«Das Christkind könnte verschwinden»
Immer häufiger bringt der Weihnachtsmann den Deutschschweizer Kindern die Geschenke. Der Experte erklärt, wieso.
Eigentlich bringt das Christkind den Kindern in der Deutschschweiz an Weihnachten die Geschenke. Je länger, je mehr läuft der Weihnachtsmann dem Christkind aber den Rang ab. Bereits seit 1931 wirbt Coca-Cola in der Vorweihnachtszeit mit dem freundlichen, alten Mann mit weissem Rauschebart, neuerdings setzen auch die Schweizer Unternehmen Swisscom und Manor auf ihn statt traditionsgemäss auf das Christkind.
Mit Unmut wird diese Entwicklung rege in den sozialen Medien diskutiert: «Jedes Mal, wenn ich den TV-Spot der Swisscom sehe, in dem «dä Wiehnachtsmaa» die Geschenke bringt, frage ich mich, ob man der verantwortlichen Agentur nicht sagen sollte, dass die Deutschschweiz nicht in Norddeutschland liegt», wettert ein Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter und hängt eine Karte Europas an, auf welcher ersichtlich wird, wer in den verschiedenen Regionen an Weihnachten die Geschenke bringt.

«Santa Claus ist eigentlich eine Rückkehr des Samichlaus in anderem Gewand», sagt Mischa Gallati, Dozent für Populäre Kulturen an der Universität Zürich. Der ursprüngliche Geschenktermin seit dem Mittelalter sei der 6. Dezember gewesen und Nikolaus von Myra, ein Bischof, der Überbringer der Geschenke. Im 16. Jahrhundert während der Reformation wurde diese katholische Gestalt für Luther zum Problem, worauf das Christkind eingeführt und das Datum auf die heutigen Weihnachtsfeiertage verlegt wurde.
«Im 19. Jahrhundert trat in Deutschland der Weihnachtsmann als Konkurrenzfigur zum Christkind auf», so Gallati. Dieser sei bereits weitgehend säkularisiert gewesen. Dennoch vereinige er das duale christlich-katholische Denken, das bei Sankt Nikolaus mit seinem Schmutzli noch getrennt war, in einer Person: «Der Weihnachtsmann ist sowohl lobend als auch bestrafend», sagt Gallati. Dadurch wurde aus dem Überbringer der Geschenke auch ein pädagogisches Mittel, das von den Eltern rege genutzt wird.
Nicht religiös und weltbekannt
Dass in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz nicht vom Christkind, sondern vom «Père Noël» beziehungsweise vom «Babbo Natale» (Weihnachtsvater) die Rede ist, dafür seien Kultur- und Sprachräume verantwortlich. «Auch in der Deutschschweiz gibt es Regionen, in denen der Weihnachtsmann eine längere Tradition hat», sagt Gallati. Aktuelle Erhebungen zum geografischen und linguistischen Gebrauch der einzelnen Geschenküberbringer gebe es allerdings keine.
Erstaunlich ist, dass sich das protestantische Konstrukt des Christkinds in erzkatholischen Regionen etablieren konnte. Laut Gallati gibt es aber bisher keine empirischen Untersuchungen, die sich mit diesem Phänomen auseinandergesetzt haben. Dass der Terminus Christkind trotzdem über die Konfessionsgrenzen hinweg akzeptiert wurde, habe vor allem mit der medialen Verbreitung zu tun.
Der Weihnachtsmann könnte sich längerfristig durchsetzen: «Es ist gut möglich, dass die Figur des Christkinds verschwindet und ersetzt wird», so Gallati. Der Weihnachtsmann habe die Vorteile, in vielen gesellschaftlichen Kontexten vorzukommen, nicht religiös konnotiert zu sein und zudem über ein weltweit bekanntes Gesicht zu verfügen.
Letztlich müssen die Kinder mit der Figur klarkommen – doch die seien flexibel und sich der Pluralität der Figuren bewusst, sagt Gallati. So sei es auch kein Problem, dass der Luzerner Samichlaus ein Bischof sei, während der Zürcher Samichlaus dem Weihnachtsmann ähnlich sehe. Hauptsache, Geschenke ...
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