«Da habe ich ihm spontan eine runtergehauen»
Margot Robbie verkaufte einst Surfboards am Strand. Ihre Hollywood-Karriere begann mit einer Ohrfeige. Ein Gespräch über Anfänge und Ehrgeiz.

Bevor sie Schauspielerin wurde, verkaufte sie in Australien am Strand Surfbretter. Und das würde Margot Robbie auch jederzeit wieder tun, wenn es mit der Karriere bergab gehen sollte, erzählt sie fröhlich beim Treffen in Berlin. Das dürfte aber nicht nötig sein, denn die 27-Jährige war mit «I, Tonya» für den Oscar nominiert und gehört zu den gefragtesten Darstellerinnen.
Mrs. Robbie, jedes Jahr pilgern Tausende Menschen nach Hollywood, um Schauspieler zu werden. Wie schafft man es bei dieser Konkurrenz ganz nach oben?
In meinem Fall? Mit einer Ohrfeige.
Bitte?
Das war beim Sancho-Pansa-Casting für «The Wolf of Wall Street», damals war ich noch neu in Hollywood. Bei diesen Vorsprechen werden massenhaft Schauspieler eingeladen und dem Regisseur vorgeführt. Und weil ja immer ein bestimmter Typ gesucht wird, sitzt man dort mit lauter Leuten, die aussehen wie man selbst, ein bisschen unheimlich. In diesem Fall warteten da also vielleicht hundert junge Blondinen, und ich dachte mir, oje, du musst jetzt irgendetwas machen, um aus dieser Menge an schönen Frauen herauszustechen.
Also die Ohrfeige.
Als ich aufgerufen und in den Casting-Raum gebeten wurde, standen da Martin Scorsese, der Regisseur, und Leonardo DiCaprio, der Hauptdarsteller – zwei Superstars! Sie baten mich, eine Szene mit Leonardo zu improvisieren, in der wir uns streiten, und da habe ich ihm in der Aufregung spontan eine runtergehauen. Genau das hat Scorsese so gut gefallen, dass er mich engagiert hat.
War das schon immer Ihr Traumberuf, Schauspielerin werden?
Ich wollte zunächst gar keine Schauspielerin werden, weil ich überhaupt nicht wusste, was das ist, geschweige denn, dass das ein Beruf ist. Ich bin in Queensland in Australien aufgewachsen, absolutes Hinterland. Wir waren viel auf der Farm meiner Grosseltern, haben draussen gespielt, kaum Fernsehen und Kino. Niemand in meiner Familie hatte Verbindungen ins Showgeschäft. Die paar Filme, die ich kannte, habe ich aber leidenschaftlich gerne nachgespielt, zum Beispiel für meine Mutter, wenn sie Abendessen gekocht hat. So hat sich das langsam entwickelt.
Und dann sind Sie nach Melbourne gezogen, um es richtig zu probieren?
Da war ich etwa 16, vielleicht auch schon 17. Ich habe überall mitgespielt, wo man mich mitspielen liess, kleinere Sachen, meistens unbezahlt. Oder als Statistin in der Suppenwerbung, solche Sachen.
Wie empfangen denn die Grossstädter in Melbourne Leute aus Queensland?
Sie halten sie für Trottel aus der Provinz, was mich total überrascht hat, weil ich selbst ja nichts anderes kannte. Aber als ich in Melbourne ankam, sagte jemand zu mir: «Arr, bisse aus Queensland, eh? Ihr sagt doch immer 'eh' am Ende jedes Satzes, weil ihr ein bisschen langsam im Kopf seid!» Ich war total perplex, weil ich anscheinend aus dem Idiotenstaat kam.
Sie sind trotzdem geblieben und haben die Sache durchgezogen.
Irgendwann habe ich eine Rolle in «Neighbours» bekommen. Das ist eine Soap, die schon ewig erfolgreich läuft in Australien. «Neighbours» und «Home and Away» sind die beiden Soaps, in denen fast jeder australische Schauspieler mal mitgespielt hat. Kylie Minogue und Russell Crowe waren in «Neighbours», Chris Hemsworth in «Home and Away».
Hat Ihnen das Spass gemacht?
Und wie, ich war noch sehr jung, konnte aber plötzlich ganz gut von der Schauspielerei leben. Drei Jahre lang habe ich das gemacht, am Anfang noch parallel zum Schulabschluss, das war ziemlich stressig. Bei so einer Soap lernt man, was es heisst, diszipliniert zu arbeiten und sehr viel Text auswendig zu lernen. Wir haben teilweise 60 Seiten Dialog am Tag gedreht, fünf Tage die Woche, vier Wochen Urlaub im Jahr.
Klingt nach klassischem 9-bis-5-Job.
Es war mehr 5 bis 9, aber ja, stimmt. Klassisches Angestelltenleben. Während dieser Zeit habe ich auch brav mein Geld gespart.
Mit einem bestimmten Ziel?
Um irgendwann nach Hollywood ziehen zu können, habe ich für zwei Sachen gespart. Einmal, um meine Miete in Los Angeles bezahlen zu können, weil ich ja nicht wusste, wie lange es dauern würde, bis ich dort einen Job bekommen würde. Ausserdem fiel es mir sehr schwer, den amerikanischen Akzent nachzumachen. Deshalb habe ich mir schon zwei Jahre bevor ich nach Amerika gegangen bin, einen Dialektcoach genommen. Ich habe Tausende Dollar für Dialekttraining ausgegeben, um den australischen Slang loszuwerden.
Und?
Jetzt geht das gut, aber am Anfang war es ziemlich nervig. Sie müssen erst mal lernen, welche Resonanzräume es im Körper gibt und vor allem, was für Muskeln Sie so im Mund haben, und dann müssen Sie die trainieren, damit Sie sie nach Belieben an- und abschalten können, damit vorne der gewünschte Akzent rauskommt.
Den sicheren Job beim Fernsehen aufzugeben, um in Hollywood sein Glück zu suchen, ist ein ziemliches Risiko.
Ach, wie ein Risiko hat es sich eigentlich nicht angefühlt. Ich hatte genug gespart, um etwa zwei Jahre davon leben zu können. Und wenn in dieser Zeit nichts geklappt hätte, wäre ich eben wieder heimgefahren.
Und hätten in der Soap weitergemacht?
Als ich den Produzenten sagte, dass ich aussteigen will, um es in Hollywood zu probieren, hatte ich gehofft, dass sie meiner Figur einen dramatischen Tod ins Drehbuch schreiben würden, grosser Abgang mit Feuerwerk sozusagen. Sie meinten aber nur: Ach Margot, wir schreiben dich vorsichtshalber lebend aus der Serie, wenn's nicht klappt mit Hollywood, kannst du wiederkommen.
Nicht sehr ermutigend.
Doch, das war tatsächlich ermutigend. Ich dachte: Die glauben, ich schaff' das nicht? Jetzt will ich es erst recht wissen!
In Amerika ging es dann wieder von Null für Sie los. Was war der erste Schritt?
Ich habe mir eine Agentur gesucht, weil man im amerikanischen Showgeschäft ohne offizielle Vertretung gar nicht anzufangen braucht. Da kriegen Sie entweder keine Casting-Termine oder werden beim ersten Vorsprechen über den Tisch gezogen.
«Ich mag dieses Gewusel am Set gern»
Und wie laufen diese Castings ab, wenn man nicht gerade Leonardo DiCaprio eine Ohrfeige verpasst?
Das ist meistens ein ziemlich einschüchternder Prozess. Alles ist in ein strenges Ablaufkorsett gepresst, Sie müssen zum Beispiel bei TV-Sendern, die Serien besetzen, schon einen Vertrag unterschreiben, bevor der Sender überhaupt entscheidet, ob Sie die Rolle bekommen.
Warum denn das?
Damit Sie die Produzenten nicht mit überzogenen Gagenforderungen erpressen können. Wenn die Ihnen ohne Vertrag sagen, wir möchten Sie unbedingt für die Rolle, können Sie pokern und sagen: Ich will dafür aber zehn Millionen Dollar. Also müssen Sie vorher schriftlich zustimmen, dass Sie es für eine bestimmte Summe machen würden.
Waren diese stressigen Casting-Marathons auch der Grund, warum Sie mittlerweile Ihre eigene Produktionsfirma gegründet haben? Um bessere Rollen zu Ihren Konditionen zu bekommen?
Natürlich, ich kann mein Schicksal etwas besser kontrollieren, wenn ich die Filme auch selbst produziere. Und um die Geschlechter-Balance in Hollywood zu verbessern, schadet es auch nicht, wenn eine Frau mehr Filme produziert.
Ist das mit der Männerdominanz wirklich so schlimm in Hollywood?
Es ist zumindest so, dass es sehr viele gute Kamerafrauen und Drehbuchautorinnen und Regisseurinnen gibt, die überhaupt noch nicht die Chance bekommen haben zu zeigen, was sie draufhaben. Das gilt allerdings genauso für männliche Nachwuchstalente. Das Problem ist vor allem, dass Produzenten immer auf Nummer sicher gehen wollen.
Wie sieht das genau aus?
Investoren überlegen sich sehr genau, wem sie ihr Geld geben. Als ich eine unbekannte Schauspielerin war, hatte ich ja dasselbe Problem. Die Leute wägen genau ab, engagiere ich für mein Geld jetzt dieses Mädchen, das zwar ganz gut sein mag, das aber keiner kennt? Oder engagiere ich lieber einen etablierten Star, der schon viele Zuschauer angelockt hat?
Können Sie das verstehen, jetzt wo Sie selbst produzieren und finanzielle Risiken eingehen müssen?
Natürlich verstehe ich das. Andererseits wird sich der Betrieb nicht weiterentwickeln, wenn Produzenten sich nicht trauen, mal etwas anderes auszuprobieren.
So wie in Ihrem neuen Film «I, Tonya», der Ihnen eine Oscarnominierung als beste Darstellerin eingebracht hat. Sie spielen darin nach realem Vorbild die Eiskunstläuferin Tonya Harding, die in eine irre Gangsteraffäre hineingezogen wird. Wie schwer ist es denn in Hollywood, Geld für so einen Film zu bekommen?
Fast unmöglich. Wie Hollywood heute funktioniert, kann man sehr gut an einem Projekt wie «I, Tonya» sehen. Der Drehbuchautor Steven Rogers hat das Skript ja schon vor Jahren geschrieben. Es hat eine recht wilde Dramaturgie, die von den gängigen Erzählkonventionen abweicht. In der Praxis haben ihm die Leute auf die Schulter geklopft und zu seiner Arbeit gratuliert – aber keiner hat sich getraut, das Skript zu verfilmen. Denn auch ein kleiner Film kostet schnell ein paar Millionen.
Video: I, Tonya
Aber dann kamen Sie und haben das Geld aufgetrieben.
Ja, wobei man sagen muss, dass wir an der Grenze des Machbaren operiert haben. Wir haben den Film für elf Millionen Dollar gedreht, das sind in Hollywood Peanuts. Und wegen des kleinen Budgets hatten wir nur 31 Drehtage. Bei einem grossen Blockbuster wird oft Monate gedreht.
Klingt nach einem 24-Stunden-Tag.
Vergessen Sie's! In Hollywood können Sie nicht einfach Überstunden machen, das ist alles streng geregelt und ausgehandelt. Wenn Sie überziehen, haben Sie sofort die Gewerkschaft am Set. Nach sechs Stunden muss die komplette Crew eine Essenspause bekommen. Für jede Viertelstunde, die Sie überziehen, ohne dass die Crew etwas zu essen bekommt, müssen Sie eine hohe Strafgebühr zahlen.
Die Sie sich bei einer kleinen Produktion nicht leisten können.
Genau. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Abteilungen ja zu vollkommen unterschiedlichen Uhrzeiten anfangen. Die Leute, die für Haar und Make-up zuständig sind, stehen als Erste am Set, sie müssen ja die Schauspieler für den Dreh fertig machen. Das heisst dann aber auch, dass deren sechs Stunden bis zur Essenspause viel früher rum sind als die sechs Stunden der Kameraleute, die erst später dazukommen. Mit denen wiederum können Sie aber auch nicht einfach sechs Stunden am Stück drehen, weil Sie ja noch die Zeit einkalkulieren müssen, die sie brauchen, um ihr Equipment zurück in den Truck zu räumen – sonst zahlen Sie wieder eine Strafgebühr.
Hört sich kompliziert an.
Klar, aber so sehen nun mal die Herausforderungen aus, wenn Sie in Hollywood einen Film produzieren. Und Sie wollen die Leute ja auch nicht ausbeuten. Ausserdem, nach einer bestimmten Zeit wird die Truppenmoral sowieso schlecht, dann bringt es eh nichts mehr, bis in die Nacht weiterzudrehen.
Was machen Sie als Produzentin, wenn die Truppenmoral sinkt?
Eine Party schmeissen! Wenn die Leute schlecht drauf sind, brauchen sie ein paar Drinks. Was bei diesem Film nicht so einfach war, weil wir viel in ländlichen Gegenden gedreht haben, wo die Clubdichte nicht gerade gross ist. Also haben wir in Truck Stops gefeiert. Ich meine jetzt nicht so Country-Schuppen für Grossstädter, sondern richtige Fernfahrerkneipen.
Und wie gewöhnen Sie sich wieder an einen normalen Alltag, nach 31 intensiven Drehtagen mit Truck-Stop-Partys?
Ich würde mich am liebsten an gar keinen Alltag gewöhnen. Ich hasse es nämlich, wenn Dreharbeiten zu Ende gehen. Deshalb drehe ich ja auch einen Film nach dem anderen.
Wie schwer ist es denn, sich emotional gehen zu lassen, wenn hinter der Kamera hundert Crew-Mitglieder stehen und einen anstarren?
Na ja, das ist halt der Job, wenn man Filmschauspieler sein möchte. Ich mag dieses Gewusel am Set gern. Ich mache überhaupt alles gerne in grossen Gruppen. Ich habe eine grosse Familie, einen grossen Freundeskreis, und wenn man am Set ist, ist das für eine bestimmte Zeit auch eine grosse Familie. Deshalb habe ich mich daran gewöhnt, dass mir viele Menschen dabei zuschauen, wenn ich jemanden küssen oder weinen soll.
Zum Schluss: Viele Touristen zieht es nach Australien zum Reisen. Können Sie einen Ort besonders empfehlen?
Fahren Sie unbedingt nach Byron Bay! Das ist ein Traum und unbedingt die erste Adresse. Aber in Australien können Sie generell nicht viel falsch machen, wir haben gutes Essen, gutes Wetter und wir sind sehr nette Leute!
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