Chinas Warren Buffett verschwindet spurlos
Wo steckt Guo Guangchang? Das ist die derzeit am heftigsten diskutierte Frage in China. Jetzt ranken sich Korruptionsgerüchte um den verschwundenen Unternehmer. Die Märkte sind nervös.

Die Ungewissheit über den Verbleib eines der prominentesten Selfmade-Unternehmer und Milliardäre im Land hat nicht nur den heutigen chinesischen Aktienhandel, sondern darüber hinaus auch die asiatischen Börsen gedämpft. Guo ist Mitbegründer und Präsident der in Shanghai ansässigen Fosun-Gruppe und gebietet damit über den grössten chinesischen Mischkonzern in privatem Besitz.
Wenn Unternehmensführer vom Schlage eines Guo in China abrupt von der Bildfläche verschwinden, nährt dies umgehend Gerüchte, der Betroffene sei Gegenstand von Korruptionsermittlungen geworden. Von Fosun verlautete bislang lediglich, die geschäftlichen Tätigkeiten nähmen ihren normalen Gang. Allerdings sind fünf in China sowie weitere zwei in Hongkong kotierte Fosun-Gesellschaften vom Börsenhandel ausgesetzt worden. Die ersten Berichte über das Verschwinden des 48-jährigen Guo tauchten am Donnerstag in der stark beachteten chinesischen Finanzpublikation «Caixin» auf. Dort hiess es unter Berufung auf verschiedene soziale Medien, der Unternehmer sei auf einem Flughafen in Shanghai in Begleitung von Polizeibeamten gesehen worden.
Jagd auf Unternehmer, Banker und Broker
Die Schlagzeilen über Guo fallen jedenfalls in eine Zeit, in der schon eine Reihe chinesischer Topmanager vornehmlich aus der Finanzindustrie im Zuge von Korruptionsuntersuchungen inhaftiert wurden oder einfach «verschwanden». Guo wäre jedoch der mit Abstand bekannteste Unternehmer, dem dies widerfahren wäre. Bis vor kurzem konzentrierte sich Chinas Feldzug gegen die allgegenwärtige Bestechung und Bestechlichkeit auf Führungsfiguren aus Regierungs-, Partei- und Militärkreisen sowie aus staatlichen Unternehmen.
Doch seit dem heftigen Kurseinbruch an den chinesischen Aktienmärkten im vergangenen Sommer sind zunehmend auch Privatunternehmer ins Visier der Ermittler geraten. Die Rede ist von Dutzenden verhafteter Fondsmanager, Banker und Broker. Einzelne Beobachter sehen gar einen Zusammenhang zwischen dem harten Durchgreifen der Behörden und der sich abschwächenden chinesischen Wirtschaft. Vor lauter Angst, später in Korruptionsuntersuchungen zu geraten, würden lokale Regierungsvertreter und Banken davor zurückschrecken, neue Projekte auf den Weg zu bringen respektive zu finanzieren.
Guos plötzliches Abtauchen ist aber auch ein mahnender Hinweis auf die teils speziellen Risiken, die Investoren in China gewärtigen müssen. Viele privat geführte Firmen sind dort auf Gedeih und Verderb von einzelnen Personen abhängig. Neben Fosun gilt das etwa auch für Alibaba, Tencent und Dalian Wanda Commercial. Sie zählen zu den Aushängeschildern in der chinesischen Firmenwelt und wurden allesamt von einem herausragenden Kopf zu dem gemacht, wofür sie heute stehen. Fehlt dieser plötzlich auf der Kommandobrücke, ist aus Investorensicht die gesamte Geschäftsgrundlage entzogen.
Atemberaubende Akquisitionstour
Guo Guangchang hat sich weit über China hinaus einen Namen gemacht mit seinem forschen Akquisitionskurs. Er selber, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte und nun mit einem geschätzten Vermögen von über 7,5 Milliarden Dollar zu den 20 reichsten Chinesen zählt, vergleicht sich gerne mit Warren Buffett. Guos Geschäftsmodell hat insofern eine gewisse Ähnlichkeit mit jenem des legendären US-Investors, als er sein weitverzweigtes Imperium auf einem Fundament von Versicherungsgesellschaften errichtete. Die sich dort ansammelnden Prämiengelder nutzte Guo für seine spektakuläre Einkaufstour, die ihn bis nach Europa führte.
Inzwischen kontrolliert das Fosun-Konglomerat, dessen Anfänge auf 1992 zurückgehen, Beteiligungen im Wert von über 160 Milliarden Dollar, wie Guo kürzlich berichtete. Sie reichen von Eisen und Stahl über Detailhandel, Immobilien und Finanzdienstleistungen bis zu Freizeit und Reisen. Zu den klingendsten Namen in Guos Portefeuille zählen der französische Ferienanlagen-Betreiber Club Med, die deutsche Privatbank Hauk & Aufhäuser sowie ein Minderheitsanteil am kanadischen Zirkusbetrieb Cirque du Soleil. Diese aus der jüngeren Zeit stammenden Expansionen richteten sich gezielt auf Unternehmen, von denen anzunehmen ist, dass sie von der wachsenden Konsumfreude der chinesischen Mittelschicht profitieren werden.
Parallel zur immer länger gewordenen Beteiligungsliste ist aber auch der Schuldenberg von Fosun stetig gewachsen, weil viele Übernahmen mit Krediten finanziert wurden. Von den Ratingagenturen Standard & Poor's und Moody's wird das Unternehmen, das im Übrigen eine Niederlassung in Zürich hat, denn auch mit einem «Schrott»-Status belegt. Die grosse Frage ist nun, wie lange die Gläubiger von Fosun im Wissen um Guo Guangchangs Verschwinden noch stillhalten werden.
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