Das Kreuz mit den Kreuzfahrten – 10 kritische Fragen und Antworten
Riesenschiffe gelten als Sündenböcke der Reisebranche. Was bedeutet das Geschäft auf hoher See für die Umwelt wirklich?

Immer mehr grosse Kreuzfahrtschiffe, die schädliche Emissionen verursachen, und immer mehr Passagiere, die ganze Hafenstädte überfluten: Pauschale Urteile setzen die Kreuzfahrtbranche unter Druck. Was aber steckt tatsächlich dahinter, was sind die geltenden Vorschriften, wie handelt die Cruise-Industrie? Dazu zehn kritische Fragen und Antworten:
1. Es gibt immer mehr Kreuzfahrtschiffe – ist das Wachstum nachhaltig?
Gegen 400 Kreuzfahrtschiffe sind weltweit im Einsatz. Das entspricht einem Anteil von 0,8 Prozent an der weltweiten Handelsflotte von rund 50'000 Schiffen. Die über 100 neuen Kreuzfahrtschiffe, die in den nächsten Jahren vom Stapel laufen, verändern diese Quote kaum. Es ist die gesamte Schifffahrt, die Umwelt-Fragen lösen muss.
2. Cruise-Passagiere überfluten Hafenstädte – wohin führt der Overtourism?
Die Besuchermassen an beliebten Destinationen sind ein Problem des weltweit wachsenden Tourismus: 2018 waren über 1,4 Milliarden Menschen auf Reisen. Billig-Flüge und der Airbnb-Trend tragen viel zum Phänomen bei, punktuell auch die Kreuzfahrten: In Venedig stellen sie 6 Prozent der Besucher, in Barcelona 8 Prozent. Andere Ziele wie Kotor, Santorini oder die norwegischen Fjorde leiden vergleichsweise stärker unter dem Kreuzfahrttourismus. Anlaufhäfen und Reedereien sind gefordert, Liegeplätze und Zeiten besser zu koordinieren und zu regulieren. In Dubrovnik oder Bergen wurden bereits erste Einschränkungen beschlossen. Gegensteuer könnten auch die Reedereien mit alternativer Routenplanung geben.
3. Auf hoher See guckt ja keiner hin – wird alles über Bord gespült?
Es gibt weltweit verbindliche Vorschriften der IMO (Int. Maritime Organization der UNO): Abfall darf auf See nicht über Bord geworfen werden, ausser zerkleinerte Lebensmittelabfälle ausserhalb der 12-Seemeilen-Grenze. Abfall wird deshalb an Bord verbrannt oder getrennt, rezykliert und an Land entsorgt. Ob dort die Entsorgung immer ökologisch erfolgt, ist eine andere Frage. Ausserhalb der 12-Meilen-Grenze darf gemäss IMO Abwasser ins Meer geleitet werden, ausser in gewissen Sonderzonen. Die meisten Reedereien haben sich aber darauf verpflichtet, Abwasser vorgängig in Kläranlagen an Bord zu reinigen oder an Land zu entsorgen.
4. Kreuzfahrtschiffe sind Dreckschleudern – gibt es da keine Vorschriften?
Der wichtigste Treibstoff in der Schifffahrt ist nach wie vor das preiswerte und überall verfügbare Schweröl. Das Verbrennen von Schweröl hat Gesundheits- und Umwelt-schädliche Emissionen zur Folge, wobei der Fokus auf dem Schwefelgehalt liegt: Dieser darf heute noch bis 3,5 Prozent betragen – ein Wert, der massiv über demjenigen für Diesel-Autos liegt. Es gibt aber Sonderzonen (etwa die Nord- und Ostsee), wo nur noch ein Schwefelgehalt von 0,1 Prozent erlaubt ist. Vor allem aber: Ab 1. Januar 2020 verlangt eine neue IMO-Regulierung, dass in der Schifffahrt weltweit nur noch Treibstoff mit einem maximalem Schwefelgehalt von 0,5 Prozent verwendet werden darf.
5. Nun spricht alle Welt von Flüssigerdgas – gute Lösung oder Augenwischerei?
Um den neuen Vorschriften zu genügen müssen die Reedereien auf schwefelärmere Treibstoffe wechseln. Bereits heute wird z.T. Marine-Diesel mit einem Schwefelgehalt von 0,1 Prozent verwendet, der aber doppelt so teuer ist wie Schweröl. Als neue Alternative kommt nun LNG (liquefied natural gas, Flüssigerdgas) ins Spiel: Beim Verbrennen von LNG werden schädliche Emissionen massiv verringert und teilweise vermieden. Der Umbau von Schiffen auf LNG ist aber wegen der baulichen Anforderungen kaum möglich – LNG kommt deshalb erst auf Neubauten zum Einsatz: Aktuell sind über 30 LNG-Schiffe geplant, als erste derartige Einheit ist seit Ende 2018 die Aida Nova im Dienst. Nur: Die Verfügbarkeit von LNG ist noch längst nicht überall gegeben, und in der Kritik steht auch das «Fracking», die wenig ökologische Gewinnung von LNG.
6. Schweröl wird nicht explizit verboten – darf weiterhin verpestet werden?
Schiffe, die nach 2020 weiterhin Schweröl verbrennen, müssen zwingend ein spezielles Abgasnachbehandlungssystem mit Scrubber und Katalysator einbauen, um den neuen Werten zu genügen. Solche Systeme sind voluminöse Baukörper, deren Einbau in die Struktur des Schiffes eingreift. Lösungen von der Stange gibt es keine, die Kosten sind hoch. Der Umbau der weltweiten Schiffsflotte ist im Gange, wenn auch noch längst nicht überall umgesetzt.
7. Hafenstädte klage über Feinstaub – warum ist das Problem ungelöst?
Ein Katalysator kann Feinstaub ausscheiden, nicht aber Ultrafeinstaub. Dafür gebe es noch keine ausgereifte technische Lösung, erklärt man in der Industrie unisono. Für die Energieversorgung der Schiffe in den Hafenstädten wird deshalb Landstrom gefordert, doch erst wenige Häfen können diesen aktuell zur Verfügung stellen.
8. Vorgaben sind gut und recht – aber wer kontrolliert deren Einhaltung?
Zuständig sind die Flaggenstaaten und die Reedereien, respektive die von ihnen beauftragten Klassifikationsgesellschaften. Rigide Kontrollen des gebunkerten Treibstoffes oder das Messen der Emissionen erfolgen durch die Behörden der angelaufenen Hafenstaaten, Verfehlungen haben hohe Bussen zur Folge. Stellt sich nur die Frage, ob alle Behörden weltweit nach denselben Standards vorgehen.
9. Auch Schiffe heizen das Klima an – kümmert das die Reedereien?
Die Schifffahrt trägt gemäss IMO 2,8 Prozent zu den globalen CO2-Emissionen bei und ist nicht Teil des Pariser Abkommens. Nun hat die IMO erstmals eigene Ziele deklariert und will die CO2-Emissionen der Schifffahrt bis 2050 um 50 Prozent reduzieren. Dabei setzt man auf technologische Fortschritte im ganzen Bereich Schiffsbau, effizientere Motoren, alternative Treibstoffe wie auch ökonomischere Routenführungen.
10. Langfristig braucht es neue Ansätze – was bringt die Zukunft?
LNG als Treibstoff löst nicht alle Probleme, ist jedoch eine wichtige und richtige Zwischenlösung. Aber auch die Schifffahrt muss sich früher oder später von fossilen Brennstoffen trennen. An Alternativen wie Hybrid-Antrieb, Methanol, Biogas, Brennstoffzellen, Wind- und Sonnenenergie wird getüftelt – man darf auf künftige Innovationen gespannt sein.
Travelcontent/Beat Eichenberger
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