Claudia Nielsen irritiert mit einem Video
Die Zürcher SP-Stadträtin wirbt bei ihren 7000 Angestellten für die eigene Wiederwahl. Sie selbst sieht das allerdings anders.
Die Zürcher Stadträtin Claudia Nielsen hat sich offenbar sehr gefreut, dass ihre Partei sie zur Wiederwahl vorgeschlagen hat. Am letzten Freitagnachmittag nach der Delegiertenversammlung der SP schickte sie den 7000 Angestellten ihres Gesundheits- und Umweltdepartements (GUD) eine E-Mail mit dem Titel: «Nominiert für Stadtratswahl 2018». Darin stand, sie wolle allen danke sagen. Ein Link führt zu einem Video, in dem sich Claudia Nielsen aus ihrem Büro an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richtet. Darin zählt Nielsen einige ihrer Wahlversprechen auf: «Ich möchte mich nochmals vier Jahre einsetzen für gesunde Verhältnisse in dieser Stadt und für eine gute Gesundheitsversorgung für diejenigen, die krank sind.» Sie bewundere den «tollen Service», welchen die Mitarbeiter «auch noch mit einem Lächeln» erbringen würden. Das 1 Minute und 21 Sekunden lange Video endet mit den Worten: «Und deshalb freut es mich ganz besonders, wenn ich nochmals vier Jahre Ihre Chefin sein darf.»
Befremdete Angestellte
Bei mehreren Angestellten, mit denen Redaktion Tamedia gesprochen hat, hat das Video Befremden ausgelöst. «Ich hätte von Frau Nielsen eher eine Strategie erwartet als einen Wahlwerbespot», sagt einer. Damit spricht er die finanziell schwierige Lage an, in denen die Stadtspitäler Triemli und Waid momentan stecken. Ein gefundenes Fressen ist das Video für die politischen Gegner von Stadträtin Nielsen. «Das Video ist lächerlich und deplatziert», sagt FDP-Präsident Severin Pflüger. Es sei sehr typisch für die Politik der Stadträtin. Eine gute Gesundheitsversorgung auch für jene mit einem kleinen Portemonnaie sei das Ziel aller. «Doch sie zeigt nicht auf, wie sie das erreichen will. Ihr fehlt der Plan», kritisiert Pflüger.
Noch deutlicher wird Martin Götzl, Fraktionspräsident der SVP: «500 Millionen Schulden angehäuft, keine Strategie, keine Zuversicht, kein Engagement, die Herausforderungen lösen zu wollen.» Bei Nielsens Aktion handle es sich um eine absolut unnötige und führungsschwache Mailnachricht, sagt Götzl auf Anfrage. Seine Kritik äusserte er am Mittwochabend auch noch in einer persönlichen Mitteilung im Gemeinderat. Nielsen wehrt sich dagegen, dass es sich bei dem Video um Wahlwerbung gehandelt habe. «Wäre es ein Aufruf gewesen, dann hätte ich das Video auf Facebook gepostet», sagt die Stadträtin. Als Departementsvorsteherin sei sie nicht nur Politikerin, sondern auch eine Vorgesetzte. Als solche habe sie informieren wollen, dass sie weiterhin im Amt bleiben möchte. «Ich bin im Amtshaus und bei Treffen mit Dienstabteilungen wiederholt auf meine Zukunft angesprochen worden», sagt Nielsen.

Nachdem sie in den Medien bereits über ihre Pläne gesprochen hatte, wollte sie sich noch persönlich an ihre Angestellten wenden und sich bei dieser Gelegenheit bei ihnen bedanken. «Bei einem Departement mit über 7000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht dies nur bei den wenigsten im direkten mündlichen Kontakt», verteidigt Nielsen ihre Massen-E-Mail. Auf ihre Nachricht habe sie «ein paar wenige Rückmeldungen» bekommen – «positive wie kritische», sagt die GUD-Vorsteherin. Die Kritik des Mitarbeiters, er hätte lieber etwas über Nielsens Strategie erfahren, weist sie zurück. «Eine solche Kritik ist nicht bis zu mir gedrungen», sagt Nielsen. Ausserdem habe sie an verschiedenen Informationsveranstaltungen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtspitäler über den Stand der Spitälerstrategie informiert. «Dabei stand ich allen Anwesenden auch für Fragen zur Verfügung», sagt die Stadträtin.
Keine Bestimmungen verletzt
Mit ihrem Video hat Nielsen gegen keine offiziellen Bestimmungen verstossen, wie es bei der Stadtkanzlei heisst. Der Fall erinnert an einen Beitrag, den Regierungsrat Martin Graf seinerzeit zur 1:12-Initiative verfasst hatte. Im Jahr 2013 schimpfte er im Intranet des Kantons über «exorbitante Managersaläre», denen die Juso-Initiative Grenzen setzen würde. Grafs Stellungnahme für eine sachpolitische Vorlage war sicher einiges brisanter als Nielsens Videobotschaft. Dies wird in Gesprächen mit Angestellten des Gesundheits- und Umweltdepartements klar. Als Wahlwerbung wird sie dennoch verstanden, auch wenn die Stadträtin diese Absicht bestreitet. Ob ihr das Video helfen wird, bleibt offen: «Meine Stimme bekommt sie sicher nicht», kommentiert ein Arzt eines städtischen Spitals das Video.
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