Coronavirus: Muss der Kanton für leere Hallen zahlen?
Die Vorsichtsmassnahmen des Kantons werden für Streit sorgen, wenn Sport- und Partyveranstalter Schadenersatz fordern.

Die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran schlägt vor, dass man Unternehmen, die im Tourismus oder in der Kultur tätig sind und einen Schaden erlitten haben, mit Bundesgeldern unterstützen soll. Sie rechnet mit einem Fonds von rund 50 Millionen Franken. Der Bereich Sport und Kultur sowie die ganze Gastro- und Ausgehszene sind gerade im Kanton Zürich ein gewichtiger Wirtschaftszweig.
Fussball- und Eishockeyclubs erleiden durch Spielabsagen einen Schaden und das Hallenstadion durch Konzertabsagen. Auch in der Zürcher Nachtclubszene herrscht Katzenjammer, nachdem die Gesundheitsdirektion unter der Federführung von Natalie Rickli (SVP) gestern die Empfehlung abgegeben hat, Clubevents «mit vielen Personen in engem körperlichem Kontakt in geschlossenen Räumen» abzusagen. Wer zahlt da für den Schaden?, ist nun die grosse Frage.
Rickli kontert die Clubszene
«Die Gesundheitsdirektion appelliert an die Veranstalter, dabei zu helfen, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen», sagt Natalie Rickli auf Anfrage. Ziel sei es, dass die Zürcher Spitäler und Arztpraxen etwas mehr Zeit haben, sich auf die wirklich kranken Personen auszurichten. Diese würden heute überrannt von vielen Personen, «die nicht zum Arzt und schon gar nicht ins Spital gehören». Hierfür brauchte es offenbar zuerst ein Umdenken bei vielen Personen.
Die Kritik der Nachtclubs, der Kanton versuche die Verantwortung an die einzelnen Clubs abzuschieben, kontert Rickli so: «Wir setzen auf Eigenverantwortung. Wie hätten die Clubs wohl reagiert, wenn wir konkrete Verbote ausgesprochen hätten?» In anderen Bereichen möchten sich die Clubs vom Staat möglichst wenig dreinreden lassen. Was Rickli nicht sagte: Wenn es um Lärmvorschriften oder Drogenkontrollen geht, rufen die Clubs selten nach staatlichen Vorschriften.
Die Zürcher Politik hält von Jacqueline Badrans Idee, mit der staatlichen Spritzkanne die Folgen des Coronavirus zu lindern, nicht viel. Bloss SP-Parteifreund und Kantonsrat Tobias Langenegger hält ihr die Stange: «Jetzt braucht es Solidarität für die davon betroffenen Arbeitnehmer(innen) und Arbeitgeber(innen), und da soll sich der Staat durchaus auch engagieren. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise ein Fonds zur Milderung der Corona-bedingten Schäden.»
Politik hält wenig von staatlicher Hilfe
Die grüne Fraktionspräsidentin im Kantonsrat, Esther Guyer, dagegen sagt: «Unternehmen müssen ein gewisses Risiko selber tragen, zudem steht das Instrument der Kurzarbeit zur Verfügung.» Wenn staatliche Organe ihr Bestes gäben, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern, könne man sie dafür nicht noch haftbar machen. Und wenn Schauspielhaus und Opernhaus finanzielle Probleme bekommen, so Guyer, «sitzen wir als staatliche Geldgeber selber in der Tinte».
FDP-Fraktionspräsidentin Beatrix Frey-Eigenmann ist mit staatlicher Hilfe sehr zurückhaltend. «Wenn der Staat jetzt entschlossen Präventionsmassnahmen anordnet, kann der wirtschaftliche Schaden minimiert werden.» In dieser schwierigen Situation müssten wohl alle «in den sauren Apfel beissen», sagt Frey-Eigenmann. Für GLP-Fraktionschef Michael Zeugin ist das Coronavirus «ein klassischer Fall von höherer Macht». Er erwarte von jedem Betrieb ein angemessenes Risikomanagement. «Wenn man an den Klimawandel denkt, dann ist dieses Coronavirus wohl nicht der letzte Prüfstein für Unternehmen in Wirtschaft, Kultur und Sport.»
Nationalbank-Millionen zur Schadenminderung?
474 Millionen Franken erhält der Kanton Zürich dieses Jahr aus dem Gewinn der Nationalbank. Könnte mit diesem Geld wirtschaftlich vom Virus betroffenen Unternehmen geholfen werden? Die in den letzten Tagen immer wieder herumgereichte Idee fällt bei den meisten Parteien durch. «Da würde man lieber in den Umweltschutz investieren statt in Fussballvereine und Nachtclubs», sagen die einen – «oder in die AHV», die anderen. Möglich wiederum sei es, argumentieren die bürgerlichen Parteien, dass wegen des Virus die Steuereinnahmen sinken. Da wäre eine Subventionierung von Konzertveranstaltern wohl etwas voreilig.
Können sich Veranstalter wehren gegen wirtschaftliche Schäden nach behördlichen Absagen von Veranstaltungen? Bei der kantonalen Fachstelle Kultur kann man sich vorstellen, dass bald einmal Fragen zu Entschädigungen wegen Einbussen gestellt werden. Noch gebe es auf solche Fragen keine Antworten, sagt die stellvertretende Kulturbeauftragte Lisa Fuchs.
Veranstalter sitzen am kürzeren Hebel
«Ja, Veranstalter können sich wehren», sagt Felix Uhlmann, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht sowie Rechtsetzungslehre an der Universität Zürich. Es sei wohl eine Frage der Zeit, bis sich Gerichte mit solchen Fällen beschäftigen müssten.

Rechtsprofessor Felix Uhlmann.
Das Problem bei solchen Klagen: Die Veranstaltungen sind längst vorbei, bis sich die Gerichte an die Arbeit machen können. Bleibt noch die Frage einer Entschädigung für die Verluste nach einer Konzertabsage. Professor Uhlmann sieht für die Veranstalter «kaum Anlass für Optimismus». Das Epidemiegesetz sehe bei Quarantänen die Möglichkeit für Entschädigungen bei Einzelpersonen vor, nicht aber bei der Absage von Veranstaltungen. Sei eine Absage rechtmässig, so Uhlmann, «besteht kein Anspruch».
Und wenn eine Absage unverhältnismässig ist und von einem Gericht gerügt werden sollte? «Dann bejahen Gerichte einen Staatshaftungsanspruch oft nur dann, wenn er auf einer wesentlichen Amtspflichtverletzung beruht», so Uhlmann. Diese Voraussetzung sei eine hohe Hürde und werde angesichts der schwierigen Entscheidungssituation für die Behörden nur in Ausnahmefällen erfüllt sein.
Fussball versus Schule
Bevor die Kantone über eine Absage entscheiden, müssen sie eine Risikoabwägung und dann eine Werteeinschätzung vornehmen. Zum Beispiel: Kann ein Konzert verschoben oder eine Tagung online durchgeführt werden? Und dann: Ist Schule wichtiger als Fussballspielen? Die Behörden müssen besonders gefährdete Personen schützen. «Die Osterfeier im Altersheim muss strenger beurteilt werden als ein Schulskilager», sagt Professor Uhlmann. Zudem müssten die Behörden den vom Bund vorgegebenen Begriff «Veranstaltung» sehr breit fassen. «Als Veranstaltung gilt jede Menschenansammlung – ein Zug ist genauso eine Veranstaltung wie ein Konzert», so Uhlmann.
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