Das Camp der guten Hoffnung
In Dietikon treffen sich vertragslose Fussballer zum gemeinsamen Training. Sie sehnen sich nach dem Gefühl, wieder gebraucht zu werden.

Der Alltag ist an diesem Ort weit weg. Dietikons Sportplatz liegt in der Peripherie der Stadt. Mitten in einem Wald, eine versteckte Idylle. «Primework Arena» wird sie nach einem Sponsor aus der Stellenvermittlungsbranche genannt. Dort trainieren an diesem Morgen 21 Fussballer. Sie sind hier, weil die Fussballclubs ihre Arbeit eben nicht mehr als «prime», also erstklassig, befinden. Sie alle sind vertragslos.
Für die Gestrandeten organisiert die Spielergewerkschaft SAFP bereits im 14. Jahr ein Trainingscamp. Für Gewerkschaftsmitglieder ist es gebührenfrei. Der Jahresbeitrag kostet Spieler aus der Super League 160 Franken, jene aus der Challenge League zahlen 110 Franken. Trainingseinheiten, Physiotherapeut, Fitnessund Koordinationstests, Zugang zu einem Fitnesscenter, Mittagessen – alles inklusive. Es soll sich zumindest so anfühlen wie der gewohnte Alltag. Eine Zäsur ist dieser Sommer aber für alle. Wie es weitergeht, weiss hier niemand. Noch hält die Hoffnung die Resignation in Schach. Die Stimmung im Training ist weder angespannt noch euphorisch. Gesprochen wird nur, wenn die Übung Kommunikation verlangt. Der Gesang der Vögel dominiert.
Geleitet werden die Trainings von Goran Ivelj, Trainer beim FC Dietikon und einst selbst Spieler in der Challenge League. Der 37-Jährige sieht sich nicht nur als Übungsleiter, sondern auch als Psychologe, gibt Ratschläge und ermutigt. Die Erfahrung, selbst einmal vertragslos gewesen zu sein, hilft Ivelj dabei. Das Schicksal mancher Spieler nehme ihn dennoch mit. «Weil nicht immer nur die Qualität des Spielers entscheidet, sondern auch viel Politik dahintersteckt. Die Spieler werden heute nur noch wie Spielfiguren behandelt.»
Das Ziel: Möglichst schnell weg
Wege führen viele nach Dietikon. Da sind Spieler wie der 22-jährige Admir Seferagic, bei denen das Etikett «vielversprechendes Talent» nicht mehr anerkannt wird. Spieler wie der 33-jährige Orlando Urbano, deren Routine nicht mehr gefragt ist. Oder Spieler wie Ilija Kovacic, die im besten Fussballeralter den Durchbruch noch nicht geschafft haben. In Schaffhausen wurde der 25-jährige Torhüter gerade abserviert. Er, der schon in Basel, St. Gallen, Chiasso und Aarau unter Vertrag stand, hielt sich zuletzt in Zagreb mit dem Personal Trainer von Tennisprofi Milos Raonic fit. Nun kam er auf Einladung von Milan Sarovic zurück. Der 68-Jährige, der einst Diego Benaglio oder Eldin Jakupovic formte, unterstützt das Camp ehrenamtlich als Goalietrainer. Weil er es eine gute Sache findet.
Dasselbe sagt auch Ilija Kovacic. «Wenn man sieht, dass andere Spieler dasselbe Schicksal ereilt, dann macht es das für mich erträglicher.» Zum Camp pflege er eine Art Hassliebe. Er ist froh, hier sein zu können, aber eigentlich will er nur eines: möglichst schnell weg. Die Zukunft, sie beschäftigt Kovacic schon. «Aber der Sommer ist ja noch jung.» Will heissen, dass noch genügend Zeit bleibt, um bei einem Club Unterschlupf zu finden. Suboptimal ist jedoch, dass die Liga in der Schweiz in gut drei Wochen wieder ihren Betrieb aufnimmt.
Rare Schaufenster
Deshalb sind Testspiele wie jenes gestern, als sich die Vertragslosen mit dem Challenge-League-Verein FC Wil duellierten, umso wichtiger. Sie sind ein Schaufenster, in dem sie sich präsentieren können. Ansonsten müssen die Spieler auf Einladungen zu Probetrainings hoffen. Es kommt nicht selten vor, dass Vereine erst Einschätzungen von Trainer Ivelj wünschen und dann entscheiden. Dass die Clubs das Camp wahrnehmen und die Teilnehmer beobachten, ist ein starkes Argument für eine Partizipation. Ein Spieler sagt aber, dass viele vertragslose Fussballer zu stolz seien, um nach Dietikon zu kommen. «Dabei ist alles besser, als alleine zu Hause trainieren zu müssen.»
Sollte einer diesen Sommer keine Anschlusslösung finden, so besteht noch immer die Möglichkeit, sich United Zürich in der Promotion League anzuschliessen. Ab diesem Sommer kooperiert der Verein mit der Spielergewerkschaft. Das Konzept sieht vor, vertragslose Spieler im Team einzubinden, um ihnen Spielpraxis zu ermöglichen.
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