
Meine Frage ist etwas heikel: Wöchentlich kommt eine Raumpflegerin und reinigt während dreier Stunden (von 13 bis 16 Uhr) unser Haus. Nun benutzt sie jedes Mal, wirklich ohne Ausnahme, unsere Toilette – und zwar immer, nachdem sie sie gereinigt hat. Die Raumpflegerin kommt jeweils direkt von zu Hause und geht anschliessend wieder nach Hause. Mit dem Auto hat sie dafür fünf Minuten. Nun zu meiner Frage: Sehe ich das zu eng, wenn mich das stört? Müsste ich toleranter sein? Es will mir nicht in den Kopf, dass unsere Reinigungskraft, die ja kein Gast oder Familienmitglied ist, jedes Mal unsere Toilette benützen muss. Auch weiss ich nicht recht, wie ich es ihr sagen soll ... Was meinen Sie?R. S.
Liebe Frau S.,
Sie befürchten nicht ohne Grund, dass das etwas merkwürdig sein wird, wenn Sie Ihre Reinigungskraft auf die Problematik ansprechen. Denn zum einen ist es ja schon intim, was Sie zu monieren gedenken und zum anderen kann es in der Tat als ein wenig kleinlich empfunden werden, wenn Sie da so offensichtlich den Überblick über die Toilettenfrequenz Ihrer Raumpflegerin haben.
Aber es stört Sie nun einmal, und das steht Ihnen zu, und überhaupt ist das die Prämisse dieser unserer kleinen Rubrik: dass man hier seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann, wir nennen die niemals nichtig, und wir urteilen schon gar nicht darüber, sondern wir hören zu und haben Verständnis, es ist ein wenig wie beim Therapeuten, dort darf man auch alles sagen, was einen grad so bewegt, egal, wie unbedeutend das anderen erscheinen mag. Es geht um Sie.
So!
Zunächst einmal dünkt es mich überaus nachvollziehbar, dass Ihre Reinigungskraft die Toilette n a c h dem Saubermachen benützt. Man sucht doch lieber eine saubere als eine unsaubere Toilette auf, womit ich in keiner Weise sagen will, dass sich diese Ihre Toilette vor dem Einsatz der Reinigungskraft in einem besonders verheerenden Zustand befände – aber trotzdem: so ein blitzblankes WC ist doch einfach von einem anderen Kaliber, es macht den Aufenthalt in eben selbigem ungleich erfreulicher.
Erklären Sie sich fadengerade. Da müssen Sie durch.
Was uns bei der Lösungsfindung etwas handicapiert, ist der fehlende Hinweis darauf, in welchem, nun, Umfang Ihre Raumpflegerin die Toilette benützt. Angesichts der drei Stunden, die sie bei Ihnen tätig ist, dünkt es einen vertretbar, dass sich während dieser Dauer die Blase einmal meldet; eventuell trinkt die Dame viel Wasser, wie das die Frauenheftli unablässig empfehlen, und dieses Wasser muss ja auch irgendwann wieder raus. Zudem macht körperliche Arbeit durstig.
Gänzlich anders verhält es sich indes, wenn statt der Blase der Darm involviert wäre. Da müsste man sich entschieden dagegen verwahren, da gibt es kein Pardon, in diesem Fall soll die Dame ihre Verdauung, bitte, zeitlich anders abstimmen, denn das wäre ganz und gar inakzeptabel, weil einfach nur ganz schauderhaft.
Aber um welchen Sachverhalt es sich auch handeln mag: Sollte es Ihnen zu bunt werden, dann schleichen Sie sich nicht umständlich ans Sujet heran, reden Sie also nicht vertruckst-scheinheilig darum herum, indem Sie Fragen nach einem eventuellen Blasen- oder Darmleiden stellen, denn das wäre feige.
Erklären Sie sich fadengerade. Da müssen Sie durch.
Bettina Weber
----------
Haben Sie Fragen? Schicken Sie sie an gesellschaft@tagesanzeiger.ch
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch
Darf die Raumpflegerin unsere Toilette benützen?
Die Antwort auf eine Stilfrage zum stillen Örtchen.