Bundesrat will eine «Krankenkassen-Finma»
Mit einem neuen Gesetz möchte der Bundesrat die Aufsicht über die Krankenversicherer neu regeln – und ausbauen. Die Idee wird grundsätzlich begrüsst. Die Beaufsichtigten gehen aber auf die Barrikaden.

Nach der Idee des Bundesrates soll eine eigenständige und von der Verwaltung unabhängige Behörde nach dem Vorbild der Finanzmarktaufsicht (Finma) die Aufsicht über die Krankenkassen sicherstellen. Derzeit ist dies die Aufgabe des Bundesamtes für Gesundheit (BAG).
Der Krankenkassendachverband santésuisse lehnt in der Vernehmlassung die Schaffung einer Aufsichtsbehörde (SASO) «entschieden ab», wie er mitteilte. Andere Behörden erledigten diese Aufgabe bereits. Zudem «käme eine Finanzierung dieses Aufsichtsorgans durch Prämienzahler keinesfalls in Frage».
«Wirkungsvolle Sanktionsmöglichkeiten sind wichtig»
Bei der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK), der FDP und der CVP findet dieser Vorschlag Gehör. «Angesichts der jährlich wachsenden Prämienlast ist es wichtig, eine starke Aufsicht mit wirkungsvollen Sanktionsmöglichkeiten zu haben», schreibt die CVP.
Der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) lehnt eine solche Behörde «kategorisch ab». Sie wäre sicher teurer, ob aber auch besser, «ist fraglich». Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), Travail.Suisse, die SP, die Grünen und die Ärzteverbindung FMH zeigen sich skeptisch bis ablehnend.
Aus ihrer Sicht geht der ausgelagerten Behörde die demokratische Legitimation ab. Zudem könnte der politische Einfluss auf die Aufsicht verloren gehen.
Befürchtete Prämienerhöhung
Finanziert würde die SASO durch die Krankenkassen und Rückversicherer. Die Prämien würden gemäss Bericht des Bundesrates «mit weniger als einem Promille» belastet. Diese Annahme wird weit verbreitet bezweifelt.
Vielmehr sollte die neue Behörde vom Bund finanziert werden, fordern die GDK und die SP. «Dies gewährleistet auch die moralische Unabhängigkeit der Behörden von den zu beaufsichtigenden Institutionen», schreibt die GDK.
Sollten aber die Aufsichtsaufgaben tatsächlich über Prämien finanziert werden, so fordert der sgv «entsprechende Budgetkürzungen beim BAG». Für die FDP dürfen durch die Massnahmen weder Kosten noch Bürokratie steigen, und die Versicherten sollen nicht zusätzlich belastet werden.
«Too big to fail» auch bei den Krankenkassen
Chancenlos ist ein Gesetzesartikel zur Sicherung des Krankenversicherungssystems im Krisenfall: Sollte eine systemrelevante Krankenkasse Konkurs gehen, will der Bundesrat das Recht haben, in Eigenregie «die gesetzlichen Leistungen gemäss KVG einzuschränken oder zu streichen, die Tarife zu senken und die Kostenbeteiligung der Versicherten zu erhöhen».
Der SGB, Travail.Suisse, die SP, die Grünen, KV Schweiz, der sgv und auch die Gesundheitsdirektoren fordern allesamt die ersatzlose Streichung dieses Artikels 43 KVAG. Für santésuisse gehört der Artikel - «wenn überhaupt» - ins Krankenversicherungsgesetz.
Unternehmensfreiheit eingeschränkt
Zahlreiche Vernehmlassungsteilnehmer kritisieren die «regulatorischen Eingriffe», «interventionistischen Bestimmungen» und «ordnungspolitischen Verfehlungen». Santésuisse, CVP, SVP und auch der sgv sind überzeugt, dass sich wichtige Änderungen im KVG lösen liessen.
Ein Dorn im Auge ist unter anderem die Bestimmung, wonach nur noch Aktiengesellschaften und Genossenschaften als Versicherer zugelassen werden. «Die Rechtsform allein schafft nicht mehr Sicherheit», kritisiert der sgv. Mehr als die Hälfte der heutigen Krankenversicherer sei als Verein oder Stiftung organisiert. Die Rechtsform zu ändern, löse unnötige Mehrkosten aus.
Derselben Meinung ist die CVP, die ausserdem bei den vorgesehenen Werbeverboten oder -einschränkungen einen Eingriff in die Geschäftsautonomie fürchtet.
Beinahe unumstritten ist die Berechnung der Mindestreserven. Diese sollen nicht mehr nach der Anzahl der Versicherten berechnet werden, sondern nach den vom Versicherer eingegangenen Risiken. Damit wird die risikobasierte Reserveberechnung, die bereits Mitte 2011 auf dem Verordnungsweg in Kraft tritt, gesetzlich verankert.
SVP: «Vollkommen verfehlt»
Die SVP lehnt das Gesetz als «vollkommen verfehlt» ab. «Faktisch wird hier ein Schritt in Richtung staatlicher Krankenversicherung oder Einheitskasse getan», warnt sie. Während der sgv das neue Gesetz ebenfalls vehement ablehnt, ist santésuisse bereit, es «im Sinne eines 'Ja, aber' mitzutragen», auch wenn ein neues Gesetz nicht notwendig wäre.
SDA/pbe
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