
Historisch, revolutionär! So wurde das OECD-Abkommen zur Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent gefeiert. Es war Spätherbst 2021. 136 Länder schlossen sich zusammen, um multinationalen Unternehmen die Steueroptimierung zu vergraulen. Ein lang gehegter Wunsch linksgerichteter Parteien und Regierungen weltweit. Im Nachzug der Finanzkrise 2008 begann die OECD, ein entsprechendes Framework auszuarbeiten. Aber es brauchte den Impuls der mächtigen USA, um den Plan umzusetzen.
2017 beschlossen die Republikaner unter der Führung von Präsident Donald Trump eine drastische Steuersenkung in den USA, gleichzeitig riefen sie aber die neue Steuer GILTI ins Leben. GILTI besteuert die Überschüsse ausländischer Unternehmensgewinne mit 10,5 Prozent, denn Trump wollte heimische Unternehmen, die US-Arbeitsplätze ins kostengünstige Ausland verlegten, bestrafen. Damit setzte er eine steuerpolitische Duftmarke in die Welt.
Vorwärtsgespult ins Jahr 2021: Präsident Joe Biden sitzt nun im Weissen Haus und entwirft sein drittes Ausgabenpaket in Billionenhöhe. Er braucht Einnahmen, um die geplanten Investitionen in Klimamassnahmen, Infrastruktursanierung und die Sozialhilfe zu finanzieren. Er beschliesst, die Forderung des linken Flügels der Demokraten aufzunehmen und sich für eine globale Unternehmenssteuer einzusetzen – in der Höhe von 21 Prozent.
Der Vorstoss ist nicht selbstlos. Die US-Regierung will verhindern, dass die USA als Standort an Attraktivität verlieren. Lieber global die Steuern erhöhen als im Alleingang. Und wie es ist, wenn die USA ihr Gewicht hinter eine Idee stemmen, bald waren die G-7, dann die G-20 und schliesslich rund 140 Länder an Bord, darunter die Schweiz. Zwar betrug die Steuer nun nur noch 15 Prozent – aber das OECD/G-20-Rahmenabkommen war doch ein historischer diplomatischer Erfolg. Der progressive Traum wurde wahr: Multinationale Unternehmen wie etwa Big Tech werden künftig überall dort besteuert, wo sie Profite machen.
In der Schweiz knirschten die Bürgerlichen hörbar mit den Zähnen. Kein Wunder, waren doch die Tiefsteuerkantone direkt betroffen. Ihr Geschäftsmodell, mit irländisch tiefen Steuersätzen internationale Unternehmen anzuziehen, schien vorüber. Finanzminister Ueli Maurer wollte nicht klatschen, als die Finanzminister der G-20 die Steuerreform beschlossen. Exponenten aus seiner Partei, der SVP, verlangten von ihm einen aktiven Aufstand gegen die aus ihrer Sicht links unterwanderte OECD.
Die Linke darf einfach nicht gegen eine globale Mindeststeuer sein, sie hat zu lange dafür gekämpft.
Die linken Parteien hingegen, allen voran die SP, applaudierten. «Das ist eine gute Nachricht», frohlockte SP-Ständerat Christian Levrat. «Ein geniales, ausgeklügeltes System», rühmte der Waadtländer Ökonom und SP-Nationalrat Samuel Bendahan damals.
Bei der Umsetzung gibt der Bundesrat Gas. Bereits im Januar 2022 präsentiert er den Fahrplan. Die bürgerlichen Parteien einigen sich darauf, dass es im Interesse der Schweiz ist, dem Puls der OECD zu folgen, und zwar schnell und möglichst schmerzfrei. War es möglich, dass es auch in der Schweiz einen Konsens geben würde zu einer Massnahme, die vor zwei Jahren in wirtschaftsliberalen Kreisen noch als linksradikal galt?
Ein knappes Jahr später reibt man sich die Augen – eine verkehrte Welt: Die Economiesuisse, die FDP und Die Mitte haben für die Abstimmung vom 18. Juni das Ja zur OECD-Mindeststeuer beschlossen. Die SP hingegen empfiehlt die Ablehnung, obwohl die Parteispitze die Stimmfreigabe vorschlug.
Was ist geschehen? Die SP ist nicht einverstanden, wie die künftigen Mehreinnahmen verteilt werden. Sie wollte mehr Geld für den Bund und weniger für die Kantone, mehr als die 25% , die man erkämpft hat. Denn die SP befürchtet, dass steuergünstige Kantone mit den neuen Zuschüssen die Einkommenssteuern weiter drücken. Sie befürchtet eine zusätzliche Benachteiligung im Steuerwettbewerb für Kantone wie Bern, wo die Steuern höher sind.
Natürlich ist es bitter, wenn man in der Gesetzgebungsphase in den Kommissionen seine Anliegen nicht voll durchsetzen kann. Und doch wirkt die Nein-Parole der SP bizarr und kleinkrämerisch angesichts des globalen Kontexts. Eine linke Partei darf einfach nicht gegen eine globale Mindeststeuer sein, sie hat zu lange dafür gekämpft. Statt eine Verfassungsänderung von historischer Tragweite feiern zu können, droht nun der SP eine Niederlage an der Urne.
«Take a win», sagt die prominente linke US-Politikerin Elizabeth Warren gern. Die progressive Ökonomin ist eine Vordenkerin der globalen Mindeststeuer. Ihr Rat ist teuer.
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Kommentar zur SP-Parole – Das Nein der SP zur globalen Mindeststeuer wirkt bizarr
Die SP-Delegierten lehnen ein ur-linkes Anliegen ab. Das ist angesichts der internationalen Bedeutung der OECD-Mindeststeuer nicht nachvollziehbar.