«Das Problem ist das Image»
Die Annahme der SVP-Initiative hat zwar noch keine direkten wirtschaftlichen Auswirkungen. Doch die psychologischen Effekte sind bereits eingetreten. Und die können Folgen haben.

Noch finden Schweizer Unternehmen ihre Fachkräfte. Die direkten wirtschaftlichen Auswirkungen der SVP-Initiative werden noch eine Weile auf sich warten lassen. Erste psychologische Effekte jedoch nicht. Und diese können in der Wirtschaft eine entscheidende Rolle spielen.
Ausschlaggebend könnten sie im Fall des australischen Pharmakonzerns CSL sein. Dieser befindet sich derzeit im Entscheidungsprozess um den Standort eines neuen Arzneimittelwerks. Es geht um 300 Arbeitsplätze. Wie «Bund», «Tages-Anzeiger» und «Berner Zeitung» vergangene Woche berichtet hatten, könnte Bern aufgrund des Abstimmungsergebnisses gegenüber Singapur ins Hintertreffen geraten.
«Können auch mit Kontingenten umgehen»
Mit den tatsächlichen politischen Veränderungen liesse sich dieser Entscheid der australischen Führungsriege von CSL kaum begründen. Singapur habe viel schärfere Kontingente als sie die Schweiz dereinst haben könnte, sagte Uwe E. Jocham, Direktionspräsident der Division CSL Behring, gegenüber der Nachrichtenagentur sda: «Die hängen das einfach nicht an die grosse Glocke».
Jocham glaubt ausserdem nicht, dass es sich mit Kontingenten in der Schweiz nicht arbeiten liesse: «Ich bin überzeugt, dass wir auch in Zukunft mit Kontingenten umgehen können», sagte er. Das sei schon früher möglich gewesen. Zudem liege der Ausländeranteil der Belegschaft von CSL Behring in der Schweiz unter demjenigen der Gesamtbevölkerung. «Unsere primäre Sorge ist nicht, dass wir die Leute nicht mehr bekommen», sagte Jocham: «Das Problem ist das Image».
Keynes: «animal spirits»
Dass wirtschaftliche Entscheidungen nicht einzig auf rein rationalen Elementen beruhen, hat schon der Ökonom John Maynard Keynes im Jahr 1936 festgehalten. Er schrieb über die «animal spirits» und meinte damit irrationale Aspekte des Handelns wie Instinkte oder Herdenverhalten, die das Wirtschaftsgeschehen beeinflussen können.
Ein konkretes Beispiel für die psychologische Beeinflussung der Marktteilnehmer fand der Ökonom Gauti B. Eggertsson in der Beendigung der schweren Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre in den USA mittels der «New-Deal«-Politik von Franklin D. Roosevelt.
Durch die drastische Erhöhung der Staatsausgaben und einen Wechsel in der Geldpolitik habe es dieser geschafft, die Erwartungen bezüglich der zukünftigen Politik in der gewünschten Weise zu gestalten, lautet das Fazit seiner Studie von 2005. Dieser psychologische Effekt – und nicht die realwirtschaftlichen Folgen der «New-Deal«-Politik – seien der Schlüssel zur wirtschaftlichen Erholung gewesen, schreibt Eggertsson.
Relevanz psychologischer Faktoren unklar
Über die Relevanz solcher psychologischer Faktoren herrscht indes Uneinigkeit. «Unternehmer sind in der Regel rational und lassen sich nicht allzu sehr von Medienberichten und dergleichen leiten», sagte Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz gegenüber der sda.
Claude Maurer, Ökonom bei der Credit Suisse, räumt den irrationalen Faktoren dagegen einen gewissen Stellenwert ein: «Unternehmen achten bei Investitionen auf Indikatoren und Planungszahlen. Das Bauchgefühl dürfte aber durchaus auch eine Rolle spielen», sagte Maurer im Gespräch mit der sda.
In einer Studie versuchten die Credit-Suisse-Ökonomen den Effekt von politischen Veränderungen auf die Investitionen zu quantifizieren. Der negative psychologische Effekt der Zuwanderungsinitiative sei stärker als derjenige des Neins zum EWR-Beitritt, sagte Maurer. Noch deutlich gravierender sei aber der Kollaps von Lehman Brothers gewesen, sagte er.
Negatives Signal
Dass sich die Zuwanderungsinitiative psychologisch auswirkt, musste auch Jocham erfahren, der sich im Entscheidungsprozess von CSL für den Standort Bern stark macht. «In diesem sich in der Endphase befindenden Wettbewerb ist dieses Signal ein negatives», sagte Jocham.
Nach dem Abstimmungsergebnis habe er versucht, seine Vorgesetzten in Australien bezüglich der Auswirkungen der Initiative zu beschwichtigen, sagte Jocham. Dies sei allerdings nicht einfach.
«Das Image der Schweiz als wirtschaftsfreundliches Land hat einigen Schaden genommen», sagte Jocham. «Neben der Zuwanderungsinitiative haben auch die Annahme der Minder-Initiative und die abgelehnte 1:12-Initiative dazu beigetragen», sagte Jocham. Auch von diesen Initiativen hätten seine Vorgesetzten in Australien Kenntnis genommen.
Folgen für Schweizer Unternehmen
CSL wird seinen Entscheid bezüglich des Standortes bis spätestens Ende Juni fällen. Ob auch Schweizer Unternehmen, bei denen die Führungsetage besser über die möglichen Konsequenzen der Initiative Bescheid weiss, vermehrt im Ausland investieren werden, bleibt abzuwarten.
«Solange die Umsetzung völlig offen ist, ist es noch zu früh, um über konkrete Massnahmen zu sprechen. Die Stärkung des Auslandsgeschäfts ist Teil unserer Strategie. Diese Strategie bestand jedoch schon vor der Annahme der Initiative», hiess es etwa bei Implenia.
Roland A. Müller, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbands, glaubt nicht, dass sich zurzeit Schweizer Firmen einzig aufgrund der angenommenen Initiative entscheiden, ihre Präsenz von der Schweiz ins Ausland zu verlagern: «Bei Firmen, bei denen das sowieso zur Diskussion stand, kann es sein, dass die Initiative den Ausschlag gab», sagte Müller.
SDA/rbi
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