Bürgerliche starten Grossangriff auf Hilfsgelder
Weniger Budget, aber mehr Geld für Krisengebiete: So will die SVP die Entwicklungshilfe umbauen.

Es tönt wie eine Drohung: «Die Deza muss sich warm anziehen», sagt SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Gemeint ist die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit. Glarner will dafür sorgen, dass die SVP im Wahljahr 2019 den Fokus auf die Entwicklungshilfe des Bundes richtet. Und der Anfang ist bereits gemacht. Die Parteispitze stimmte gestern an der Bad-Horn-Tagung dem Plan zu, 1 Milliarde Franken aus der Entwicklungs- und Asylhilfe in die AHV verschieben zu wollen. Die SVP prüft sogar, eine entsprechende Volksinitiative zu lancieren. Bei der Entwicklungshilfe geht es aber um mehr als Kürzungen, die SVP will tiefer graben.
Laut Glarner, der bei der SVP für das Asyl- und Migrationsdossier zuständig ist, müssen die Deza-Projekte durchleuchtet werden, und wo nötig soll die SVP Streichungen verlangen. Abgesehen hat es die Partei etwa auf Kulturprojekte, dafür gibt die Deza jährlich 4 bis 6 Millionen aus. Davon profitieren Marionettenspieler und Maler in Tansania, Theaterleute in Mali und Usbekistan oder junge Künstler in Moldawien. Dort sprach die Deza 25 000 Franken für einen Auftritt von Talenten mit dem Philharmonieorchester. «Mit Entwicklungshilfe hat das nichts zu tun», sagt Glarner. «Es kann nicht sein, dass gleichzeitig in Burkina Faso Kinder verhungern.»
Syrienhilfe macht 1 Prozent des Deza-Budgets aus
In der SVP möchte man die Gelder anders verteilen. «Wir können nicht die ganze Welt retten», sagt Glarner. «Dort, wo die Hilfe am nötigsten ist, machen wir am wenigsten.» In den Jemen, wo ein grausamer Krieg tobt, floss letztes Jahr mit 15 Millionen Franken ein vergleichsweise kleiner Betrag. Beim Syrienkonflikt streicht das Aussendepartement (EDA) heraus, dass seit Beginn des Kriegs 376 Millionen gesprochen wurden. Im abgelaufenen Jahr belief sich die humanitäre Hilfe aber nur auf 29 Millionen. Das entspricht gerade einmal rund 1,5 Prozent des jährlichen Deza-Gesamtbudgets von rund 2 Milliarden.
Auffällig oft kommen SVP-Politiker auch auf angebliche Spesenexzesse zu sprechen, ohne dafür Beweise vorzulegen. Es geht um Reisen von Deza-Leuten an Konferenzen mit Übernachtungen in Fünfsternhotels. «Wenn möglich sollten wir die Finanzkontrolle auf die Deza ansetzen», sagt Glarner.
«Die Schweiz muss ihre Entwicklungshilfe grundlegend ändern.»
Damit ist der Kampf um die Entwicklungshilfe-Milliarden lanciert. Aussenminister Ignazio Cassis bereitet momentan das nächste Vierjahresbudget vor, im Frühling startet die Vernehmlassung. Er teilte bereits mit, er wolle die Beiträge nicht kürzen – aber umverteilen. Statt nach Lateinamerika oder Ostasien sollen mehr Mittel nach Afrika und in den Nahen Osten fliessen. Doch nicht nur die SVP ruft laut nach einem Umbau – FDP und CVP ziehen mit.
«Die Schweiz muss ihre Entwicklungshilfe grundlegend ändern», sagt FDP-Ständerat Philipp Müller. Er spricht sich für eine Reduktion der Ausgaben aus und verweist dabei auf den kenianischen Ökonomen James Shikwati. Laut Shikwati seien in den letzten 50 Jahren mehr als eine Billion US-Dollar an Entwicklungshilfe nach Afrika geflossen und hätten kaum etwas erreicht. «Wenn es nach ihm geht, kann sich der Westen die Gelder sparen, weil sie in Afrika jede Eigenverantwortung der Menschen im Keim ersticken», sagt Müller. Er fordert daher eine Fokussierung der Entwicklungshilfe. «Am besten ist, wenn sich die Schweiz nur noch auf die Länder konzentriert, in denen sie auch etwas bewirken kann.» Gemäss Müller sollte man den verstorbenen Arzt Beat Richner zum Vorbild nehmen, der in Kambodscha Kinderspitäler baute.
CVP-Nationalrätin wünscht sich «Seidenstrasse der Schweiz»
Selbst die CVP sieht Handlungsbedarf. «Es braucht eine Reform der Entwicklungshilfe, um die Akzeptanz in der Schweizer Bevölkerung aufrechtzuerhalten», sagt Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter. Per Motion lancierte sie kürzlich einen Kompromissvorschlag: Die Entwicklungshilfe soll zwar nicht gekürzt, aber künftig schwerpunktmässig auf Regionen ausgerichtet werden, aus welchen Migrationsströme zu erwarten sind. Zudem will Schneider-Schneiter den Privatsektor stärker einbeziehen. «Mir schwebt eine Seidenstrasse der Schweiz vor.» Schweizer Unternehmen sollen dazu gebracht werden, vermehrt in fragilen Staaten zu investieren. Dazu soll der Bund die Rahmenbedingungen verbessern. Das Vorbild ist China, das mit Milliardeninvestitionen die Entwicklung entlang der Seidenstrasse vorantreibt.
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