China stellt Rotlicht-Sünder an den Pranger
Gesichtserkennung verändert den Alltag der Chinesen. Sogar WC-Papier gibt es nicht mehr ohne Blick in die Kamera.
In Zhengzhou ist es nicht möglich, unerkannt bei Rot über den Fussgängerstreifen zu gehen. Wer das in der chinesischen Stadt tut, wird mittels Gesichtserkennung registriert. Die Aufnahme wird zusammen mit Name und Adresse des Delinquenten auf Bildschirmen am Strassenrand abgebildet.
Das landesweite Kameranetz der chinesischen Polizei ist nur ein Teil eines Projekts des Polizeiministeriums. Laut der Organisation Human Rights Watch werden sämtliche Daten über Hunderte Millionen Bürger gesammelt. Künstliche Intelligenz soll Verbrechen aufklären oder gar verhindern.
Billettautomat bedienen leicht gemacht
Erfasst werden demzufolge Krankheitsgeschichten, Essensbestellungen, religiöse Ansichten und welche Webseiten jeder einzelne Bürger aufruft. Mit GPS-Koordinaten wird der Aufenthaltsort aufgezeichnet. Von bislang 40 Millionen Chinesen sind zudem DNA-Proben erfasst. Das Programm werde China helfen, «im Voraus zu wissen, wer ein Terrorist sein und wer Böses im Schild führen könnte», sagte der Vizeminister für Wissenschaft und Technologie im vergangenen Sommer.
Wer am Bahnhof ein Ticket kaufen will, braucht am Automaten bloss in die Kamera zu schauen. Die Gesichtserkennung am Zielort weiss dann, welche Strecke zurückgelegt wurde. Mit derselben Technologie kontrollieren Universitäten die Anwesenheit ihrer Studenten.
Bitte lächeln fürs WC-Papier
WC-Papier kostet Ressourcen und Geld. Verbrauchen Toilettenbenützer zu viel davon, müssen zudem ständig die Putzequipen Nachschub liefern. Und auch die kosten. In Peking wurde das Problem gelöst: Der WC-Papier-Dispenser in einer öffentlichen Toilette im Park des Himmelstempels weiss, wer wie viel Papier braucht.
«Schauen Sie drei Sekunden hierhin», steht auf der Maschine. Hat sie mittels Gesichtserkennung den Benutzer erkannt, gibt sie ihm 60 Zentimeter Papier. Frühestens neun Minuten später bedient sie dieselbe Person wieder. Mit dem milliardenschweren «Toilet Revolution»-Programm werden öffentliche Toiletten landesweit erneuert.
Persönliche Betreuung in der Mall
Auch Einkaufszentren setzen in China auf Gesichtserkennung. Das System von Alibaba AI Labs etwa begrüsst Kunden am Eingang, berichtet die «NZZ». Dabei kenne es bereits die Präferenzen der Besucher und führe sie sachkundig durch die Regale. Die künstliche Intelligenz könne sogar die Stimmung der Kunden erkennen.
Abgerundet wird das Shoppingerlebnis durch bargeldlose Bezahlung, die ebenfalls per Gesichtserkennung erfolgt. «Smile to pay», lächle, um zu bezahlen, nennt der Bezahldienst Alipay das System.
Diskussionen über Datenschutz und Privatsphäre gibt es in China nur vereinzelt. Wenn Auswüchse angeprangert werden, dann kommerzielle, nicht aber staatliche. Kein Wunder: Wer sich im Internet kritisch äussert, wird zensiert.
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Die totale Überwachung: China will bis 2020 über 600 Millionen Kameras mit Gesichtserkennungsfunktion installieren. Video: Reuters/Ryan Neukomm
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