Buh-Rufe für Barroso auf Lampedusa
Der Chef der EU-Kommission besuchte den Ort der Flüchtlingstragödie. Die Einwohner zeigten sich erbost. Im Meer vor der italienischen Insel werden derweil noch immer Tote geborgen.
Mit Buh-Rufen sind EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und Italiens Regierungschef Enrico Letta heute auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa empfangen worden. Menschenrechtler und Einwohner riefen «Schande!» und «Mörder!» und schwenkten Fotos von Flüchtlingen. Auch auf dem Weg zum Hafen von Lampedusa wurde der Politiker-Konvoi von Beschimpfungen begleitet.
Barroso und Letta wollten sich persönlich ein Bild von der Lage auf der italienischen Insel machen. Begleitet wurden sie von EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström und dem italienischen Innenminister Angelino Alfano. Im Hafen von Lampedusa gedachten sie der Todesopfer.
Geplant waren zudem Treffen mit Mitarbeitern der Küstenwache, Flüchtlingen, Vertretern von Hilfsorganisationen und Lokalpolitikern. Dutzende Insulaner forderten, die Politiker sollten das überfüllte Aufnahmezentrum von Lampedusa besuchen, um sich ein Bild von der prekären Lage der Migranten zu machen. Dem Aufruf folgten die Europa-Politiker dann auch – sie nahmen einen kurzen Besuch noch in ihr Programm auf.
Offenere Haltung gefordert
Die EU-Spitze und Italiens Regierungschef riefen zu einer offeneren Haltung Europas in der Flüchtlingspolitik auf. «Der Notstand Lampedusas ist ein europäischer, Europa kann sich da nicht abwenden», verlangte Barroso. Europas Politik der geschlossenen Türen habe ihre Grenzen erreicht, erklärte die EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström in Lampedusa: «Wir müssen hin zu Offenheit und Solidarität, zu geteilter Verantwortung und zu einer wirklich europäischen Antwort.»
Bei dem Flüchtlingsdrama vor Lampedusa waren in der vergangenen Woche Hunderte Menschen ums Leben gekommen: Bis Mittwoch wurden 290 Schiffsinsassen tot geborgen, die gesamthafte Opferzahl wird auf bis zu 390 geschätzt.
Auch Letta nannte die Katastrophe von Lampedusa ein «europäisches Drama». Rom werde das Flüchtlingsproblem zu einem zentralen Anliegen machen und die EU um Hilfe bitten. Die Flüchtlingsfrage solle auf dem EU-Gipfel am 24./25. Oktober behandelt werden. Für die Opfer des Schiffbruchs werde es ein Staatsbegräbnis geben, kündigte Letta an. Italien entschuldige sich dafür, nur unzulänglich auf eine solche Tragödie vorbereitet gewesen zu sein. Man werde über den Straftatbestand der illegalen Einwanderung diskutierten, erklärte der italienische Regierungschef weiter. Illegale Einwanderer werden in Italien im Regelfall sofort abgeschoben.
Mehr Geld für Italien
Barroso kündigte seinerseits weitere 30 Millionen Euro aus Brüssel an, um Italien dabei zu unterstützen, den derzeit starken Flüchtlingsansturm zu bewältigen. Vor allem soll die Ausstattung des Aufnahmezentrums auf der Insel verbessert werden. Rom will 190 Millionen Euro ausgeben, um den Flüchtlingsstrom zu meistern.
Er werde nie das Bild der Hunderten Särge in Lampedusa nach der Katastrophe vom vergangenen Donnerstag vergessen, sagte Barroso. Es müsse denen Hoffnung gegeben werden, die vor Krieg fliehen müssten, doch auch die Kooperation der Herkunftsländer sei dabei notwendig.
Angesichts des starken Flüchtlingsstroms vor allem aus Afrika fühlt sich Italien von seinen europäischen Partnern alleine gelassen. Die EU-Innenminister hatten sich bei ihrem Treffen diese Woche in Luxemburg zu keiner umfassenden Änderung ihrer Asylpolitik durchringen können.
SDA/rbi/ami
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch