Den Pop-Coup zum Jahreswechsel hat der brasilianische Pop-Superstar Larissa de Macedo Machado alias Anitta serviert: Der Clip zu ihrer neuen – übrigens grandios angezitterten – Single «Vai Malandra» wurde auf Youtube schon 74 Millionen Mal abgerufen. Auf Spotify ist der Song der erste portugiesischsprachige, der es unter die 20 meistgehörten Songs geschafft hat.
Viel interessanter sind allerdings die Diskussionen um den dazugehörigen Videoclip. Es sind bereits vier verschiedene im Gange, und sie führen mitten hinein in hirnschmelzende Ambivalenz von Pop in Zeiten der Debatten um kulturelle Aneignung, Sexismus, Sexualisierung, Objektivierung, politische Korrektheit und, yep, Gesundheitsvorsorge.
Aber zuerst vielleicht eine Zusammenfassung der Ereignisse im Video. Der Clip beginnt mit der Nahaufnahme eines Hinterns, ihres Hinterns. Dann singt und tanzt sich Anitta in einer Favela von Rio de Janeiro sehr selbstbewusst («Vai Malandra» heisst übersetzt so viel wie «Auf gehts, böses Mädchen»), aber in selten viel mehr als einem knappen Bikini durch allerlei improvisierte Planschbecken, umgeben von ähnlich knapp bekleideten Frauen und Männern. Zu sagen, das Video sei leicht sexualisiert und womöglich etwas vulgär, wäre sehr diskret.
Vorwürfe gegen Regisseur
Die erste Diskussion entzündet sich nun am Regisseur: Gedreht hat das Video nicht irgendwer, sondern der amerikanische Fotograf Terry Richardson, der bis vor ein paar Monaten der berühmteste Hipster-Porn-Chic-Fotograf der Welt war, bevor ihm wegen Missbrauchsvorwürfen vonseiten seiner Fotomodelle im Oktober viele Modemagazine die Zusammenarbeit aufkündigten. Ist es nicht verwerflich und unsolidarisch, da als Künstlerin noch mit Richardson zusammenzuarbeiten?
In Brasilien derweil werfen einige schwarze Publizisten der weissen Anitta wegen ihrer Zopffrisur und dem Slumdrehort vor, schwarze Kultur auszubeuten, eine Schwarze zu spielen. Das passt zu einer Zeit, in der solche Rollenspiele nicht mehr als künstlerische Freiheit, sondern als aggressiver Akt der Aneignung verstanden werden. Dass Anitta selber in einem ärmlichen Quartier aufgewachsen ist, hilft wenig. Einige schwarze Brasilianerinnen loben die Sängerin allerdings auch dafür, die Sexualität unterprivilegierter Frauen zum Thema zu machen.
Moskitos und Orangenhaut
Ihr selbst wiederum ist etwas anderes wichtig an ihrem Film. Sie weist darauf hin, dass sie die Cellulite, die im Video an ihren Beinen zu sehen ist, nicht wie üblich retuschieren liess: «Die echte Frau hat Cellulite.» Nicht wenige feiern sie deshalb als feministische Ikone.
Und dann ist da noch das Gesundheitsamt von Rio, das mit Verweis auf den Clip in einem Tweet wissen liess: Stehende Gewässer seien Brutstätten für von Moskitos übertragene Krankheiten. Bitte nicht nachstellen, diesen Film.
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Cellulite als Statement
Das Video der brasilianischen Sängerin Anitta gibt zu reden.