Filmhighlights der WocheCate Blanchett spielt in «Tár» eine streitbare Dirigentin
In «Reginald the Vampire» fordert ein Versager die Gemeinschaft der Vampire heraus, und «Aftersun» erzählt von denkwürdigen Sommerferien.

Tár
Drama von Todd Field, USA 2023, 159 Min.
«Tár» ist Kraftakt und Kunstwerk, ein hoch erstaunliches Drama. Müsste man ihm eine Triggerwarnung voranstellen, dann vielleicht: «Leute, es ist nicht alles so einfach.» Schon nur den Nachnamen der Dirigentin des Berliner Orchesters, Lydia Tár, kann man zu «rat» oder zu «art» umdrehen, je nachdem.
Und so, wie Cate Blanchett diesen weiblichen Maestro in der Männerwelt spielt, mit dieser gelehrten Eloquenz, mit der sie alle herausfordert und nervt und den Musikstudenten runterputzt, der keine alten weissen Komponisten mehr spielen will – so wird Lydia Tár zu einem ziemlich vielschichtigen Fall in einem sehr genau recherchierten Film (wer Mahlers Fünfte und Caroline Shaw kennt, ist hier richtig).
Tár lebt mit ihrer Konzertmeisterin (Nina Hoss) und der Tochter zusammen, scheint aber öfter mal verstörende Geräusche zu hören. Sie steigert sich in die Kunst hinein und nutzt ihre Macht aus, besonders im Zusammenhang mit jungen Frauen.
Die Dissonanzen werden heftiger, weil sie irgendwann mit Vorwürfen konfrontiert wird, die sie nicht mehr einfach so als Auswüchse jener Geistlosigkeit wegwischen kann, die sie so verabscheut. «Tár» wurde deshalb schon als Cancel-Culture-Drama bezeichnet. Aber wenn hier etwas deutlich ist, dann die Ambivalenz. Regisseur Todd Field erzählt rhythmisch und hält den Pegel konstant hoch, vor allem (aber nicht nur) wegen der in jeder Metronomsekunde wahnsinnig kontrollierten Cate Blanchett. Bis man am Ende völlig baff dasitzt. (blu)
Arthouse Le Paris, Arthouse Piccadilly, Capitol, Riffraff
Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
Coming-of-Age-Drama von Sonja Heiss, D 2023, 116 Min.
Das gleichnamige Buch, das der deutsche Schauspieler Joachim Meyerhoff 2013 vorlegte, basiert auf seiner eigenen Kindheit: Zusammen mit den beiden älteren Brüdern wuchs «Josse» auf dem Gelände der Kinder- und Jugendpsychiatrie Hesterberg in Schleswig-Holstein auf. Sein Vater war deren Direktor.
Meyerhoffs Roman wurde nicht zufällig zum Bestseller. Er besticht durch eine unerschütterliche Liebe zu seinen Figuren und durch die Fähigkeit, das Komische im Tragischen zu sehen und andersherum. Regisseurin Sonja Heiss hat die Poesie des Buchs nun in Bilder übersetzt.
Es ist eine ganz eigene Idylle, in der sich das Leben der Familie Meyerhoff abspielt. Die Frage danach, was eigentlich «normal» ist, stellt sich hier nicht. Josse kämpft mit Tobsuchtsanfällen und findet Trost bei den Patientinnen und Patienten. Der Vater (Devid Striesow) liebt seine Klinik, seine Jungs, aber auch andere Frauen. Die Mutter (Laura Tonke) liebt ihre Familie und bleibt doch allein mit ihren Sehnsüchten.
In seinen besten Momenten erinnert der Film an die Werke von Wes Anderson, weil Heiss liebevoll die Skurrilitäten des Lebens beobachtet und auf Erklärungen verzichtet. Nur gegen Ende scheint es, als wäre die Zeit für die noch zu erzählenden Ereignisse zu knapp geworden, und die Poesie und der Witz des Anfangs gehen verloren. (ish)
Abaton, Capitol
Reginald the Vampire
Comedyserie von Harley Peyton, USA 2022, 10 Folgen
In dieser Serie sind Vampire ein elitärer Haufen: In ihren Reihen akzeptieren sie nur die Schönen und Begabten. Das ist ein Problem für Reginald, denn er ist ein Versager mit Übergewicht, der nur durch eine unglückliche Fügung zum Blutsauger wurde. Für seine neue Existenz hat er keinerlei Talent. Als er etwa versucht, eine Joggerin zu beissen, geht ihm bei der Verfolgung die Luft aus.
Diese Schande für ihre Zunft würden die anderen Vampire am liebsten sofort beseitigen, sie geben Reginald dann aber doch die Möglichkeit, sich in einer Prüfung zu beweisen. All das ist unterhaltsam, auch wenn die Serie – Vorlage ist die Buchreihe «Fat Vampire» – nicht wahnsinnig originell ist.
Dass man dranbleibt, liegt vor allem an Jacob Batalon in der Titelrolle. Den hawaiianischen Schauspieler kennt man als Ned Leeds, Spidermans besten Kumpel im Marvel Cinematic Universe. «Reginald the Vampire» zeigt, dass er problemlos eine Serie als Hauptdarsteller tragen kann. (ggs)
Auf Sky Show
Aftersun
Drama von Charlotte Wells, USA/GB 2022, 101 Min.
Ein Film wie ein Polaroid, das flüchtige Momente einfängt und ihnen allmählich Konturen verleiht: Die erwachsene Protagonistin Sophie (Celia Rowlson-Hall) erinnert sich an jene Sommerferien, die sie als Elfjährige (Frankie Corio) mit ihrem Vater (Paul Mescal) an der türkischen Küste verbrachte, damals unbeschwert und aus nachträglicher Sicht doch voller Abschiedsschmerz.
Die schottische Filmemacherin Charlotte Wells hält in ihrem Spielfilmdebüt flirrende Erinnerungen, Ferienvideos und Familienanekdoten als mühelosen Gedankenstrom in der Schwebe und erzählt einfühlsam vom Glück und Unglück des Erwachsenwerdens. (SZ)
KINOS FOLGEN AM DI 21.2.
Mobile Suit Gundam: Cucuruz Doan’s Island
Animationsfilm von Yoshikazu Yasuhiko, J 2022, 109 Min.
In Japan sind die Serien und Filme der «Gundam»-Reihe seit über vierzig Jahren Kassenschlager. Im Zentrum stehen riesige Kriegsroboter, die von Piloten gesteuert werden.
«Cucuruz Doan’s Island» basiert auf einer Folge aus der Originalserie von 1979. Regisseur Yoshiyuki Tomino war nie richtig zufrieden mit der Episode und hat sie nun einfach in Spielfilmlänge neu gedreht. Es geht um eine Insel bei Gibraltar, um die sich zwei verfeindete Fraktionen streiten – aber ein Roboterpilot, der dort lebt, stellt sich ihnen beiden entgegen. (ggs)
Di 28.2., 20.40 Uhr; Sa 4.3., 13.30 Uhr, Riffraff
Diva
Krimi von Jean-Jacques Beineix, F 1981, 117 Min.
Das Xenix feiert das Cinéma du look: eine Welle französischer Filme der 80er-Jahre, in der Stil über allem steht. «Diva» ist ein frühes Beispiel. Die Handlung um einen jungen Opernfan, der in eine kriminelle Verschwörung verwickelt wird, ist Nebensache. In erster Linie geht es Regisseur Jean-Jacques Beineix um die Bilder und die Musik. Tatsächlich gibt es wenige Filme, die derart schön anzusehen sind. Die Filmwissenschaftlerin Fabienne Liptay wird eine Einführung geben. (ggs)
Do 23.2., 20.15 Uhr, Xenix
Das neue Evangelium
Dokumentarfilm von Milo Rau, CH/D 2020, 107 Min.
Als Milo Rau eine Einladung der italienischen Stadt Matera erhielt, entschied sich der Regisseur, eine eigene Version der Passionsgeschichte zu inszenieren. Denn immerhin werden in der Gegend seit den Sechzigern Bibelfilme gedreht. Als Laiendarsteller dienen ihm die Oberen der Stadt und die Tomatenpflücker aus dem Umland, die meisten davon Flüchtlinge aus Afrika.
Als Jesus besetzte Rau den kamerunischen Aktivisten Yvan Sagnet. Dieser setzt sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen ein und kommt für diese Sondervorstellung nach Zürich. Unter anderem erzählt er von seiner Organisation No Cap. (ggs)
So 26.2., 15 Uhr, Arthouse Piccadilly
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