Casinos machen einen Abgang
Das neue Geldspielgesetz spaltet die Wirtschaft. Nun ist der Casinoverband, der das Gesetz unbedingt will, bei Economiesuisse ausgetreten.

Das Geldspielgesetz ist ein Spaltpilz. Die Vorlage, die am 10. Juni an die Urne kommt, entzweit neben SVP und FDP auch die Wirtschaft. Die betroffene Branche setzt sich vehement für das Gesetz ein, das den 21 Schweizer Casinos endlich Zugang zum Internetgeschäft verschaffen würde. Economiesuisse hingegen, der einflussreiche Dachverband der Wirtschaft, bekämpft das Gesetz wegen der geplanten Netzsperren gegen Anbieter von Onlinegeldspielen, die keine Bewilligung haben.
Der Widerstand fällt ihm umso leichter, als er keine Rücksicht mehr auf die Casinos nehmen muss. Denn der Casinoverband ist nicht mehr Mitglied bei Economiesuisse. Laut dem letzten «Jahrbuch» des Dachverbands, das im August 2017 veröffentlicht wurde, waren die Spielbanken damals noch an Bord. Der Entscheid zum Austritt fiel laut dem Casinoverband jedoch bereits 2016. Ist das Geldspielgesetz der Grund für den Abgang? «Nein», sagt Marc Friedrich, Geschäftsführer des Casinoverbands. Es gebe keinen Zusammenhang mit dem Gesetz. «Wir haben uns schon längere Zeit überlegt, diese Mitgliedschaft zu kündigen.» Die Gründe nennt Friedrich nicht. Der Verband kommentiere dies nicht.
2014 herrschte noch Einigkeit
Zeitlich passt der Austritt jedenfalls ins Bild. Als die Diskussionen um das neue Gesetz anfingen, hatten die Chefs der Casinos noch keinen Grund, sich über Economiesuisse zu beschweren. Das war 2014. Damals gab der Dachverband in der Vernehmlassung nur eine kurze Stellungnahme ab, in der er die Anliegen der Casinos unterstützte. Die Netzsperren waren zwar schon Teil der Vorlage, kamen in der Stellungnahme aber nicht vor. Stattdessen verwies Economiesuisse darin auf die separate Stellungnahme seines «besonders betroffenen Mitglieds», des Casinoverbands.
Der Wind drehte erst, nachdem die Debatte im Parlament begonnen hatte. Der Ständerat stellte sich 2016 mit erdrückender Mehrheit hinter das Gesetz inklusive Netzsperren und lockte damit Economiesuisse hinter dem Busch hervor. Fortan stellte sich der Dachverband klar gegen die Sperren.
Hat Economiesuisse das Thema zuerst unterschätzt oder sich aus Rücksicht auf die Casinos zurückgehalten? Die Antwort fällt diplomatisch aus: «Wir hatten beim Dossier andere Themen im Fokus. Die breite Akzeptanz von Netzsperren im Parlament kam für uns überraschend», sagt Erich Herzog, der beim Dachverband für das Dossier zuständig ist. Wie auch immer, mittlerweile lässt Economiesuisse an Klarheit nichts mehr zu wünschen übrig.
«Weil das Geldspielgesetz an die Urne kommt, ist das Risiko verschärft, dass es ein Präjudiz für weitere Netzsperren ist.»
Dies zeigt ein Dossier zu Netzsperren und «digitaler Abschottung», das der Dachverband heute veröffentlicht. Er schreibt darin von einem «Sündenfall» für eine offene, moderne Volkswirtschaft. Netzsperren seien schlecht für die Netzinfrastruktur und die digitale Wirtschaft. «Was mit der Sperrung von Onlineglücksspielen beginnt, kann schnell zu weiterer Zensur in anderen Bereichen führen.» Das Geldspielgesetz als Präjudiz für Sperren in anderen Branchen, um einheimische Firmen vor der Onlinekonkurrenz zu schützen? Dieses Risiko sei nun noch verschärft, da das Gesetz an die Urne komme, sagt Erich Herzog. Finde es eine Mehrheit, sei zu erwarten, dass Interessengruppen den Ausgang der Abstimmung für sich auslegen und in weiteren Feldern Sperren fordern. Herzog: «Dies gefährdet das freie Internet.»
Im Abstimmungskampf haben die Gegner schon maximal beängstigende Warnungen abgesetzt: Wird zum Schutz der Kleiderhändler Zalando gesperrt? Oder Uber, um die Taxifahrer zu protegieren? Naheliegender ist die Annahme, Netzsperren könnten im Urheberrecht Aufwind erhalten. Der Bund könnte Seiten sperren, die Musik oder Filme zum Herunterladen anbieten. Abwegig ist die These nicht: Der Bundesrat wollte 2015 im Urheberrecht in der Tat «Internetsperren» einführen, wie er sie damals nannte. Erst nach den Rückmeldungen in der Vernehmlassung sah er davon ab. Die Vorlage kommt nun ins Parlament. Economiesuisse und ihre Mitstreiter fürchten, der Ruf der Musikbranche nach Netzsperren werde erhört, wenn das Geldspielgesetz durchkomme.
Die Befürworter winken ab, so auch die Ex-Economiesuisse-Mitglieder vom Casinoverband: Aus ihrer Sicht ist die Angst vor einem Präjudiz unbegründet, da das Geldspiel nicht mit anderen Branchen zu vergleichen sei. Der Verband beruhigt: «Die Internetsperre des Geldspielgesetzes gilt ausschliesslich für die illegalen ausländischen Online-Geldspielanbieter.» Bei einer Ausweitung auf andere Branchen sei stets ein Referendum möglich. Und von Zensur wollen die Casinos erst recht nichts wissen: Der freie Zugang zu Meinungen und Informationen werde nicht tangiert.
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