Das Feindbild ist wieder da
Der gefallene Football-Star Colin Kaepernick kämpft um eine faire Chance, in den Sport zurückzukehren. Nun darf er sich in einem Probetraining zeigen.

Auf den ersten Blick sieht es aus wie eine Chance. Ein Einlenken. Der Versuch einer Versöhnung. Auf den zweiten: nicht mehr so sehr. Vielmehr wie eine Falle. Ein Trick. Eine PR-Aktion.
Fakt ist: Der gefallene Star-Quarterback Colin Kaepernick darf diesen Samstag sein Können beweisen und in Atlanta den 32 Teams der National Football League zeigen, wozu er auch nach fast drei Jahren ohne Matchpraxis noch fähig ist. Die NFL hat diesen «work-out» organisiert und ihn am Dienstagabend völlig überraschend angekündigt. Sie werde die Aufnahmen auch allen Teams zur Verfügung stellen, die nicht persönlich anwesend sein können.
Der Termin wirkt wie das Ende eines jahrelangen Streits. Ende 2016 hatte Kaepernick letztmals auf dem Spielfeld gestanden, im Dress der San Francisco 49ers, doch danach fand er keinen Verein mehr. Grund: Der Spielmacher hatte in jener Saison begonnen, zur Nationalhymne zu knien. Er protestierte damit gegen Polizeigewalt gegenüber Schwarzen und Rassismus generell und wurde dafür vom vornehmlich weissen NFL-Publikum angefeindet. Auch vom US-Präsidenten, der ihn indirekt einen «Hurensohn» schimpfte.

Eine Verschwörung?
Für die «Black Lives Matter»-Bewegung wurde Kaepernick zur Ikone, für die Footballteams aber zum heissen Eisen: Nicht ein einziges Mal sei der heute 32-jährige Quarterback zu einem Probetraining oder nur schon zum Gespräch eingeladen, sagte er einmal. Dabei ist sein Spielstil spektakulär und gefragt, dabei fielen ligaweit Quarterbacks wegen Verletzungen aus. Weil Kaepernick dies für eine Verschwörung hielt, verklagte er die NFL, deren Teams Franchisen sind.
Die Liga lenkte im vergangenen Februar in einen Vergleich ein, was als Schuldeingeständnis gewertet wurde, das die NFL gegen 80 Millionen Dollar gekostet haben soll. Doch verpflichtet wurde der Superbowl-Teilnehmer von 2013 auch danach nicht.
«Auf diese Gelegenheit warte ich seit drei Jahren.»
Inzwischen aber ist die Not riesig. Mehr als ein Dutzend Teams musste in dieser Saison schon den Spielmacher wechseln, sei es wegen Verletzungen bei Stars wie Ben Roethlisberger (Pittsburgh), Drew Brees (New Orleans) oder Cam Newton (Carolina) oder weil sie den Ansprüchen nicht mehr genügen. Oder gar nie genügt hatten. Carolina verpflichtete im September 2018 zwar Kaepernicks früheren Teamkollegen Eric Reid, der einst an der Seite von Kaepernick zur Nationalhymne kniete und das bis heute tut. Aber im Gegensatz zum Lockenkopf diente Verteidiger Reid dem Pöbel viel weniger als Feindbild.
Kaepernick selbst reagierte überrascht auf die Ankündigung der NFL, für ihn nun ein Probetraining anzusetzen. Auf Twitter wiederholte er, was er seit Monaten und Jahren bekräftigt: dass er in bester Form sei und bereit, dies den Cheftrainern und General Manager zu beweisen. Er schrieb: «Auf diese Gelegenheit warte ich seit drei Jahren.»
Nur ist fraglich, wie viele tatsächlich kommen werden an diesem grossen Tag. Denn die Ansetzung durch die Liga lässt Fragen offen. Während der Saison ist der Samstag ein denkbar schlechter Termin, denn 24 der 32 Teams bestreiten tags darauf ein Meisterschaftsspiel. Häufig gehen die Heimteams am Samstag nochmals durch ihr Playbook – während sich die Auswärtsteams noch auf der Anreise befinden. Wie viele Cheftrainer lassen sich da zu einem mehrstündigen Umweg bewegen?
Keine Begründung der Liga
Wie der TV-Sender ESPN berichtet, hat die NFL den Wunsch einiger Teams auf eine Ansetzung des Probetrainings auf den trainingsfreien Dienstag genauso abgelehnt wie eine Verschiebung auf Samstag in einer Woche. Beide Fälle hätten den überrumpelten Clubverantwortlichen mehr Flexibilität und Vorbereitungszeit erhalten. Laut ESPN verzichtete die NFL darauf, ihre ablehnende Haltung zu begründen.
«Die NFL kann nie ungeschehen machen, was sie ihm angetan hat.»
«Ist der Liga wirklich daran gelegen, dass Kaepernick einen neuen Club findet? Oder will sie mit dem Angebot nicht schlicht ihre Hände reinwaschen?», fragt deshalb die Kolumnistin von «USA Today». Sie fordert: «Die NFL kann nie ungeschehen machen, was sie ihm angetan hat. Aber ihm nun eine faire Chance zu geben, wäre ein Anfang.»
Wie viele Clubs am Samstag in Atlanta anwesend sein werden, ist offen. Zumindest die Dallas Cowboys haben ihr Kommen jedoch bereits angekündigt. Und eine Verpflichtung durch die Texaner, auch bekannt als «America's Team», wäre kein Trick und keine PR-Aktion. Sondern nichts weniger als: eine Sensation.
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