Collardi verlässt überraschend Julius Bär
Der Chef des Vermögensverwalters tritt per sofort zurück. Die Stimmen, die Börse, die Nachfolge.
Der Chef der Privatbank Julius Bär, Boris Collardi tritt per sofort auf eigenen Wunsch hin zurück, wie die Privatbank am Montag mitteilte. Collardi wird voraussichtlich Mitte 2018 Teilhaber der Pictet-Gruppe. Ab Mitte 2018 wird er als Co-Head des Global Wealth Management tätig sein. Die Verantwortung trägt er zusammen mit dem geschäftsführenden Teilhaber Rémy Best, wie Pictet mitteilt. Die Pictet-Gruppe ist eine Privatbank mit Hauptsitz in Genf.
Die Julius-Bär-Aktie hat im frühen Handel deutlich an Wert verloren. Gegen 13:30 Uhr notierte sie knapp sechs Prozent tiefer, als am Vortag. Zum Vergleich: Der Schweizer Leitindex SMI gab um 0,4 Prozent nach. Erst in der Vorwoche hatte die Julius-Bär-Aktie ein Allzeithoch erreicht. Seit Anfang Jahr beträgt das Plus rund 27 Prozent.

Nachfolger bekanntgegeben
Der Verwaltungsrat von Julius Bär hat Bernhard Hodler mit sofortiger Wirkung zum Nachfolger von Collardi ernannt. Hodler ist derzeit Chief Risk Officer bei Julius Bär. Er wurde im September 2017 zum stellvertretenden CEO ernannt. Seit 1998 ist er Mitglied des Führungsteams von Julius Bär und bekleidete diverse Leitungsfunktionen, darunter als Chief Operating Officer und Präsident des Management Committee der Bank.
Ob Hodler längerfristig Julius-Bär-Chef bleibt, steht indes nicht fest. «Als Teil der laufenden Nachfolgeplanung wird der Verwaltungsrat einen Evaluationsprozess für die langfristige Führung der Gruppe einleiten», erklärte die Bank.
Abgang schon länger geplant?
Collardis Abgang nach fast einer Dekade kommt überraschend - offenbar auch für den Verwaltungsrat. Persönliche Gründe seien dafür verantwortlich. Es habe keine Konflikte gegeben, betonte Verwaltungsratspräsident Daniel Sauter in einer Telefonkonferenz. Der Verwaltungsrat sei von Collardi erst am Wochenende über dessen Rücktritt informiert worden.
Angesichts der Tatsache, dass Hodler erst im September dieses Jahres zum Stellvertreter gekürt worden war, könne man allerdings auch mutmassen, dass intern bereits etwas im Busch war, schreibt die ZKB in einem Kommentar. «Diese Ernennung Hodlers zum Stellvertreter ist vom Markt kaum beachtet worden», sagt ZKB-Analyst Michael Kunz zu Newsnet/Tagesanzeiger. Darum sei der Wechsel jetzt für viele überraschend gewesen.
«Für Strategie braucht es Collardi nicht mehr»
Hodler müsse jetzt für Stabilität sorgen, sagt Kunz. Julius Bär sei gut aufgestellt und habe neue Kundenberater angeheuert. Im Prinzip muss Hodler diese erstmal laufen lassen und und dieses Setup nicht durcheinander bringen.» Das operative Geschäft laufe gut, mit der Umstellung auf eine neue Banken-IT sei Julius Bär auf Kurs. Auch für das Geschäft in Asien genüge es, die eingeschlagene Richtung mit den neuangestellten Kundenberatern beizubehalten, so Kunz.
Für diese Strategie brauche es Collardi eigentlich nicht mehr, sagt der Analyst. «Das könnte für ihn zu wenig spannend gewesen sein. Collardi ist der Typ Manager, der Quantensprünge bevorzugt, nicht die kleinen Schritte», so Kunz. «Man konnte sich schon seit einer Weile fragen, was Collardi bei Julius Bär noch erreichen wollte, nachdem er die Assets mehr als verdoppelt hat».
Globale Grösse dank Übernahme
«Die Quantensprünge, die Julius Bär zu globaler Grösse verholfen haben, kamen von der Übernahme des Merrill-Lynch-Vermögensverwaltungsgeschäfts. Das war ein Big Deal», so Kunz. Seither seien fast schon naturgemäss keine ähnlich grossen Schritte mehr gemacht worden.
Vonseiten Vontobel hiess es derweil, dass Collardi bei den Investoren vor allem für die Wachstumsstrategie von Julius Bär stehe. Dass er nun zu Pictet wechsle, einem der wenigen direkten Wettbewerber in der Vermögensverwaltung, dürfte negativ aufgefasst werden.
Zuletzt waren die Geschäfte der Zürcher Privatbank allerdings wie geschmiert gelaufen. In den ersten zehn Monaten diesen Jahres konnte die Bankgruppe die verwalteten Vermögen um 57 Milliarden auf 393 Milliarden Franken ausbauen. Das ist ein Plus von 17 Prozent. Als Grund wurden die Akquirierung neuer Kundengelder, die anhaltend positive Marktentwicklung und die Verteuerung des Euros gegenüber dem Franken genannt.
Mit 34 CEO
Collardi gilt als Senkrechtstarter. Bereits im Alter von 34 Jahren übernahm er die Rolle als CEO bei Julius Bär. Seine Karriere startete der Sohn einer Westschweizer Journalistin und eines Italieners 1993 bei der Credit Suisse. Hier stieg er zum operativen Leiter der Vermögensverwaltung Europa auf. Begleitet wurde er von Alex Widmer, der als Ziehvater Collardis gilt. Dieser holte ihn 2006 auch zur Julius Bär.
Video: Warum geht Collardi bei Bär?
Zunächst arbeitete Collardi als operativer Chef. Ende 2008 nahm sich Alex Widmer, inzwischen oberster Chef der Privatbank, das Leben. Zwischenzeitlich übernahm Johannes de Gier die Führung der Bank, bevor Collardi im März 2009 als neuer Chef vorgestellt wurde.
Vom Ferrari auf Fiat umgestiegen
Collardi stiess in der traditionsreichen Privatbank zunächst auf Skepsis. Besonders irritiert seien Mitarbeiter über den teuren Ferrari gewesen, in dem Collardi herumkurvte. Inzwischen ist er für seinen Arbeitsweg aus dem Schwyzer Schindellegi auf einen Fiat Cinquecento umgestiegen. Für den Wechsel auf das günstigere Gefährt nannte er auch praktische Gründe: Im Fiat töne er dank gutem Bluetooth am Telefon wie im Büro. Das sei im Ferrari unmöglich. «Der Motor ist zu laut», sagte er einst der Bilanz.
Mit einer weiteren Eigenheit fiel Collardi auf: An Pressekonferenzen lässt er sich gerne Tee servieren. Zu Reden gab auch immer wieder sein Lohn: 2016 strich der Bankenchef rund 6,5 Millionen Franken ein. Damit kam er auf etwa die Hälfte des Gehalts von UBS-Chef Sergio Ermotti. Ermotti kam für das Geschäftsjahr 2016 auf ein Salär von 13,7 Millionen Franken.
Bildstrecke: Boris Collardi und die Bank Julius Bär
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