Cannabis-Besitz für Junge: Justiz ist sich völlig uneinig
Dürfen Jugendliche eine geringe Menge Cannabis zum Eigenkonsum besitzen? Ja, sagt das Zürcher Obergericht. Nein, sagt die Jugendanwaltschaft.

Die Situation ist einigermassen absurd: Eine Person raucht eine geringe Menge Cannabis. Dafür kassiert sie eine Busse. Eine neben ihr sitzende Person hat die gleiche geringe Menge Cannabis in der Tasche, vorgesehen für den späteren Eigenkonsum. Diese Person geht straffrei aus. Denn laut Betäubungsmittelgesetz ist der Besitz von weniger als 10 Gramm Cannabis eine sogenannte straflose Vorbereitungshandlung.
Bei den Zürcher Polizeien fand die am 1. Oktober 2013 erfolgte Anpassung des Gesetzes keinen Niederschlag. Sie verzeigten weiterhin nicht nur Konsumenten, sondern auch Cannabisbesitzer. Auch ein Bundesgerichtsurteil, das die Rechtslage klärte, änderte ihre Praxis vorerst nicht. Erst als die Stadtrichterämter von Zürich und Winterthur im Frühherbst 2017 ankündigten, sie würden die Verzeigungen der Polizei wegen Cannabisbesitzes nicht mehr an die Hand nehmen, entschieden die Polizeien, die Verzeigungspraxis werde «bis auf weiteres eingestellt».
In einer Hinsicht aber blieben die Oberjugendanwaltschaft, die Stadtrichterämter, die Statthalter-Konferenz und die Vertreter der Polizeien bei ihrer Haltung: Der Verzicht auf eine Verzeigung wegen Cannabisbesitz gelte nur für Erwachsene. Jugendliche würden auch für den Besitz von weniger als 10 Gramm Cannabis weiterhin bestraft.
Bundesgericht soll entscheiden
Das bekam Anfang Januar letzten Jahres ein noch nicht ganz 16-Jähriger zu spüren. Die Stadtpolizei Winterthur fand in seinen Effekten 1,4 Gramm Marihuana, das für den Eigenkonsum bestimmt war. Den Strafbefehl in Form eines Verweises focht der Jugendliche an. Und er bekam recht. Sowohl das Bezirksgericht Winterthur als auch das Obergericht sprachen ihn frei. Der Besitz von weniger als 10 Gramm sei «nicht strafbar».
Das Argument der Oberjugendanwaltschaft, wonach die im Gesetz erwähnte Straflosigkeit nur für Erwachsene gelte, ziele «ins Leere», meint das Obergericht. Das Gesetz sehe keine anderslautende Bestimmung für Jugendliche vor.
Die Oberjugendanwaltschaft ist weiterhin anderer Ansicht. Sie zieht den Freispruch ans Bundesgericht weiter. Die gesetzliche Grundlage sei «unklar». Deshalb brauche es einen Grundsatzentscheid. Bis dieser Entscheid vorliegt, wird die Polizei jugendliche Cannabisbesitzer weiterhin verzeigen. Die Jugendanwaltschaften werden die Anzeigen aber liegen lassen, bis das Urteil aus Lausanne Klarheit geschaffen hat.
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