Das Abschiedsgeschenk des Stromgiganten
Ein Deal mit François Hollande ermöglicht die Abschaltung des AKW Fessenheim.

Es war vor fünf Jahren eines der Wahlversprechen von François Hollande: die Ausserbetriebnahme des vor allem bei den Nachbarn in Baden-Württemberg und Basel gefürchteten Elsässer Atomkraftwerks Fessenheim am Rhein. Der demnächst abtretende Staatspräsident konnte dieses Versprechen – wie viele andere – bis anhin nicht einlösen. Jetzt gönnt ihm der Stromgigant Electricité de France (EDF), der das AKW betreibt, unmittelbar vor seinem Rücktritt aller Voraussicht nach doch noch einen Teilerfolg: Morgen Donnerstag dürfte der EDF-Verwaltungsrat einem Deal zustimmen, mit dem er sich zum Abstellen von Fessenheim verpflichtet. Zwar nicht sofort oder zu einem bereits festgesetzten Termin, aber dann, wenn der neue, 1600-Megawatt-Reaktor in Flamanville ans Netz geht. Das ist im besten Fall in zwei Jahren, wenn denn das seit Jahren mit technischen Problemen und explodierenden Kosten kämpfende Prestigeprojekt der französischen Atomindustrie tatsächlich betriebsbereit ist.
Auf Umwegen zum Abstellen
Einen Regierungsentscheid zum Abstellen von Fessenheim, wie ihn AKW-Gegner und Grenznachbarn seit Jahren forderten, brachte Hollande in seiner Amtszeit nicht zustande. Zu stark ist die Nuklearindustrie in Frankreich politisch verankert. Umweltministerin Ségolène Royal gelang es bloss, im 2015 verabschiedeten französischen Energiewendegesetz eine Deckelung der nationalen Atomstromproduktion zu verankern. Bei einem Anschluss von Flamanville ans Netz würde die gesetzlich neu festgelegte Maximalproduktion aber überschritten: EDF muss dann mindestens zwei seiner 58 in die Jahre gekommenen Reaktoren abstellen. Das könnten, müssen aber nicht die beiden Fessenheim-Reaktoren sein.
Die EDF lässt Hollande ihr spätes Zugeständnis teuer bezahlen. Der von der Regierung Hollande eingesetzte Konzernchef Jean-Bernard Lévy nannte Ende Januar drei Bedingungen für ein Fessenheim-Aus: Zum einen müsse die auslaufende Bewilligungsfrist für den verzögerten Flamanville-Neubau bis 2020 verlängert werden. Zum anderen müsse EDF einen seit über zwei Jahren wegen technischer Probleme abgestellten Reaktor des Werks Paluel ebenfalls ohne neues Bewilligungsverfahren wieder in Betrieb nehmen dürfen. Und drittens müsse die EU-Kommission der mit Ségolène Royal ausgehandelten Entschädigung von 400 Millionen Euro für die Fessenheim-Abstellung zustimmen.
Seit dem letzten Freitag sind diese drei Bedingungen alle erfüllt.
Neue Regierung entscheidet neu
Der EDF-Chef wird morgen Donnerstag aller Voraussicht nach dem Drängen Hollandes nun also nachgeben und damit dem scheidenden Staatspräsidenten ein Abschiedsgeschenk machen. Lévy kann sich damit revanchieren: Immerhin war es die Regierung Hollande, die ihn an die Spitze des europäischen Stromgiganten brachte. EDF gehört zu 85,6 Prozent dem französischen Staat und funktioniert trotz europäischer Strommarkt-Liberalisierung bis heute wie ein Staatsunternehmen.
Grafik: In Frankreich sind 58 Reaktoren in Betrieb

Bereits an der letzten Verwaltungsratssitzung im Januar hatte es Lévys Stichentscheid gebraucht, um Hollandes Abstellpläne nicht endgültig zum Absturz zu bringen. Es gab eine Pattsituation, bei der zwar unter anderen auch die Ex-Präsidentin des Arbeitgeberverbands für die ausgehandelte Abstellentschädigung von 400 Millionen Euro und damit für ein Fessenheim-Aus stimmte, sämtliche Gewerkschaftsvertreter aber waren dagegen. An der Zukunft der nationalen Atomwirtschaft zweifeln inzwischen zwar viele Wirtschaftsfachleute, nicht aber die Konzernführungen und die Arbeitnehmervertreter.
Ganz in Stein gemeisselt ist im Übrigen auch der Verwaltungsratsbeschluss zum Abstellen von Fessenheim nicht: Die Präsidentschaftskandidaten François Fillon und Marine Le Pen wollen nämlich auf einen allfälligen EDF-Entscheid zurückkommen. Der Sozialist Benoit Hamon und sein linker Konkurrent Jean-Luc Mélenchon sind für den Ausstieg aus der Atomenergie. Und der aussichtsreichste bürgerliche Kandidat, Emanuel Macron, will den im Energiewendegesetz eingeschlagenen Weg einhalten.
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