
«Glanz und Gloria»-Aushilfe Bettina Bestgen läuft am Schweizer Filmpreis umher und befragt Prominente, darunter auch Bundesrat Alain Berset. Der Auftritt von Bestgen, eigentlich Radiomoderatorin, ist vif. Auf ihrer linken Schulter prangt der Federschmuck eines Indianerhäuptlings, auf dem rechten Unterarm ein radelndes Skelett. Vor ein paar Jahrzehnten hätte man solche Tattoos vermutlich als «verrückt» oder «frech» bezeichnet; heute ist auch ein Ganzarm-Tattoo keine Rarität mehr.
Kein Grund zur Aufregung also? Von wegen. TV-Kritiker René Hildbrand ist genervt und erklärt: «Menschen mit Kundenkontakt (in diesem Fall sind die TV-Zuschauer die Klientel) haben aussergewöhnliche Tattoos während ihrer Arbeit mit Kleidung zu bedecken.» Zugleich gibt sich Hildbrand gönnerhaft: «No problem», sagt er zu «Mainstream»-Tattoos, und: «Jedem das Seine.» Aber alles hat seine Grenzen: Die Tattoos von Steffi Buchli gingen «gerade noch knapp durch», die Tattoos von Bestgen dagegen, die seien ein «No-go».
Man kennt das. Es ist das zutrauliche Säuseln des Sittenwächters: «Du darfst, aber ...» Wenn schon rauchen, dann bitte E-Zigarette. Wenn schon Rockmusik, dann bitte Krokus und nicht Sepultura. Wenn schon lange Haare, dann bitte gepflegt. Wenn schon Tattoos, dann bitte bedeckt … aber am liebsten natürlich gar nicht! Was soll das überhaupt mit diesen Tattoos? «Tätowierungen waren einst der Körperschmuck der Unterwelt, ein Zeichen von Knastis und Matrosen», erinnert uns Hildbrand.
Eine Geschmacksfrage, nichts mehr als das
Selbstverständlich gibts heute noch Vorbehalte und Animositäten gegenüber Tattoos, etwa beim TV-Kritiker Hildbrand. Aber sie im Fernsehen deswegen ganz oder teilweise – wo endet das Mainstream-Tattoo, wo beginnt das unanständige Outlaw-Tattoo? – verbieten zu wollen, ist natürlich biederer Quatsch. Man könnte sich genauso gut enervieren über die Falten, die im teuren Flachbildschirm-TV beim älteren Moderator so unschön hervortreten. Man könnte sagen, ein Ostschweizer Dialekt sei eine unerträgliche Zumutung. Man könnte sich beklagen über Roger Schawinskis Anglizismen. Man könnte all das zum «No-go» erklären – und SRF auffordern, jetzt doch bitte endlich, endlich zu handeln und sich dem absolut gültigen Geschmack des «Klients des SRF», einem selber also, anzupassen. Ja, Tattoos sind, wenn sie nicht mit rassistischen Symbolen oder dergleichen spielen, in allen Formen, Farben und Grössen eine blosse Geschmacksfrage, nichts mehr als das. Dass Hildbrand die «dezenten Tattoos» einer Michelle Hunziker «sogar sexy» findet, dürfte radikaleren Tattoo-Feinden gar nicht gefallen.
«Laut Psychologen lassen sich Menschen tätowieren, weil sie damit ihre Einzigartigkeit zum Ausdruck bringen wollen», schreibt Hildbrand. Vielleicht wollte der Kritiker ja seine eigene Einzigartigkeit mit einer Attacke auf «Glanz & Gloria», die in No-Billag-Zeiten bereits arg ramponierte und oft kritisierte Klatschsendung, beweisen. Dumm nur, dass es diesmal für einmal nicht um Vujo Gavric oder Melanie Winiger ging, sondern um Filmpreise. Blöd auch, dass Bestgen einen passablen Job machte. Was blieb dem armen Kritiker? Ein radelndes Skelett.
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch
Das ist biederer Quatsch!
Ein Kritiker würde gerne Tattoos auf SRF verbieten. Armer Kritiker.