Das gefährliche Duell mit der Schuldendecke
US-Staatsanleihen gelten als so sicher, dass Staaten ihre Reserven hier anlegen und Banken sie als Absicherung für ihre Geschäfte fordern. Das könnte sich im August schlagartig ändern und zur Katastrophe führen.

Die Szene ist aus Actionfilmen bekannt: Zwei Autos rasen mit Vollgas auf der gleichen Spur aufeinander zu. Weicht am Ende keiner aus, kommt es unweigerlich zum Crash. Mit wenig Überlebenschancen für beide Fahrer. In der Ausgangslage der beiden Fahrer befindet sich die US-Politik im Zusammenhang mit der sogenannten gesetzlich verankerten Schuldenobergrenze der USA. Im Unterschied zum Autobeispiel sind von einem Crash aber nicht nur die Beteiligten betroffen, sondern die ganze Welt.
Dem einen Autofahrer entspricht die Obama-Administration der Demokraten, dem anderen die Opposition der Republikaner. Die Regierung unter Barack Obama kann ohne Erhöhung der Schuldenobergrenze ab dem August rund einen Drittel ihrer Rechnungen nicht mehr bezahlen. Die Republikaner fordern für ihre Einwilligung drastische Sparpläne der Regierung. Diese will dazu aber nicht Hand bieten, denn das würde die ohnehin schwächelnde Wirtschaft noch weiter unter Druck setzen. Ausserdem hat die Administration bereits eigene Sparpläne vorgelegt.
14,3 Billionen Dollar sind nicht genug
Der Reihe nach: Die US-Regierung kann sich nur über einen gesetzlich festgelegten Betrag hinaus neu verschulden, wenn der Kongress dazu sein Einverständnis gibt. Bis zum 2. August steht wieder einmal eine solche Erhöhung über den aktuellen Maximalwert von 14,3 Billionen Dollar an. Trotz der hohen Summe ist der Erhöhungsbedarf selbst nicht das, was weltweit am meisten für Beunruhigung sorgt, denn diese Zahlen sind längst bekannt und die Amerikaner haben kein Problem, an den Märkten an das benötigte Geld zu kommen. Das zeigen die Renditen für US-Staatsanleihen, die mit knapp 3 Prozent auf einem historischen aussergewöhnlich tiefen Niveau notieren. Noch immer gelten die US-Staatsanleihen als ausgesprochen sichere Investition.
Wenn sich die Parteien aber nicht auf eine Erhöhung der Schuldengrenze einigen, muss die Regierung sofort wichtige laufende Zahlungen einstellen. Das könnte die Sozialinstitutionen Social Security und Medicare betreffen, das Militär, Löhne von Staatsbediensteten oder die Zinsen auf der Staatsschuld.
Die Ratingagenturen und China warnen
Vor allem diese letzte Möglichkeit sorgt weltweit für die grösste Unruhe: Ein Zinsausfall kommt einem Teilbankrott der US-Staatsanleihen gleich. Kein Wunder haben bereits die Ratingagenturen davor gewarnt, dass sie das bisherige Höchstrating für die US-Schulden nicht mehr aufrechterhalten würden, wenn die Erhöhung der Schuldenobergrenze scheitert. Gewarnt haben bereits auch die Zentralbanken von Oman und China. Beide Länder haben einen Grossteil ihrer Reserven in US-Staatsanleihen angelegt – wie viele andere Länder der Welt auch.
Ein Vertreter der chinesischen Zentralbank warnte die amerikanischen Parlamentarier offen, nicht weiter «mit dem Feuer zu spielen». China sitzt allein auf mehr als einer Billion Dollar US-Schulden und ist damit der grösste Gläubiger der US-Regierung. Treasuries, wie die US-Staatspapiere genannt werden. Bei einer Ratingabstufung und ausfallenden Zinszahlungen müssten China und all die anderen Länder, die in US-Staatsanleihen investiert haben, drastische Abschreibungen vornehmen.
Akutes Risiko auch für die Finanzmärkte
Aber auch der Finanzsektor ist gefährdet. Gerade weil die US-Staatspapiere als sicherste Anlagen gelten, werden sie bei allen Arten von Finanzgeschäften als Sicherheit akzeptiert. Rund 4 Billionen Dollar sind laut der «Financial Times» zur Absicherung von sogenannten Repo-Futures und Swap-Geschäften in Treasuries hinterlegt.
Geraten diese Papiere nun plötzlich unter Bankrottverdacht und sinken deshalb deutlich im Wert, würden diese hinterlegten Papiere als Sicherheit nicht mehr ausreichen und unzählige Finanzmarktakteure wären zu Nachschusszahlungen verpflichtet. Ausserdem würden sie nur noch mit deutlichen Abschlägen neu als Sicherheit akzeptiert. Das könnte zu einer radikalen Liquiditätsverknappung an den Märkten führen und Notverkäufe von Anlagen mit der Folge von Kursstürzen auslösen, wie sie auch schon die Finanzkrise verschärft haben. Wie Finanzzeitungen berichten, haben US-Grossbanken bereits damit begonnen, auf den August hin ihre Bargeldbestände auszuweiten, um für Nachschussforderungen bei einem Treasury-Preiszerfall besser vorbereitet zu sein.
Wie die nach wie vor tiefen Renditen der US-Staatsanleihen zeigen, gehen die Märkte insgesamt noch nicht davon aus, dass es zum befürchteten Showdown kommt. Noch setzen sie darauf, dass die Politiker zur Vernunft kommen und rechtzeitig einen Kompromiss aushandeln. Das Beispiel mit den Autofahrern ist aber eine Warnung: Wenn jede Seite nur auf die Vernunft und den Überlebenswillen der anderen Seite setzt, ist der Crash unvermeidlich.
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