Mutmasslicher GeheimnisverratBundesanwaltschaft trifft Abklärungen zu Roger Köppel
Die Strafverfolger untersuchen Äusserungen des SVP-Nationalrats zu russischen Repressalien aus einem vertraulichen Bericht. Auch im Bundeshaus muss er sich rechtfertigen.

Auf «Weltwoche Daily» gibt es täglich eine Mischung aus Werbung für das Wochenblatt und Einschätzungen der Lage der Nation und der Welt zu sehen. Wobei manchmal Verleger Köppel spricht und manchmal SVP-Nationalrat Köppel und manchmal beide. Die wenig praktizierte Rollentrennung könnte für den Journalist-Politiker jetzt zum Problem werden.
Die Bundesanwaltschaft trifft Abklärungen, ob Äusserungen Roger Köppels auf seinem Videokanal von vergangener Woche strafrechtlich relevant sind. Dies erklärt die Strafverfolgungsbehörde auf Anfrage. Konkret geht es darum, ob Köppel und allenfalls andere Personen Geheimhaltungsvorschriften verletzt haben.
Köppel, einer der Schweizer Parlamentarier mit dem grössten Verständnis für Russland und Kriegsherr Wladimir Putin, hatte sich auf «Weltwoche Daily» wiederholt über die Schweizer Sanktionen gegen russische Exponenten und Interessen empört. Vergangene Woche sprach er über eine «Retourkutsche» im «Wirtschaftskrieg» gegen Russland, an dem sich die Schweiz «neutralitätsbrechend» beteilige. Ehe er sich mehr über die Schweiz als über Putins Regime ausliess, zitierte Köppel offensichtlich aus einem Papier.
«Am 22. März dieses Jahres hat der russische Geheimdienst FSB, Nachfolgeorganisation des KGB, die Räumlichkeiten der lokalen Tochterfirma der Schweizer Audemars Piguet in Moskau durchsucht und Uhren im Wert von mehreren Millionen Schweizer Franken wegen angeblicher Zollvergehen beschlagnahmt», las Köppel. «Dabei handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine willkürliche Repressionsmassnahme als Reaktion auf die Sanktionen.»
Die Zwangsschliessung des Geschäfts des Luxusuhren-Herstellers in Russland gab danach viel zu reden – und ebenso die mutmassliche Verletzung des Kommissionsgeheimnisses oder anderer Bestimmungen durch Köppel. Denn gemäss «Blick» stammt die vorgelesene Passage «wortwörtlich» aus einer als «vertraulich» gekennzeichneten Informationsnotiz des Aussendepartements EDA. Die Mitglieder der Aussenpolitischen Kommission (APK) bekommen momentan fast täglich Lageberichte zum Ukraine-Krieg und zu dessen Folgen zugestellt. In einer Stellungnahme bestritt Köppel gemäss «Blick» eine Geheimnisverletzung, ohne dies weiter auszuführen.
Köppel kann sich rechtfertigen
Die Bundesanwaltschaft betont die Unschuldsvermutung. Sie hat bis dato kein Strafverfahren eröffnet, trifft aber «in diesem Zusammenhang die nötigen Abklärungen, ob eine strafrechtliche Relevanz vorliegt». Dabei konzentriert sie sich nicht nur auf Köppel, sondern auch auf «offenbar drei weitere Quellen», auf welche sich die «NZZ am Sonntag» in ihrem Text über den russischen Schlag gegen Audemars Piguet berief.

Medien berichten oft in dieser Art – ohne Namensnennung und mit Quellenschutz – über Geheimes. Eher ungewöhnlich ist es aber, wenn ein Parlamentarier vor laufender Kamera Vertrauliches preisgibt – oder gar vorliest. Nun befasst sich als Erstes die APK damit, wie Köppels Verhalten zu bewerten ist «Die Angelegenheit ist für unsere Sitzung von Anfang kommender Woche traktandiert», sagt Franz Grüter, der Präsident der nationalrätlichen Kommission. «Bislang liegen keine Anträge für disziplinarische Massnahmen oder eine Strafanzeige vor.»
Thomas Knellwolf ist Bundeshaus-Korrespondent, mit Schwerpunkt Justiz und Nachrichtendienst. Bei Tamedia hat er den Recherchedesk mitaufgebaut und geleitet. Er ist Autor mehrerer Sachbücher. Kontakt über Threema 3KVB3FET oder E-Mail thomas.knellwolf@tamedia.ch
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