Film-Highlights der Woche«Close» fesselt mit wunderschönen Bildern
Neben dem Jugenddrama empfehlen wir eine poetische Doku über Alkoholismus und eine Komödie über einen Staatsbesuch in einem Flüchtlingscamp.

Close
Drama von Lukas Dhont, B 2022, 105 Min.
Diese Einstellung fesselt sofort: Zwei Dreizehnjährige rennen durch eine Gärtnerei, verspielt, fröhlich, bunt akzentuiert durch die Farben der Blumen auf ihrem Weg. Die Sequenz ist im Trailer zu sehen, war aber auch ein Blickfang in den Werberollen, mit denen Filmfestivals dieses Werk anpriesen. Und sie verspricht nicht zu viel, in Cannes gabs den Grand Prix für «Close». Und das, obwohl der Film viel düsterer ist, als es diese Eröffnungsszene vermuten lässt.
«Close» ist der zweite Film des flämischen Regisseurs Lukas Dhont, der die grosse belgische Filmtradition fortsetzt und die Brüder Dardenne sowie Chantal Akerman zu seinen Vorbildern zählt. Vor vier Jahren sorgte er für Furore mit seinem autobiografisch angehauchten Drama «Girl», in dem es um ein Transmädchen geht, das Tänzerin wird.
Jetzt erzählt Dhont die Geschichte zweier bester Freunde, die auch in den Sommerferien Tag und Nacht zusammen verbringen. Als ein neues Schuljahr beginnt und die beiden ans Gymnasium wechseln, wird jedoch alles anders. Die Inszenierung bewegt sich hart an der Grenze zum Kitsch, aber Lukas Dhont beherrscht das Spiel mit den Gefühlen meisterhaft. Die Jungs (Eden Dambrine, Gustav De Waele) sind hervorragend. Und die gestandenen Schauspielerinnen Émilie Dequenne und Léa Drucker spielen als deren Mütter kleine, aber wichtige Rollen. Daraus wird ein wunderschöner, sehr trauriger, letztlich aber auch tröstender Film. (ml)
Arthouse Piccadilly
The Curse
Dokumentarfilm von Maria Kaur Bedi und Satindar Singh Bedi, CH 2022, 82 Min.
Satindar Singh Bedi ist drogenabhängig auf die Welt gekommen: Seine Mutter war eine schwere Alkoholikerin. Aufgewachsen ist «Sati» im indischen Chennai, wie wir in «The Curse» erfahren. Er liebte seine Mutter über alles, schon als kleines Kind trank er fast täglich mit ihr. Es sei aufregend gewesen, das Spiel mit dem Alkohol. Ihn zu kaufen, ihn zu verstecken, ihn zu teilen. So hat sich die Droge von Beginn weg in seinem Körper eingenistet. Wie ein Fluch ist sie in ihm. Die Mutter starb mit 31, da war Sati elf Jahre alt.
In «The Curse» erzählt nun Satindar Singh Bedi gemeinsam mit seiner Ehefrau, der Regisseurin Maria Kaur Bedi, seine Geschichte. Sie erzählen vom Leben und der Liebe mit der zerstörenden Sucht, ihr Werk ist Liebesfilm und Höllenritt in einem. Ein traumwandlerischer, nicht unanstrengender Kunstfilm, das intime Porträt einer Beziehung, eine Geschichte von Liebe und Selbstzerstörung – entblössend, schonungslos, poetisch. (mbu)
Riffraff
Im Streaming auf Vinca Cinema
La dérive des continents (au sud)
Komödie von Lionel Baier, CH 2022, 89 Min.
Der Lausanner Regisseur Lionel Baier setzt seine Erforschung des europäischen Kontinents fort. Nach dem Osten («Comme des voleurs», 2006) und dem Westen («Les grandes ondes», 2013) gehts in «La dérive des continents» in den Süden.
Im Zentrum steht die Diplomatin Nathalie (Isabelle Carré), die in einem Flüchtlingscamp auf Sizilien einen Staatsbesuch vorbereiten soll. Die Sache wird kompliziert, weil ihr Sohn (Théodore Pellerin), von dem sie sich längst entfremdet hat, dort eigene Pläne verfolgt. Und dazu noch ihre Geliebte (Ursina Lardi) auftaucht. Daraus entsteht ein Film mit typischer Baier-Mischung: manchmal beissend komisch, oft poetisch verspielt, manchmal auch eigenartig verquast. (ml)
Arthouse Uto
Stop-Zemlia
Coming-of-Age-Film von Kateryna Gornostai, UA 2021, 122 Min.
Unter dem Titel «Women of Ukraine» zeigt das Kino Nische im Februar Filme von und über die Frauen des Landes. Den Anfang macht «Stop-Zemlia»: Im Zentrum steht die 16-jährige Masha (Maria Fedorchenko), die sich in einen Klassenkameraden verliebt. Daneben begleiten wir ihre beiden Freundinnen in ihrem Alltag. Regisseurin Kateryna Gornostai zeichnet in ihrem Langfilmdebüt ein Bild davon, was es heisst, im Kiew der Gegenwart aufzuwachsen. (ggs)
So 5.2., 19.30 Uhr, Gaswerk, Winterthur
Chroma
Liebesdrama von Jean-Laurent Chautems, CH/B 2021, 96 Min.
Für sein Langfilmdebüt hat sich der Westschweizer Regisseur Jean-Laurent Chautems eine faszinierende Versuchsanordnung ausgedacht: Er entwirft zwei extreme Figuren und zeigt, was passiert, wenn sie kollidieren.
Claire (Solène Rigot) bewältigte ihre alltäglichen Frustrationen mit Vandalismus und Racheakten, zerkratzt etwa den teuren Wagen eines Autofahrers, der sie angehupt hat. Und sie stalkt fremde Leute. Darunter den Barpianisten Alain (Aurélien Caeyman), der im Haus gegenüber wohnt und den sie regelmässig beim Sex mit wechselnden Frauen beobachtet.
Er wiederum hat Zwangsstörungen, kratzt sich obsessiv und sagt die immerselben Zahlenreihen auf. Claire konfrontiert ihn, will mit ihm ins Bett. Er weist sie erschreckt zurück, aber sie lässt sich nicht abwimmeln. Im Grunde erzählt «Chroma» eine Romanze, bloss mit den Mitteln des Psychothrillers. Das Experiment bleibt spannend, bis zum bitteren Ende. (ggs)
The Tiger Mafia
Dokumentarfilm von Karl Ammann und Laurin Merz, CH 2021, 90 Min.
Zehn Jahre hat der Schweizer Tierfotograf Karl Ammann Recherchen über den weltweiten Tigerhandel angestellt. Er reiste nach Vietnam, Burma und China, gab sich als Käufer aus, filmte mit versteckter Kamera. So kam er den Hintermännern und Lieferketten auf die Spur. Am Ende hat Regisseur Laurin Merz aus dem Material diesen Dokumentarfilm gemacht. Merz wird an der Vorführung anwesend sein und von seiner Arbeit mit Karl Ammann erzählen. (ggs)
Mi 8.2., 19 Uhr, Coalmine, Winterthur
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