Jahren. Ich kann das selbst entscheiden.
Er: Du glaubst also, du kannst das?
Sie: Ja.
Er: Wovon willst du denn leben nach der Scheidung? Du hast doch dein Leben lang nie Geld verdient.
Sie: Weil ich auf die Kinder aufgepasst habe.
Er: Eben, du hast kein Geld.
Sie: Ja, deswegen würde ich ja auch Unterhalt von dir bekommen.
Er: Vergiss es.
Sie: Wir hatten uns auf das klassische Familienmodell geeinigt, ich mache Haushalt und Kinder, du kannst dafür voll als Anwalt arbeiten. Das hatten wir gemeinsam entschieden, also bekomme ich nach der Scheidung Unterhalt.
Er: Das ist vorbei.
Sie: Wie vorbei?
Er: Das Bundesgericht hat gerade in mehreren Urteilen beschlossen, dass Mütter nicht mehr automatisch das Recht auf Unterhalt haben.
Sie: Was?
Er: Tja, die Richter wollen die Gleichberechtigung durchsetzen.
Sie: Welche Gleichberechtigung jetzt?
Er: Du als Frau kannst genauso arbeiten wie ich, also brauchst du keinen Unterhalt.
Sie: Ich kann eben nicht so arbeiten wie du. Mir fehlen etliche Berufsjahre, weil ich dir jahrelang den Rücken gedeckt habe.
Er: Tja, selber schuld, ihr Frauen wolltet doch unbedingt die Gleichberechtigung.
Sie: Wenn sich ein Paar entscheidet, Kinderbetreuung und Arbeit aufzuteilen, dann sollte derjenige, der auf die Kinder aufpasst, nach einer Scheidung überleben können, ganz egal, ob es der Mann oder die Frau ist, die sich um die Kinder kümmert. Das hat nichts mit Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu tun, sondern mit Gerechtigkeit.
Er: Ganz egal, womit es zu tun hat, die Richter haben so entschieden.
Sie: Was sollen denn das für Richter sein? Gab es auch eine Richterin?
Er: Nein, es waren fünf Männer von SVP, FDP und Mitte.
Sie: SVP, FDP und Mitte? Ausgerechnet diejenigen, die günstige Kitas und Elternurlaub verhindern wollen, argumentieren mit Gleichberechtigung?
Er: Ja, manchmal sind die Bürgerlichen eben ganz fortschrittlich…
Sie: Fortschrittlich, wenn es darum geht, Frauen zu benachteiligen?
Er: Das Urteil richtet sich ja auch gegen Hausmänner.
Sie: Die Richter wissen genau, dass es viel, viel mehr Hausfrauen als Hausmänner gibt. Seit Jahren erschweren sie es den Frauen, nach der Geburt arbeiten zu gehen. Und jetzt benachteiligen sie ebendiese Hausfrauen?
Er: Du wirst nicht benachteiligt. Du musst dich nur nach der Scheidung selbst finanzieren – genauso wie ich.
Sie: Aber ich habe ja nichts. Ich habe nichts verdient, ich konnte nichts ansparen…
Er: Also, wie sieht es jetzt aus? Willst du dich immer noch scheiden lassen oder nicht?
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Kolumne von Laura de Weck – Bürgerliche Richter diskriminieren Hausfrauen
Gleichberechtigung ist nicht immer gerecht. Das gilt seit kurzem insbesondere bei Scheidungen.