Film-Highlights der WocheDank «King Richard» winkt ihm ein Oscar
Will Smith spielt den Vater von Venus und Serena Williams. Ebenfalls neu im Kino: eine ukrainische Turnerin in der Schweiz und eine Jugend in Belfast.

King Richard
Biopic von Reinaldo Marcus Green, USA 2022, 144 Min.
Er steht für Schalk, Charme und Actioneinsätze, jedenfalls wenn man Will Smith an seinen grössten Erfolgen misst – der «Bad Boys»- und der «Men in Black»-Reihe. Der Mann kann aber auch anders: In diesem zweieinhalbstündigen Biopic gibt er einen perfektionistischen Vater, der den Tenniskarriereplan für seine Töchter Venus und Serena Williams schon vor deren Geburt erstellt hat und ihn deshalb für sakrosankt hält. Worauf sich seine Familie, die Coaches und die Sponsoren permanent vor den Kopf gestossen sehen.
Wie Smith diesen Eigenbrötler spielt, ist von erstaunlicher Komplexität. Obwohl der 53-Jährige mit seinen 1,88 Metern Körpergrösse alle überragt, agiert er wie ein verkrampfter Kleinwüchsiger, der dauernd die Lippen verzieht, nervös an Zahnstochern kaut oder in ein seltsames Lispeln verfällt. Die stete Anspannung ist nötig, weil Smiths Figur Taktgeber und Reaktionskünstler in einem ist. Und siehe da: Dem zuletzt etwas unterbeschäftigten Star gelingt es, gleichzeitig einen good guy und einen bad guy zu spielen.
Dafür erhielt er zwei Oscarnominierungen (als bester Hauptdarsteller und Produzent für den besten Film). Zuvor hatte Smith schon mit «Ali» (2001) und «The Pursuit of Happiness» (2006) je eine Nomination ergattert. Aber jetzt mit «King Richard» stehen die Chancen für eine Auszeichnung so gut wie nie. Das Branchenmagazin «Variety» sieht ihn neben Benedict Cumberbatch («The Power of the Dog») als Oscar-Topfavoriten. (zas)
Abaton, Arena, Corso, Kosmos
Olga
Drama von Elie Grappe, CH/F/Ukraine 2021, 85 Min.
Die Verfilmung der Magglingen-Protokolle? Nein, obschon weite Teile dieses Erstlings im Schweizer Trainingsort spielen. Dort bereitet sich die 15-jährige ukrainische Turnerin Olga (Anastasia Budiashkina) auf die Europameisterschaft vor. Doch dann gehen in Kiew die Euromaidan-Proteste los, mittendrin Olgas Mutter, eine Journalistin.
Die (echten) Handyvideos von den Demos, die der Westschweizer Regisseur Elie Grappe einflicht, haben etwas Phantasmagorisches: hier der Tumult in der Heimat, da Olgas Ambition als Spitzensportlerin. Chaos und Ordnung? Oder Umwälzungen an allen Orten? Grappe öffnet auf formal starke Weise das Spannungsfeld und weitet das Porträt einer jungen Turnerin zu einem Stück Zeitgeschichte. Da verbindet sich die unmittelbare Intensität der Bewegungen – Grappe hat reale Athletinnen besetzt – mit Olgas nicht minder dringlichen Innerlichkeit. Sehr beeindruckend. (blu)
Riffraff
Belfast
Drama von Kenneth Branagh, GB 2021, 99 Min.
Der kleine Buddy spielt auf der Strasse, mit seinem Holzschwert hat er soeben zwei Drachen erlegt. Da kracht es wirklich, Steine fliegen durch die Luft, Erwachsene bekämpfen sich. Es ist August 1969 in Nordirland, die «troubles» haben begonnen.
Kenneth Branagh hat den Konflikt, der so viele Leben forderte, hautnah miterlebt. Der Schwarzweissfilm führt in die Kindheit des vor allem für seine Shakespeare-Adaptionen bekannten Schauspielers und Regisseurs. Ein höchst anrührendes Drama, manchmal trotz allem bunt und für sieben Oscars nominiert. Zu sentimental? Nein, «Belfast» wird aus der Sicht eines Neunjährigen erzählt. Und da sind die ernsthaftesten Dinge oft noch ein Spiel. (ml)
Abaton, Arena, Arthouse Le Paris, Capitol, Houdini
Sacha
Krimiserie von Léa Fazer, F/CH 2021, 6 Folgen
Die Genfer Staatsanwältin Anne Dupraz (Sophie Broustal) sitzt in Untersuchungshaft, weil sie auf einen Pizzeriabesitzer geschossen hat. Wieso tut eine respektierte Anklägerin so etwas? In Rückblenden enthüllt «Sacha» die Vorgeschichte von Anne, die als Jugendliche einem Loverboy nach Paris folgte, weil der ihr eine Filmkarriere versprochen hatte. Es dauert nicht lang, bis er sie schlägt und zur Prostitution zwingt. Zwischen 19 und 24 geht Anne auf den Strich. Sie behält dieses Geheimnis für sich, nicht zuletzt, um ihre eigene Tochter zu schützen. Aber dann kommt der Tag, an dem Anne ihrem Zuhälter wiederbegegnet.
Falls das etwas erzwungen klingt: Zumindest die Geschichte mit der Prostitution ist nicht erfunden. Inspiriert ist sie vom 1998 erschienenen autobiografischen Roman «Le soleil au bout de la nuit» von Nicole Castioni, deren Zeit auf der Rue Saint-Denis in Paris von Drogen und Einschüchterungen geprägt war.
Die Bildsprache des Ermittlungserzählstrangs bleibt kühl: «Sacha» bettet die Themen von Abhängigkeit und Ausbeutung in die Erzählung ein, anstatt sie herumzuzeigen. (blu)
Auf Arte, Play Suisse
The Godfather
Mafiafilm von Francis Ford Coppola, USA 1972, 176 Min.
Die «Godfather»-Trilogie wurde digital restauriert, denn vor fünfzig Jahren kam der erste Teil ins Kino. Coppolas Inszenierung wirkt noch immer frisch; Marlon Brando und Al Pacino spielen unwahrscheinlich gut. Nach dem Zweiten Weltkrieg: Vito Corleone (Brando) führt seine Familie in einen Mafiakrieg, weil er sich gegen den aufkommenden Drogenhandel stemmt. Sein jüngster Sohn (Pacino) hält sich erst fern vom Familiengeschäft, steigt schliesslich aber zum neuen Don auf. Wie es ihm danach ergeht, sieht man in den beiden Fortsetzungen. Das Arthouse Alba zeigt alle drei Teile hintereinander. (ggs)
So 27.2., 11.30 Uhr, Arthouse Alba
Russian Ark
Historienfilm von Alexander Sokurow, Russ 2002, 96 Min.
Die Eremitage in St. Petersburg gehört zu den prächtigsten Museen der Welt. In dieser Kulisse hat Alexander Sokurow einen aufwendigen Film gedreht, eine Reise durch dreihundert Jahre russischer Geschichte – alles in einer einzigen, ununterbrochenen Einstellung mit zweitausend Statistinnen und Statisten. Da sehen wir Katharina die Grosse bei einer Theatervorstellung, die Familie von Nikolaus II. beim Frühstück oder eine Besprechung der Museumsleitung während der Stalin-Diktatur. Eine spektakuläre, durchaus auch kritische Auseinandersetzung mit Russland. (ggs)
Do 24.2., Di 15.3., Filmpodium
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